Politik | Ein kritischer Blick hinter die Fassaden der Politik

Was ist heutige Demokratie?

"Demokratie ist die schlechteste ("worst") Regierungsform, doch besser als alle anderen." Die unzähligen Papageien, die diesen Satz nachsprechen, wissen meist nicht, in welchem Zusammenhang Winston Churchill ihn formulierte.
Ist "die Demokratie" zu einem Allerweltsbegriff geworden, der jedes vernünftigen Inhalts entbehrt und sich für alle gut gemeinten, ebenso wie für alle niederträchtigen Zwecke eignet?
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 Es darf uns nicht überraschen,dass "Volksdemokraten"-übrigens ein entlarftes wort,das gleich zweimal auf das Volk Bezug nimmt, welches unterdrückt wird - die schlimmsten Diktaturen errichten, Schurkenstaaten "im Namen der Demokratie" mit ihren preemptive actions Kriege vom Zaume bricht, und das Völkerrecht brechen, oder Weltmächte "um die Demokratie zu sichern" Länder jahrzehntelang besetzen, willfährige Besatzungsregime und Marionettenregierungen einsetzen, Widerstandskämpfer foltern,Oppositionsführer ermorden, Parteien, Abgeordnete und Regierungsvertreter bestechen und korrumpieren, wenn das ihren Interessen dient. Nicht zu Unrecht bezeichnet die berühmte indische Schriftstellerin, Arundhati Roy, die Demokratie als "die Hure des Westens", die jeden Sonderwunsch bereitwillig befriedigt und sich jederzeit be- und ausnutzen lässt". "Jede Art von Gewalt findet im Namen der Demokratie statt. Heute wird sie einem via Bombenteppich frei Haus vor die Tür geliefert". "Der Begriff ist ausgehöhlt - eine schöne Hülle ohne Inhalt und Bedeutung". Sie kaschiere "Politik ohne Verantwortung und am Volk vorbei".Haben denn unsere Parteien  den Mut zur Wahrheit verloren?  Politik präsentiert sich als Gegenteil der Aufklärung und operiert hart an der Grenze der Volksverdummung,ist die Grenze des Zumutbaren nicht schon längst erreicht?

Reine Demokratie hat ihr Ziel nicht in der Freiheit, in deren Namen sie propagiert wird und mit der man sie 
legitimiert, sondern in Diktatur und Terror. Die gesamte klassische Staatstheorie hat das gewusst, von Platon über Kant bis Hegel.

Aus sich heraus kennt die Demokratie keine Begrenzung der Herrschaft. Wo die Mehrheit diktiert, hat die Minderheit keine Rechte. Das veranlasste Johannes Paul II. vor einer "Demokratie ohne Werte" zu warnen, denn sie "verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus.  Längst haben die Volksvertreter aufgehört, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit nur ihrem Gewissen zu folgen, das Volk zu vertreten oder seinem Willen Ausdruck zu verleihen. Wie in den kommunistischen Diktaturen vollziehen sie fast ausnahmslos nur noch den Willen der Partei. Was sich als Demokratie ausgibt,ist in Wahrheit Parteidiktatur.Nur sehr selten und dann auch meist nur für kurze Zeit kann das Prinzip "top down statt bottom up" durchbrochen werden, von "freier Wahl" der "Volksvertreter" kann in der Regel keine Rede sein. Wer je in den einschlägigen Gremien an den Vorbereitungen von Parteikongressen und den Auseinandersetzungen um Kandidatenlisten, Reihungen, Vorzugsstimmen und Wahlkämpfen beteiligt war, weiß davon ein Lied zu singen. Vielen ist dabei der Appetit auf Demokratie für immer vergangen.

Die Einengung der Politik durch die Sachzwänge der Globalisierung ist allerdings weitgehend hausgemacht. Sie ist Folge des Verzichts auf Souveränität oder der Übertragung von Souveränitätsrechten im Rahmen internationaler Abkommen. "Jede Übertragung von Souveränitätsrechten auf internationale Organe bedeutet Verlust eines Stücks parlamentarischer Demokratie", stellte  Lord Ralph Dahrendorf unwiderleglich fest. Die Entmachtung der Parlamente schreitet heute vor allem in der Europäischen Union zügig fort. Wenn 80% aller wichtigen Gesetze oder Richtlinien nicht mehr von den nationalen Parlamenten entschieden werden können, haben die Volksvertretungen ausgedient. Sie werden zu "teuren Fassaden der Ohnmächtigkeit". Das gilt nach Dahrendorf vor allem auch für das Europäische Parlament, welches kraft der Bedeutungslosigkeit seiner Funktionen "eine Beleidigung für jeden aufrechten Demokraten"sei.  
Viele Menschen haben das Vertrauen verloren, politische Entscheidungen wirklich beeinflussen zu können. Die Demokratie wird zunehmend als bloßes Ritual angesehen.  Global agierende Unternehmungen, Medienkartelle und mächtige Bürokratien sind dabei, die politischen Parteien umzuformen, deren hauptsächliche Aufgabe nicht länger im Dienst an der Öffentlichkeit besteht, sondern im Schutz bestimmter Klientelen und Interessen. Die Politik entwickelt sich zum Schlachtfeld der Lobbyisten.

Trotz allem, die Ausschläge der politischen Seismographen nehmen jedoch zweifellos an Heftigkeit zu. Besteht eigentlich noch Hoffnung, auf  der sich abzeichnenden tragischen Entwicklung dessen, was heute Demokratie genannt wird,wobei man doch ein Abgleiten in den Totalitarismus nicht verbergen kann. 

 Robert Menasse hat wohl recht, wenn er die Unterordnung des Staates und der Regierung unter die Führung von  "der einzigen Weltmacht", als welche die USA heute gelten, für unvereinbar mit unserer demokratischen Vorstellung hält, wir könnten jene, die uns regieren und führen, selbst wählen. Wird nicht dadurch die Demokratie zu einem leeren Wort? Die Wahrheit sollte uns doch wohl, um ein Wort von Ingeborg Bachmann aufzugreifen, "zumutbar sein". Sie ist bekanntlich "sanft und stark zugleich", sie macht frei. "Sie hat noch niemand vergewaltigt" (Papst Benedikt XVI.).