Bühne | Kabarett

Ist die Welt noch zu kabaretten?

Urban Priol ließ am Montag mit Partnern und Förderern die Meraner Kabarett Tage enden. Robert Asam fragte den rand-bayerischen Althasen zu 40 Jahren Kabarett-Karriere.
Urban Priol und Robert Asam
Foto: SALTO
  • Nachdem die nun zum vierten Mal ehrenamtlich organisierten Meraner Kabarett Tage 1800 Besucher an 7 Aufführungstagen vermeldeten, hatte man am Montagabend in einem intimeren Kontext, im nurhalbvollen Theater in der Altstadt für ein Publikumsgespräch mit dem Aschaffenburger Urgestein geladen, das am vergangenen Wochenende eine Doppelvorstellung seines aktuellen Programms gab. Priols Werdegang hatte ihn anfänglich unerwartet vom Kompaniekasper beim Militär bis zu den Satire-Shows im deutschen Fernsehen geführt.

    Robert Asam begann das Plauderstündchen mit lokalem Mineralwasser - statt alkoholfreiem Weißbier aus dem Freistaat - mit einfachen Fragen. Zuvor kam Priol noch, nach der Zusicherung, dass das Gespräch nicht zu lange dauern würde und mit Wein am Buffet ungezwungen fortgesetzt werden könnte, ein Zweifel: „Ich habe mich schon die letzten zwei Tage gefragt, ob der gemeinsame Umtrunk nach der Vorstellung eine Belohnung ist oder sagt ihr euch: ‚Den gemeinsamen Umtrunk und das Essen, das wollen wir sowieso machen, jetzt müssen wir dem dann eine Veranstaltung voranstellen.‘“ Einen sichtlich entspannten Priol fragte Asam, ob der Titel seines neuen Buches „Was reg ich mich auf?!“ (Untertitel: Ein Boomer holt aus) resignierend zu verstehen sei. 

  • Urban Priol: Alkoholfreies Weißbier zählt für den "Rand-Bayern" ebenso zu den Bühnenatributen wie bunte, gemusterte Hemden und seine Frisur. Foto: Markus Steiner Ender

    Priol dröselte sein ambivalentes Verhältnis zur Welt und dem was in ihr passiert an den beiden Satzzeichen im Titel auf. „Oft sag ich mir: ‚Das habe ich vor 25 Jahren schon gesagt, das kenne ich doch alles schon, Was reg ich mich eigentlich auf?‘ Dann kommt wieder etwas Neues und ich sage mir: ‚was reg ich mich jetzt auf!‘ Es ist so eine Melange aus beidem.“

    Als Kind aus einem sozialdemokratischen Haushalt, das jung doch die 68er mitbekam, war der Weg zum politischen Kabarettisten quasi eine Folge seiner kindlichen Frühprägung, von welcher ihm Diskussionen im Haushalt in Erinnerung geblieben sind. „Ich weiß nicht, ob ihr so was kennt, wir haben dort seit 70 Jahren eine Partei.“, verglich Priol die politische Großlage Bayerns mit Südtirol. Die eigene Politisierung brachte den späteren Kabarettisten auch früh, mit 13, 14 etwa, auf Demonstrationen und er erinnert sich lebhaft und stimmhaft - es sollten weitere Imitationen folgen - an den Rücktritt Willi Brands. Auch an die Wasserwerfer und das CS-Gas erinnerte er sich, womit man wisse, was der Hauptbestandteil der CSU sei.

    Zumindest teilweise nahm Urban Priol aber auch die Bereitschaft der Herrschenden in Schutz, die Kabarettisten machen und über sich lachen lassen würden, zumindest solange die Umfragewerte im Ort über 50 Prozent lägen. Provokant war Priol jedoch schon in der Schule, wo er als renitenter „Warum?“-Frager auffiel, sowie mit Parodien über Lehrer und eine „mir nicht mögliche Obrigkeitshörigkeit“. Eine solche Parodie und der Mangel an Gehorsam brachten den seinen Wehrdienst als Sanitäter verrichtenden Priol schließlich über eine Imitation zum Auftritt auf der Weihnachtsfeier seiner Kompanie, weiter über Hinterzimmer zu Bühnen und in den Rundfunk.

