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Was geht, altes Haus?

Die EU will bis 2030 16 Prozent des Energieverbrauchs im Gebäudesektor reduzieren. Die Sanierungsrate von knapp 1 Prozent lässt hierzulande noch Luft nach oben.
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Foto: Simon Berger/Pexels
  • Letzte Woche hat das EU-Parlament die Richtlinie zur energetischen Sanierung verabschiedet. Und das vermutlich aus gutem Grund. Für eine erfolgreiche Energiewende braucht es nicht nur Häuser mit Solarpaneelen auf dem Dach und einer Wärmepumpe im Keller, sondern vor allem gut gedämmte Gebäudehüllen.

    Bei schlecht gedämmten Gebäudehüllen hingegen geht ein Großteil der Heizenergie verloren und damit steigt der Energieverbrauch. Erklärtes Ziel der EU ist es, dass der Energieverbrauch von Wohngebäuden sinkt – bis 2030 im Durchschnitt um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent. Die EU-Kommission geht davon aus, dass rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und rund ein Drittel der Treibhausgasemissionen dem Gebäudesektor zugeschrieben werden müssen.

    „Wenn wir die Klimaziele aber erreichen wollen, sollten wir bereits heute keine Gaskessel mehr einbauen.“

    Die energetische Sanierung von Altbauten kommt europaweit nur langsam voran, Südtirol ist hier keine Ausnahme: Wie die Eurac anhand von Daten der Agentur für Energie Südtirol – KlimaHaus analysiert, hat sich die Anzahl der zertifizierten Sanierungen in der Provinz in den letzten Jahren relativ schwach entwickelt und schwankte in den Jahren 2010 bis 2022 zwischen 500 und 750 Sanierungen pro Jahr, mit Ausnahme von 2011, wo über 900 Sanierungen zertifiziert wurden.

     

  • Im Vergleich zum gesamten Gebäudebestand ist das ein kleiner Anteil. So wurden beispielsweise laut ASTAT im Jahr 2011 91.341 Gebäude gezählt. Davon dienten 85.644 vorwiegend als Wohngebäude. „Unter Annahme einer gleichbleibenden Anzahl an Wohngebäuden folgt daraus eine zertifizierte Sanierungsrate von Wohngebäuden von knapp 1 Prozent (0.87%) in Südtirol im Jahr 2022”, resümiert die Eurac im Klimaplan-Monitoring.

  • Peter Erlacher: „Der CO2-Ausstoß bei der der Erstellung eines Neubaus ist bedeutend größer als bei der energetischen Sanierung eines Altbaus.” Foto: privat

    „Der Südtiroler Baubestand braucht rund 18 Liter Heizöl pro Quadratmeter im Jahr, KlimaHaus A braucht 3 Liter und KlimaHaus Gold 1 Liter. Seit 2017 gilt in Südtirol für Neubauten eine KlimaHaus A-Pflicht, der Hausbestand braucht also derzeit sechsmal so viel Heizenergie wie der Neubau”, erklärt Fachingenieur Peter Erlacher aus Naturns. Der langjährige Referent der KlimaHaus-Agentur und Dozent der Freien Universität Bozen plädiert deshalb, den Fokus der Politik auf den Hausbestand zu richten.

    „Wenn wir die Energieversorgung in Europa dekarbonisieren wollen, können wir den Gebäudesektor nicht ausblenden. Im Verkehrssektor hat es bereits richtungsweisende Entscheidungen gegeben, wie das Verbrenner-Verbot ab 2035. Solche Entscheidungen sind vielleicht radikal, aber wichtig, um vor allem der Industrie Planungssicherheit zu bieten“, erklärt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für erneuerbare Energie bei Eurac Research. Diese Leitplanken werden im Gebäudesektor mit der neuen EU-Richtlinie zur energetischen Sanierung Schrittweise eingeführt. 

    „Diese EU-Richtlinie ist bei weitem nicht die erste. Bereits in Vergangenheit gab es auf EU-Ebene Bemühungen, um die Energieeffizienz der Gebäude zu steigern, vor allem beim Neubau war das sehr erfolgreich. Das Neue bei dieser Richtlinie ist nun, dass die CO2-Bilanz von Gebäude- Materialien in Betracht gezogen wird und auch eine verpflichtende Sanierungsrate eingeführt wird“, sagt Sparber. Klare Zielvorgaben werden auf Staatsebene vorgegeben, nicht auf einzelne Gebäude bezogen. Den Weg zur Erreichung können die Mitgliedsländer also individuell wählen, bemerkt der Wissenschaftler. 

  • Umsetzung der EU-Richtlinie

    Wolfram Sparber: „Wenn heute ein Heizkessel ausgetauscht wird, bleibt der in der Regel für 20 Jahre in Betrieb.“ Foto: Seehauserfoto

    Die Lage in der Provinz: Neben dem nationalen Superbonus für die Gebäudesanierung hat das Land Südtirol auch eigene Beiträge für Energieeffizienz und erneuerbare Energie eingeführt. Diese Anreize scheinen für eine Beschleunigung der Energiewende allerdings nicht auszureichen, schließlich beträgt die Sanierungsrate in Südtirol im Jahr 2022 gerade einmal knapp 1 Prozent.

