Bühne | Theater

„Finito lo spettacolo, torno al caffè“

Ein neuer Theatertext, (lange) nach Shakespeare, verhandelt den Auftrag des Theaters, Generationenkonflikte und stellt den „Orazio“ in die Mitte. Wem gehört die Bühne?
Orazio, Teatro Stabile di Bolzano
Foto: Paola Castrignanò
  • Mit einem straffen Stück von weniger als eineinhalb Stunden brachte Paolo Mazzarelli (auch in der Rolle des Theaterdirektors) gestern Abend etwas auf die Bühne des Bozner Stadttheater, das gern eine Komödie gewesen wäre, auch wenn es sich mit ernsten Themen befasste. Das Lachen und der Humor sind im Stückverlauf allerdings mehr ein unterstützendes Hilfsmittel, als dass sie das Wesen des Stückes bestimmen würden. Unterstützt wird Mazzarelli als Darsteller von Antonio Bandiera (Orazio), Beatrice Vento (eine Freundin Orazio und Tochter des Theaterdirektors) und Francesco Jacopo Provenzano (Waisenkind und Hamlet-Darsteller). 

    Orazio, den wir nach einer mit Jazzinstrumentarium und ohne Sprechtext gestalteten Traumszene mit bettelndem Hamlet samt Clown-Nase kennenlernen, ist die zentrale Figur des Stücks, durch die dessen Themen auf die Bühne kommen. Immer wieder sind es Musik und Lärm, die nach Dialogen den allzu leeren Bühnenraum ausfüllen wollen und auch um im Bühnenraum in dem von Gewalt geredet wird, diese aber nicht stattfindet, für das in einigen Szenen notwendige Unbehagen zu sorgen. Der Soundtrack mit Stücken von Luca Canciello hat eine Funktion und erfüllt diese voll und ganz.

    Unsere Hauptfigur Orazio hadert, woran sich die eine oder der andere, bei denen die Hamlet-Lektüre noch frischer ist, erinnern dürften, das Stück aber lange hinterm Berg bleibt, mit den letzten Worten unddem Vermächtnis, das Hamlet, sein ehemaliger „Meister“, ihm hinterlassen hat. Wir erinnern uns, dass dem Diener, als einzig Überlebendem des „Hamlets“, die Aufgabe zukommt, die Geschichte des Dänischen Prinzen zu überliefern.

  • Orazio: Eine Traumdeutung dazu, welche Bewandtnis es mit dem mit Clownnase ausgestatteten Hamlet hat, bleibt das Stück schuldig. Foto: Paola Castrignanò

    Wir lernen Orazio, der am Bühnenrand im Theater seine Baracke hat, kennen, als er ganz unten angekommen ist. Als erfolgloser Theaterregisseur mit Ende 20 und einem Stück im Lebenslauf, drückt die Zeit. Orazio ist kein neues Talent der Szene mehr, hat sich aber auch noch nicht wirklich etabliert. Sein „inneres Feuer“ und damit seine kreativen Energien werden auf der kargen Bühne einem Campingkocher gegenübergestellt, der den Kaffee verweigert. Orazios Freundin erscheint ein Theaterwettbewerb als der perfekte Weg, um den verwahrlosten Freund aus seinem Loch zu holen. Es soll ein „Hamlet“ werden.

    Dazu muss sich Orazio, gefangen zwischen der Aussicht auf 100.000 Euro Preisgeld und dem Tod seines Meisters, der ihm wie gestern erscheint, mit seinen eigenen Prinzipien als Künstler auseinandersetzen. Die schiefe Zeitebene des Stückes wird nicht thematisiert, doch man gewöhnt sich schnell an den Protagonisten zwischen Gestern und Heute. Naturgemäß, wie sich das für einen Künstler in der Sinnkrise gehört, heißt das erstmals ringen mit der eigenen Aufgabe, seiner Rolle und dem Stück. Orazio bleibt lange undurchsichtig, lässt seine Probleme erahnen, zögert aber sie auszusprechen und hat eine gewisse Weinerlichkeit, die uns als Zuseher instinktiv etwas auf Abstand zum Antihelden gehen lässt. 

    Die Fragen des Stückes sind groß, alt und grundlegend und fügen sich auch durch das Stück im Stück gutin den knappen Handlungsverlauf ein, der kurz in die Produktion blicken lässt: Wer ist das mitgemeinte „wir“, wenn Künstler von „ihrem Theater“ sprechen? Was braucht es, um eine Geschichte zu erzählen und sich Regisseur zu nennen? Wie bricht man aus der genfrationalen Weitergabe von Traumata und Gewaltneigungen aus?

    Gerade letztere Frage kann auch noch nach dem Stückbesuch nachhallen. Kann unser Antiheld dieser Aufgabe überhaupt gerecht werden? Auch sein Freund und Meister lud Gewalt bei ihm ab, Szenen und Worte, die ihn bis in den Traum verfolgen. Mit Schädeln über die (Un)Sinnigkeit der Existenz plaudern möchte der Regisseur nicht. Viel wichtiger ist es ihm nach Shakespeare, den Auftrag und die Sinnhaftigkeit von Schauspiel auf der Bühne neu auszuhandeln. Der Rest ist dann Schweigen.

  • „Orazio“ ist heute Abend im Forum Brixen, morgen Abend im Stadttheater Sterzing, sowie übermorgen Abend im Stadttheater „Puccini“ in Meran zu sehen. Beginn der Vorstellungen ist jeweils um 20.30 Uhr. Die Produktion wurde vom Teatro Stabile di Bolzano, der a.ArtistiAssociati und der Compagnia Orsini gemeinsam realisiert.