Sport | Interview

„Wie? Was? Hast du nicht Angst?“

Torfrau der EV Eagles, Daniela Klotz, im Gespräch mit SALTO über ihre Erfahrungen als Eishockeyspielerin, komische Blicke, fehlende Visibilität und coole Masken.
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Foto:  DerHandler
  • Rekordmeister im italienischen Eishockey sind nicht nur Füchse sondern auch Adler: Das Frauenhockeyteam EV Bozen Eagles errang bisher 12 Meistertitel, die Vorgängerfrauschaft HC Eagles Bozen errang 7 Titel. Am Ende der Saison 2007/08 wurde jenes Team jedoch aufgelöst und die Spielerinnen schlossen sich der neu gegründeten Frauenabteilung des EV Bozen 84 an, eben den EV Bozen Eagles. Der EV Bozen 84 selbst wurde 1984 von den vier Vereinen SV Gries, HC Rentsch, HC Jugendclub und Micky Maus gegründet, mit dem Ziel die Jugendarbeit zu übernehmen.

  • Die „Adler“: Im Einsatz gegen die Lakers Kärnten Foto: Marco Marangoni

    Die Adler wurden seit 2010 nur zweimal nicht Meister und einmal davon 2020 weil der Titel aufgrund der Pandemie nicht vergeben wurde. Zu ihren Erfolgen gehören weiters der einmalige Gewinn der Coppa Italia. Dazu sind sie das erste italienische Team, das die EWHL (European Women's Hockey League), der einzige internationale Fraueneishockey-Wettbewerb für Vereine mit Teams aus unter anderem Österreich, Ungarn, Slowakei und Polen, gewinnen konnte, in der Saison 2013/14. Sie gewannen diesen Wettbewerb noch ein weiteres Mal (2016/17) und erreichten noch zweimal den zweiten und einmal den dritten Platz. Auch in der laufenden Saison brillieren die Eagles, nach einem etwas holprigen Start, in der italienischen Liga, so gewannen sie auch kurz vor Jahresende mit einer 16:0-Demontage gegen den HC Varese, der Sammlung wird wohl ein weiterer Titel hinzugefügt werden. Gleich wie die HC Bozen Foxes tragen auch die Eagles ihre Heimspiele in der Sparkasse Arena aus. 

  • Torfrau Daniela Klotz: „Mehr Visibilität, das wäre mein Wunsch.“ Foto: Marco Marangoni

    Die 28-jährige Torfrau Daniela Klotz, ein Urgestein der Eagles, war bei all diesen Titeln dabei und ist auch schon einige Male für das italienische Nationalteam der Frauen aufgelaufen:

    SALTO: Wie sind Sie überhaupt zum Eishockey gekommen?

    Daniela Klotz: Es liegt in der Familie. Mein Vater hat gespielt, mein Bruder hat gespielt. Mit sieben Jahren wollt ich es auch probieren. Mein Vater hat mich dann beim EV Bozen eingeschrieben. Es hat mir gefallen und dann bin ich dabei geblieben. So einfach. (lacht)

    Warum wurde Goalie zu Ihrer Position?

    Ich weiß es jetzt nicht mehr ganz genau, aber einerseits war es mein Bruder, weil er Tormann war. Mir erzählt man, es war vorwiegend, weil ich die Tormann-Maske so cool gefunden habe und sie unbedingt haben wollte. Deshalb bin ich ins Tor gegangen. Ich weiß jetzt nicht, was mehr stimmt (lacht), aber sagen wir mal eine Mischung aus beidem.

  • Was bedeutet es, eine Eagle zu sein?

    Fast schon eine Ehre, es ist eine Mannschaft, die gibt es schon lange. Wir kommen alle gut aus, zum Glück. Das ist ja bei Frauen nicht so einfach. Ich bin einfach ewig dabei mittlerweile.

    Was waren die größten Höhepunkte in diesen vielen Jahren?

    In allererster Linie, dass wir 2013/2014 die EWHL gewonnen haben. Das war einer der Momente, wo ich froh war, dass ich es nicht nicht vorher gelassen habe. Das war mal eine Idee von mir. Und natürlich, dass wir so oft die Italienmeisterschaft gewonnen haben, ist auch nicht ohne. Das kann nicht jeder behaupten. Und die ganzen zahlreichen Europapokale, wo wir teilnahmen.