    Das dürfte vor allem an der Finanzierung einer energetischen Sanierung liegen: „Zuerst einmal muss ich investieren, die Einsparungen rentieren sich aber erst nach zehn, 15 oder 20 Jahren. Vielen Haushalten fehlen hier die nötigen Finanzmittel. Besonders bei Mehrfamilienhäusern, sprich Kondominien, ist es schwierig, den finanziellen Aufwand zu stemmen”, sagt Erlacher. Daher sei das Beispiel deutschsprachiger Länder mit einem zinsverbilligtem Kredit für die energetische Sanierung vorbildlich.

    Auch Sparber von der Eurac betont den Stellenwert von günstigen Krediten und Förderungen für die energetische Sanierung: „Es gibt bereits starke Anreize in diesem Bereich, beispielsweise die 80-prozentige Förderung für die Sanierung von Kondominien vonseiten des Landes. Es ist aber auch wichtig, neben der finanziellen Förderung andere nicht-finanzielle Anreize in Betracht zu ziehen, etwa einen Kubaturbonus.“ 

  • Sanierung des Hausbestands: Südtirol hat laut Eurac eine Sanierungsrate von knapp 1 Prozent, hier im Bild ein Stadtteil von Bozen. Foto: Seehauserfoto
  • Da nach einer energetischen Sanierung der Energieverbrauch einer Wohneinheit und somit auch die Kosten sinken, kann ein Haushalt das ersparte Geld für die Tilgung des Kredits verwenden: „Ein Kredit mit 0,1 Prozent Zinsen und einer Mindestlaufzeit von 20 Jahren wäre hierfür ideal”, so der Fachingenieur. „Die Beiträge zur energetischen Sanierung haben in der Vergangenheit leider oft dazu geführt, dass die Preise am Markt um den Prozentsatz des gestatteten Beitrags gestiegen sind.”

    Vor dieser Ausgangslage entscheiden sich viele für Abriss und Neubau, was allerdings ökologische Nachteile mit sich bringt. „Der CO2-Ausstoß bei der der Erstellung eines Neubaus ist bedeutend größer als bei der energetischen Sanierung eines Altbaus”, sagt Erlacher. „Das Ganze ist auch ein kulturelles Problem. Vor allem junge Menschen wählen deshalb den Neubau, da sie eigene Bedürfnisse und Vorstellungen zur Architektur des Hauses haben. Hier braucht es Planer, die Altbauten so sanieren, dass sie wieder attraktiv werden, wie es etwa in Glurns vorbildlich gemacht wurde.”

    Derzeit verursacht eine Kilowattstunde Strom aus dem Südtiroler Stromnetz mehr Treibhausgase als Heizöl.

    Gleichzeitig sei die Umstellung auf erneuerbare Energien genauso wichtig, betont Sparber von der Eurac. „Wenn heute ein Heizkessel ausgetauscht wird, bleibt der in der Regel für 20 Jahre in Betrieb. Eine neue Gasheizung läuft also für die nächsten 20 Jahre. Wenn wir die Klimaziele aber erreichen wollen, sollten wir bereits heute keine Gaskessel mehr einbauen“, konstatiert der Wissenschaftler. 

    Derzeit sei der Heizungsmarkt europaweit sehr unterschiedlich. Während in einigen Ländern, wie in Skandinavien, bereits weitgehend mit erneuerbaren Energien geheizt wird, befinden sich andere Länder auf dem Weg der Umstellung, Italien hat diesen Weg gerade erst begonnen. „Südtirol ist hier eine Ausnahme. Zum einen, weil wir durch die traditionelle Nutzung von Biomasse bereits erneuerbare Energie nutzen. Zum anderen, weil wir beim Ausbau der Fernwärme italienweit Vorreiter sind“, sagt Sparber. 

  • Foto: Tobias Erlacher/Alin Sellemond/SALTO
  • Aus Sicht des Bauexperten Erlacher habe Südtirol in Sachen Klimaschutz und Gebäudesektor außerdem einen noch nicht ausgespielten Trumpf in der Hand. „Würde Alperia den in Südtirol aus Wasserkraft gewonnenen erneuerbaren Strom nicht teuer an der nationalen Strombörse verkaufen und stattdessen für Südtirol den nicht erneuerbaren Strom einkaufen, würden zwar die Gewinne von Alperia sinken, aber wir würden stattdessen unsere gesteckten Klimaziele bedeutend leichter erreichen”, erklärt der Experte. 

    Denn derzeit verursacht eine Kilowattstunde Strom aus dem Südtiroler Stromnetz mit 460 Gramm CO2 Ausstoß mehr Treibhausgase als Heizöl mit 290 Gramm CO2 Ausstoß. Das bestätigen die Daten im Beschluss der Landesregierung Nr. 235 aus dem Jahr 2020 zu „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und Energiebonus in Umsetzung der europäischen Richtlinien (EU) 2018/844, 2009/28/EG, 2010/31/EU und 2012/27/EU”