Gesellschaft | Ausschreibungen

"Absurd, aber legal"

Kritik an der Landesregierung in der Mehrwertsteuer-Causa beim Fahr- und Begleitdienst für Behinderte. Für die bisherigen Anbieter ist der Zug dennoch abgefahren.

Politische Häme nach dem salto-Bericht über das nur vermeintlich günstigere auswärtige Angebot für den Fahr- und Begleitdienst für Behinderte: Von einer „kompetenzfreien Landesregierung“ schreibt Andreas Pöder von der BürgerUnion, von einem „mathematisch unbedarften Geldverprassungsverein“ die Südtiroler Freiheit. Ob Sicherungspakt oder falsche Kostenberechnung beim Begleitdienst – „in immer kürzeren zeitlichen Abständen erreichen die Südtiroler Steuerzahler Meldungen über angeblich unvermeidbare oder unvorhergesehene Geldflüsse durch die Landesregierung an den Staat oder an Unternehmen“, kritisiert die Landtagsfraktion der Südtiroler Freiheit. „Wenn eine Landesregierung einen Dienst ausschreibt, den sie nicht ausschreiben müsste, offenbart das ein geringes Maß an Kompetenz“, meint Andreas Pöder. „Wenn sie allerdings den Zuschlag einer Firma erteilt, die ein Angebot ohne Mehrwertsteuer abgegeben hat, dann ist das Fehlen von Kompetenz erwiesen“.

Ähnlich kritisch sieht die Sache Tony Tschenett vom ASGB. Zuerst die Ausschreibung trotz Gutachten, die bestätigen würden, dass eine solche für soziale Dienste nicht verpflichtend sei, dann die Vergabe an einen auswärtigen Betrieb. „Dass die Landesverwaltung nun aber auch vergessen hat, dem Netto-Angebot die Mehrwertsteuer von zehn Prozent hinzuzuaddieren, ist bedenklich", so der ASGB-Chef. Denn neben dem bedeutenden wirtschaftlichen Schaden für die Lebenshilfe und die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte entstehe nun auch noch ein Schaden für den Steuerzahler. Während von politischer Ebene immer wieder unterstrichen werde, dass gespart werden müsse, könne auf der anderen Seite nicht derart oberflächlich gearbeitet werden. „Wir fordern ganz klar eine sorgsamere Arbeitsweise, um solche Schäden zu vermeiden“, erklärt Tschenett.

Netto-Preis entscheidet

Absehbar ist, dass die Causa in der nun anstehenden Diskussion über das am Dienstag angekündigte neue Vergabegesetz als Lehrbeispiel dienen wird. Am mittlerweile unterschriebenen Vertrag mit dem neuen Anbieter Tundo Srl wird dies aber kaum etwas ändern. „Das Ganze ist absurd, aber durchaus legal bzw. so vorgeschrieben“, meint der Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Behinderte Martin Telser. Denn: „Meines Wissens muss bei europäischen wie auch nationalen Ausschreibungen immer auf Netto-Basis ausgeschrieben werden.“ Eine Version, die von Landesrat Philipp Achammer bestätigt wird. Darüber hinaus wollte der zuständige Landesrat die „technische Angelegenheit“ jedoch nicht kommentieren.  Offen bleibt deshalb vorerst die Frage, ob die öffentliche Hand solche Mehrkosten außerhalb des Preisangebots bei der Bewertung geltend machen kann. 

„Es scheint zwar alles gesetzeskonform gelaufen zu sein“, meint auch der Geschäftsleiter der Lebenshilfe Wolfang Obwexer. Unter dem Strich bleibe dennoch ein Schaden – für die sozialen Verbände wie auch für das gesamte Land. „Widersprüchlich bleibt auch, dass der Gesetzgeber Sozialvereine nicht als normale Wirtschaftssubjekte einstuft und sie von der Mehrwertsteuer befreit“, sagt Obwexer. Auf der anderen Seite würden dieselben Vereine aber in Wettbewerbe geschickt, die rein wirtschaftlicher Natur seien.

"Ein gut funktionierender Dienst wird 1:1 übernommen"

Das Ergebnis zeigt sich in diesen Tagen auch bei der Lebenshilfe. Über das Arbeitsamt hat der neue Anbieter Tundo Srl eine Liste mit allen bisherigen Angestellten des Begleitdienstes erhalten, die nun zwecks Übernahme kontaktiert werden. Ähnliches gilt für den Transportdienst, der laut letztem Stand zusätzlich 30 Prozent des Auftrages als Subunternehmer übernehmen soll. „Das heißt, hier kann ein gut funktionierender Dienst 1:1 übernommen werden“, kritisiert Wolfgang Obwexer. „Wenn die öffentliche Hand nun auch noch mehr für den Dienst zahlen muss als bisher, ergibt das Ganze wirklich keinen Sinn.“

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass solche sinnlosen Aktionen in Zukunft vermieden werden können. Martin Telser setzt dabei auch als Präsident des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit auf eine Neuregelung der Zugangskriterien zu Ausschreibungen. „Dort versucht man nun, genau zu definieren, welche Tätigkeiten gemeinnützig sind und welche kommerziell.“ Rein kommerziell arbeitende Unternehmen hätten in dem Fall auch keinen Zugang mehr zu Ausschreibungen für gemeinnützige Tätigkeiten. Damit wäre ganz nebenbei auch das IVA-Problem wieder vom Tisch.