    Warum hätten Sie das Hockeyspielen fast gelassen?

    Weil ich mir dachte, dass ich studieren gehen will. Früher war es noch nicht wirklich so, dass man von zu Hause aus studieren kann. Ich bin mittlerweile auch 28. Ich habe es dann eben nicht gelassen, weil mir das Hockey so am Herzen lag. Deshalb sagte ich mir selbst: „Ach, die Karriere gebe ich nicht auf.“

    Wie sieht Ihre typische Woche derzeit aus?

    Im Moment ist es „chillig.“ Ich fange erst im März wieder an zu arbeiten, dadurch dass ich Saisonarbeiten mache. Sonst überkreuzt es mit dem Hockey. Aber im Moment eben nicht viel. Ich stehe auf, esse, trainiere. Dann bilde ich mich weiter. Ich bin ziemlich sprachbegabt und versuche so viele Sprachen wie möglich zu lernen. Im Moment lerne ich Portugiesisch.

    Das heißt, über Frühling bis Sommer/Herbst Saisonarbeit und dann wieder Serie A?

    Ja, genau.

  • Die Eagles in der Sparkasse Arena: Bald werden sie wohl ihren 13. Meistertitel feiern können Foto: Marco Marangoni

    „Ach, du spielst Hockey, cool, was bist du für eine Position?“ „Ja, Torfrau.“ „Wie? Was? Hast du nicht Angst?“ „Ach, nein, nein.“

    Wie ist die Fankultur? Gibt es die eingefleischten Fans/Ultras, die zu jedem Spiel kommen? 

    Gar nicht eigentlich. Frauenhockey wird belächelt. Wenn wir jemanden eingefleischte Fans nennen können, dann sind es meistens die Eltern von irgendjemanden. Die Zuschauerzahl bei den Spielen ist schon sehr mager. Leider. Aber überall. Außer in der neuen Liga in Amerika (die Professional Women’s Hockey League, Anm. d. Red.). Da haben sie einen Rekord gebrochen mit 13.000 Zuschauern (beim Spiel von Minnesota gegen Montreal, am 6. Januar, Anm. d. Red.). Aber bei uns ist das... oh je, da sind wir weit weg.

    Was wären Ansätze, um es populärer zu machen?

    Mehr Visibilität und mehr Interaktion. Auch von der Mannschaft aus. Einfach, dass man über Instagram und TikTok wirbt. Man kann sicher mehr Leute erreichen, wenn man sich da ein bisschen einsetzen würde.

    Bekommen Sie manchmal komische Blicke, wenn Sie jemandem erzählen, dass Sie professionelle Hockeyspielerin sind?

    Ja, schon. Viele erwarten sich das einfach nicht... Ja, das ist schon ganz lustig manchmal. Das geht dann circa so: „Ach, du spielst Hockey, cool, was bist du für eine Position?“ „Ja, Torfrau.“ „Wie? Was? Hast du nicht Angst?“ „Ach, nein, nein.“

  • Nehmen Sie das eher locker auf oder nervt es manchmal ziemlich?

    Nein, gar nicht. Ich nehme das so locker. Das ist mir wirklich egal.

    Wo glauben Sie, es gibt die größten Unterschiede nach Geschlecht im Hockey?

    Schnelligkeit, sicher. Die Herren sind einfach vom Denken her ein bisschen schneller. Wir Frauen sind ein bisschen mehr so „Na, jetzt warte ich noch kurz, vielleicht mache ich doch noch einen Pass.“ Sonst natürlich auch das Checken und Herren sind generell viel mehr körperbetont. In meinen Augen, könnte man das bei den Frauen auch machen. Heutzutage spielen alle bis zu einem gewissen Alter mit den Buben, man wächst damit auf. So unterschiedlich ist jetzt das Ding nicht, es ist nicht so, dass gewisse Damen stärker als andere sind. Jeder geht ins Fitnessstudio und arbeitet an sich. Das sind die zwei größten Punkte: Herren sind körperbetonter und die Schnelligkeit ist bei ihnen viel mehr da.

    Gibt es auch Sachen, in denen die Frauen stärker oder besser als die Männer sind?