  • Aktualität: Den Kabarettisten frustriert es auch, dass es mitunter zu einfach sei, seine alten Texte neu aufzubereiten: „Das ist schon erschreckend, wie zyklisch das alles ist.“ Foto: SALTO

    Zumindest teilweise nahm Urban Priol aber auch die Bereitschaft der Herrschenden in Schutz, die Kabarettisten machen und über sich lachen lassen würden, zumindest solange die Umfragewerte im Ort über 50 Prozent lägen. Provokant war Priol jedoch schon in der Schule, wo er als renitenter „Warum?“-Frager auffiel, sowie mit Parodien über Lehrer und eine „mir nicht mögliche Obrigkeitshörigkeit“. Eine solche Parodie und der Mangel an Gehorsam brachten den seinen Wehrdienst als Sanitäter verrichtenden Priol schließlich über eine Imitation zum Auftritt auf der Weihnachtsfeier seiner Kompanie, weiter über Hinterzimmer zu Bühnen und in den Rundfunk.

    Dort dürften die bekannten Kabarett-Referenzen Priols wohl „Notizen aus der Provinz“ und „Scheibenwischer“ sowie im neuen Jahrtausend „Neues aus der Anstalt“ lauten. Für amerikanischeFormate, wie sie etwa für „Willkommen Österreich“ oder auch die „Heute Show“ auf den deutschsprachigen Markt importiert wurden, war er dabei nicht zu haben. Seine Auffassung von Kabarett deckt sich damit nicht. Stattdessen erzählt Priol glücklich wenngleich mit einer Spur vonWehmut vom gemeinsamen Konzept, das er mit Georg Schramm erarbeitet hat und auch dem Ruf der Sendung. „Es kann sich auch verlaufen“, meint der Kabarettist. Es komme - sowohl auf der Polit- wie auch auf der Kabarettbühne darauf an, es früh genug zu lassen, um den Menschen gut in Erinnerung zu bleiben.

    Dort zeigte sich Priol, trotz seiner links-liberalen Prägung und seines politischen Profils zu beiden Seiten des Spektrums und auch in der Mitte kritisch, etwa auch gegenüber Angela Merkel, die trotz Prophezeiungen von 2007 eine „Klimakanzlerin“ zu werden, diese Aufgabe für 16 Jahre „verschnarcht“ hätte.

    Ob sich Priol von seinem Umfeld beeinflussen lasse, wenn er an einem Programm schreibe? „Ja, natürlich…“, bereits nach Kaffee, Morgenmagazin und dem Aufschlagen einiger Zeitungen sei sein Adrenalin auf „Stand über der Oberlippe“. Am schwierigsten sei die Wiederaufnahme seines Tourenprogramms am Vorabend des Ausbruchs des Ukrainekrieges vor zwei Jahren gewesen. Da hieße es, notgedrungen ein Thema klein zu halten, bis die Gesamtsituation klarer erscheint.

    „Man muss sich auch das Recht herausnehmen zu sagen, es gibt Themen, die kann ich noch nicht bewerten“, meint Priol. Dennoch gelte: „Der Humor ist die einzige Waffe, die nicht tötet, man sollte sie möglichst oft verwenden.“ Die Pläne der fünften Kabarett-Tage seien laut Veranstaltern jedenfalls schon „weit gediehen“, heißt es von Seiten des Organisationsteams. Es dürfen sich dann gerne, vor und auf der Bühne, etwas mehr junge Köpfe, statt „nur den junggebliebenen finden. Dem Format Kabarett, das sich humorvoll und politisch, mehr oder weniger niederschwellig dem Zeitgeschehen anzunähern versucht, könnte eine kleine Frischzellenkuhr, nicht nur in Südtirol, nur nützen.