Politik | Landtag

Von "schäbig" bis "peinlich"

Begehrensantrag für Obergrenze von Flüchtlingen abgelehnt. Leitner: "Auf Willkommensrausch wird Kater folgen." Steger: "Thema nicht für billige Polemiken missbrauchen."

Dass es hitzige zweieinhalb Stunden werden würden, stand bereits vor Beginn der Sondersitzung des Südtiroler Landtags am Dienstag Nachmittag fest. Als einziger Punkt stand der Begehrensantrag der Freiheitlichen mit dem Titel “Obergrenze für Asylbewerber” auf der Tagesordnung. Darin fordern die sechs Blauen das italienische Parlament und die italienische Regierung auf, “umgehend folgende Maßnahmen zu ergreifen”: Zum einen wünscht man sich eine gesetzliche jährliche Obergrenze für aufzunehmende Flüchtlinge, zum anderen will man in Südtirol nur Flüchtlinge mit positivem Asylbescheid aufnehmen. Denn, so die Freiheitlichen wörtlich: “Eine anhaltende Massenzuwanderung bedroht ernsthaft den international garantiert Minderheitenschutz, vor allem Proporz und Zweisprachigkeit, für die deutsche und ladinische Volksgruppe.”

Man sorgt sich also um das Volk, wie Pius Leitner als Einbringer des Begehrensantrags im Laufe der Debatte im Landtag mehrmals unterstrich. Nicht nur um das hiesige, sondern insgesamt um die “ethnischen Europäer”, die durch den “Asylsturm auf Europa”, den die Freiheitlichen beobachten, praktisch zur Minderheit im eigenen Kontinent werden würden. Bereits dieser Punkt, der in der Prämisse des Antrags angeführt wird, kann stutzig machen. Der Begriff “ethnische Europäer” geht auf Udo Ulfkotte zurück, jenem ehemaligen FAZ-Journalisten, der sich bekanntlich gerne in rechtspopulistischen, islam- und ausländerfeindlichen Kreisen bewegt und in seinem Buch “Gekaufte Journalisten” zu einem Rundumschlag ausholt und der gesamten Berufssparte Käuflichkeit und Zensur vorwirft. Einen Ton, den die Freiheitlichen selbst gerne anschlagen.

Im Landtag fuhren die Blauen dann die im Begehrensantrag eingeschlagene Schiene weiter. Flüchtlinge wanderten “nicht in den Arbeitsmarkt, sondern in unsere Sozialsysteme” ein, mit der Vorstellung, “dass das bessere Leben in Europa im Nichtstun” bestehe und sorgten für Angst und Schrecken in der Bevölkerung. Ulli Mair warf schließlich auch die Frage nach dem Rollenbild der Frau auf, die “tausende von Männern aus Macho-Kulturkreisen, die unseren Kontinent stürmen” mit sich brächten. “Wir sollen immer tolerant sein und zusehen. Ich frage mich aber, warum steht man nicht an den Grenzen und sagt: Das sind unsere Regeln, seid ihr bereit euch in diese Werte zu integrieren?”

Um Werte ging es auch jenen, die den Blauen Bedenken entgegenhielten. Etwa SVP-Fraktionssprecher Dieter Steger. “Was ist die Alternative zur Aufnahme? Abschottung? Abweisung der Menschen an die Außengrenzen?”, fragte sich Steger sichtlich bewegt. “Das würde eine Instabilisierung der aktuellen Lage und eine Abkehr von den Grundwerten Europas und des Christentums bedeuten”, zeigte er sich überzeugt. Gemeinsam mit Landesrätin Martha Stocker hatte Steger einige Abänderungsvorschläge zum Begehrensantrag der Freiheitlichen eingebracht. Die beiden zogen ihn im Laufe der Sitzung wieder zurück. Stocker kündigte an, dem Landtag einen neuen Antrag zur Abstimmung vorlegen zu wollen. Auch die Grünen sprachen sich klar gegen eine Abschottung ab, gegen “rechtspopulistische Forderungen” und verlangten einen pragmatischeren Umgang mit dem Thema “Flucht”. “Es ist schäbig, wie unser reiches Land versucht, mit dem Thema Minderheit zu argumentieren”, so der Vorwurf Brigitte Foppas Richtung Freiheitliche. Sie wollte daran erinnern, dass “als Mensch” niemand illegal sei, illegal würden Menschen erst durch “unsere Rechtssprechung”. Als “ein Stück weit peinlich” bezeichnete Landeshauptmann Arno Kompatscher den Versuch der Blauen, eine Obergrenze für Flüchtlinge in Südtirol einfordern zu wollen. Eigentlich müsste Italien und damit auch Südtirol mehr Menschen aufnehmen, wenn eine gerechte Verteilung in der gesamten EU stattfinden würde. Dass er das richtig im Sinne der europäischen Solidarität finden würde, hatte der Landeshauptmann bereits bei anderen Gelegenheiten betont.

Einig war man sich am Schluss der Debatte nur darüber, dass man alles in seiner Macht stehende tun solle, um die Fluchtursachen zu bekämpfen und den Menschen ein sicheres und würdiges Leben in ihren Heimatländern zu ermöglichen. Und nachdem Dieter Steger davor gewarnt hatte, das Thema Flüchtlinge “nicht für Polemiken zu missbrauchen und daraus billiges politisches Kapital zu schlagen” und Pius Leitner prophezeit hatte, dass auf den “Willkommensrausch ein großer Kater folgen” wird, ging der Landtag zur Abstimmung über. Mehrheitlich lehnten die 33 anwesenden Abgeordnete waren den Begehrensantrag ab. Die Prämissen und den ersten Teil mit 10 Ja und 23 Nein, den zweiten Teil mit 7 Ja, 23 Nein und 3 Enthaltungen.

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Lupo Cattivo Mo., 19.10.2015 - 22:30

"...Einig war man sich am Schluss der Debatte nur darüber, dass man alles in seiner Macht stehende tun solle, um die Fluchtursachen zu bekämpfen und den Menschen ein sicheres und würdiges Leben in ihren Heimatländern zu ermöglichen..."...dies wird ein sehr schwieriges Unterfangen sein,das sind ja sehr schöne Worte...doch genau dies scheint ein Kampf gegen Windmühlen zu sein.
Zu viele Brandherde in Afrika,nahen Osten,Afghanistan,um nur einige zu nennen,haben diese Flüchtlingswelle und zugleich Tragödie verursacht.Doch wer hat die Finger im Spiel...? Es ist sehr schwer vorstellbar,dass die USA und ihre Vasallen in all den Ländern als Friedensmacht agieren,eher das Gegenteil ist der Fall,denn genau darin liegt die Ursache allen Übels. Und gegen diese Ursachen (Großmächte) will die Politik den Kampf auf nehmen....für mich ist dies eine Illusion,und dient nur zur Beruhigung.
Soziale Unruhen wird es auf jeden Fall geben,in ganz Europa...das schlimme daran ist,dass die Politik davor die Augen verschließt.

Mo., 19.10.2015 - 22:30 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 20.10.2015 - 12:17

Antwort auf von Lupo Cattivo

Vielleicht werden die Massen durch die tägliche Konfrontation mit Kriegs und Wirtschaftsflüchtlingen mit genau diesen Themen konfrontiert und es bildet sich der Wille von Seiten der Wähler etwas in den Ursprungsländern zu ändern.
Deine Schwarzmalerei bringt keinem was, aber anscheinend findest du gefallen daran Angst zu verbreiten. Wieso eigentlich?

Di., 20.10.2015 - 12:17 Permalink