SALTO | Schule

Schule aus dem Brennpunkt holen. Wie?

Südtirol diskutiert heute über Brennpunktschulen. Wie holt man Schulen aus dem Brennpunkt? Dazu möchte ich von meiner eigenen Erfahrung als Schulführung erzählen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Südtirol diskutiert heute über Brennpunktschulen. Dazu möchte ich von meiner eigenen Erfahrung als Schuldirektorin erzählen.

Wenn wir unter Brennpunktschule eine Schule mit einem hohen Prozentsatz an Schüler:innen mit Migrationshintergrund und SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen verstehen, dann leite ich eine solche seit ungefähr 10 Jahren und kann sehr gut nachempfinden, was die Lehrpersonen anprangern. Noch mehr verstehe ich den Wunsch nach Intervention.

Gewalt, Verhaltensauffälligkeiten, Störungen, Suizidgedanken und -versuche, Misshandlungen waren in meiner Schule tägliches Brot. Sprach- und Integrationslehrpersonen oder Mitarbeiter:innen waren in unzureichendem Ausmaß gegeben.

Ich hatte Tage, an denen ich mir dachte: “Wie soll ich das bloß schaffen?“ Doch die Lehrpersonen standen mir stets zur Seite, und das gab mir Kraft und Mut.

Zusammen haben wir unbeirrt an einer neuen Schulorganisation gearbeitet. Wir haben Klassenverbände aufgelöst, Niveaugruppen und Fachrichtungen eingeführt, neue Fächer sowie Bewertungsmethoden überlegt, Lehrpersonen gezielt eingesetzt. In den letzten Jahren haben wir Verträge abgeschlossen, die uns einen Psychologen sowie Sozialpädagogen an der Schule ermöglichen. Auf das Ergebnis sind wir stolz, Schüler:innen und Lehrpersonen kommen gerne in diese Schule, wenn es auch immer noch Probleme gibt. In der Schulautonomie gibt es bestimmt Spielräume, die man ausloten kann, um eine gerechtere Schule zu gestalten.

Die Zusammenarbeit mit den Familien, der Rückhalt unter Lehrpersonen und zwischen Lehrpersonen und Schulführung sind ausschlaggebend. Und doch ist das nicht ausreichend.

Sicherlich ist es hilfreich, wenn die Klassengröße verkleinert und mehr spezialisiertes Personal zur Verfügung gestellt wird. Noch wichtiger aber wäre ein Netzwerk, eine Art Partnerschaft, in der Schule, Familie, Sozialdienste, Vereine des Dritten Sektors auf Augenhöhe zusammenspielen. Die Kooperation dieser Akteure ist schwierig, weil sie untereinander anders organisiert und finanziert sind, oft aber auch weil sie genauso wie die Schule nicht ausreichend mir finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet sind. In dieser Hinsicht gäbe es viele Entwicklungsmöglichkeiten.

Schüler:nnen und Lehrpersonen haben das Recht, gesund in einer Schule zu lernen und zu lehren. Kinder und Jugendliche brauchen Zuwendung, Aufmerksamkeit, Sicherheit, Ruhe: Sie haben das Recht auf eine Schule, die Chancengleichheit anbietet, die allen die Möglichkeit gibt heranzuwachsen. Unterrichten und erziehen ist eine Aufgabe von höchster Bedeutung, die Ausbildung und Aufnahme sind langwierig und kompliziert - der Lohn muss dem Rechnung tragen.

Schulen aus dem Brennpunkt holen, das muss ein gesellschaftliches und politisches Ziel sein, damit Zukunft möglich ist.

Sabine Giunta

Schulführung und Ko-Spitzenkandidatin Landtagswahlen Oktober 2023 Verdi Grüne Vërc