    Schwierig. Wird es auch geben. Die Schnelligkeit kann auch etwas schlecht sein. Weil man vielleicht die Option hätte, jemanden zu passen, der besser steht und tut es eben nicht, weil man sich denkt, „Ach, jetzt schieße ich.“ Ist eine schwierige Frage.

    „Das kannst du nicht. Du wirst nichts erreichen.“ Das habe ich oft genug gehört.

    Sie sind jetzt ja schon länger dabei. Gibt es seit damals eine positive Veränderung, was die Wahrnehmung von Fraueneishockey angeht? 

    Wir kriegen ein bisschen mehr Unterstützung, was Sponsoren und ähnliches angeht. Aber sonst hat sich bei uns nicht so viel geändert. In anderen Ländern kann ich es wenig beurteilen.

    Welche Entwicklungen würden Sie sich für den Frauenhockey wünschen oder gerne sehen?

    Da sind wir wieder beim Thema Fans. Wir brauchen nicht direkt Ultras, das wäre vielleicht übertrieben. Aber einfach, dass mehr Zuschauer kommen. Im Endeffekt ist Frauenhockey interessant. Natürlich, wir sind ein bisschen langsamer, nicht so hart und so weiter. Mehr Visibilität, das wäre mein Wunsch.

    Welche Botschaft würden Sie jungen Mädchen geben, die davon träumen, Eishockeyspielerinnen zu werden?

    Den Sport zu genießen. Frauen spielen im Schnitt nicht so lange wie die Männer. Aus verschiedensten Gründen. Auch weil es vom Beruf her nicht mehr geht. Wir können das nicht als Beruf ausüben. Wir verdienen ja nichts dabei. Im Gegenteil. Einfach nicht aufgeben, dadurch dass es jetzt eben auch die Möglichkeit gibt, in Amerika zu spielen, wo man Geld verdient. Spaß haben und genießen, solange man es ausüben kann. Nicht aufgeben. Fest daran glauben. Und auch aufs ganze Leben bezogen: Macht, was euch Freude macht und lasst euch von niemanden sagen: „Das kannst du nicht. Du wirst nichts erreichen.“ Das habe ich oft genug gehört. „Du wirst nie irgendwo hinkommen“ und trotzdem bin ich irgendwo hingekommen. Deshalb nicht aufgeben.

    Also in Amerika kann man im Gegensatz schon generell auch vom Hockey leben? 

    Mittlerweile. Nicht alle, aber die meisten in der Liga verdienen ziemlich gut.

    Und können es demnach auch „hauptberuflich“ ausüben?

    Ja, und in Zukunft auch immer mehr. Vor allem in Amerika und Kanada.

    Haben Sie Pläne nach Ihrer spielerischen Karriere? Haben Sie sich dazu Gedanken gemacht, ob Sie in der Welt des Hockeys bleiben wollen?

    Ja, vor nicht allzu langer Zeit sogar. Ich will vielleicht Schiedsrichterin werden. Drei Teamkolleginnen sind Schiedsrichterinnen. Eine pfeift bei einer Weltmeisterschaft der Frauen in Bulgarien. Ich finde das wirklich voll cool. Dass man nicht einfach aufhört, sondern weiterhin bei dem Sport bleibt, der dir Spaß macht und der dich das ganze Leben begleitet hat. Das ist eine Idee von mir.

    Olympia. Das wäre „the cherry on top“, die Krönung der Karriere. 

    Richtung Coaching auch oder nur Richtung Schiedsrichterin?

    Eher Schiedsrichterin, aber ausschließen will ich Coaching nicht.

    Team- oder Positionscoaching?

    Wenn dann, auf Goalies bezogen.

    Wer waren Ihre größten Idole?

    Klingt möglicherweise komisch, weil es ein Spieler und kein Tormann ist, aber Alexander Owetschkin, wegen seines Bisses, seines Kampfgeists, seiner Mentalität nie aufzugeben. Bis ein Spiel nicht fertig ist, ist es nicht fertig und alles kann passieren. Ansonsten auch Martin Brodeur, der einzige Tormann, der mein Vorbild war und ist.

    Sie haben eine ansehnliche Karriere hinter sich, gibt es Meilensteine die Sie noch gerne erreichen würden?

    Das sagt jeder Athlet, egal welcher Sportart: Olympia. Das wäre „the cherry on top“, die Krönung der Karriere. Vielleicht, wer weiß. Lang ist es nicht mehr hin.