Wirtschaft | Wohnraum

(K)ein Recht auf Leerstand!

Das Recht auf Leerstand wird gefordert, wenn schon nicht für Investoren aus dem Ausland, dann zumindest für Einheimische.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Salto.bz
  • Wie viele Briefe die neue Landesregierung in ihren ersten Stunden schon erhielt, lässt sich nur schwer abschätzen. Es dürften jedoch viele sein. Sei es, weil es zum Alltagsgeschäft der Politik gehört Briefe von den Bürgern zu bekommen, sei es, weil die letzten Wochen genügend Material geliefert hätten. Doch nur einer schaffte es in die Öffentlichkeit (Dolomiten, 02.02.2024) und wurde wohlwollend wiedergegeben:

    DIE SUPER GIS!

    Denn dieses super Thema wollte sich die Zeitung natürlich nicht entgehen lassen. Das Recht auf Leerstand wird in diesem Brief proklamiert, wenn schon nicht für Investoren aus dem Ausland, dann zumindest für Einheimische.

     

    ...zwei unabhängige Wohnmärkte, einen zum Wohnen und einen zum Investieren

  • Fast wie selbstverständlich wird die Abschaffung des Gesetzes gefordert und die Einführung überhaupt als Frechheit abgetan. Bevor man solche Gesetze ‚genehmigt […] wäre es angemessen, sich vorher Datenmaterial zu beschaffen" fordert das Ehepaar aus Kaltern, immerhin bezahlen sie ja bereits "Wasser, Strom und Heizung" für die Wohnung "die 3-4 mal pro Jahr" genutzt wird.

    Natürlich haben sie das Recht, für ihre Interessen einzutreten und politische Forderungen zu stellen. Mache ich ja hier genauso. Dass dieser Brief es aber so schnell in die Schlagzeilen schafft und mehr als eine halbe Seite bekommt, inkl. nichtssagenden Füllbild für mehr Aufmerksamkeit, hat wohl damit zu tun, dass eine ihrer Annahmen grundlegend falsch ist. „Sie hätten keine Lobby“ beklagen sie und würden daher nicht gehört. Vielmehr scheint es jedoch so, als wäre die Lobby äußerst dankbar darüber, dass sich jemand dieses Themas annimmt und so der Bürger vorgeschoben werden kann, um damit einen breiten Konsens zum Thema in der Bevölkerung behaupten zu können.

     

    Für leerstehende Wohnung gibt es nur Steuererhöhungen und keine Einnahmen

  • „Für die Wohnung gibt es nur Steuererhöhungen und keine Einnahmen“, beklagen sie sich und liefern damit direkt die Antwort auf ihr Problem. Würden sie die Wohnung vermieten, gäbe es Einnahmen und Steuerreduzierungen (und zusätzlichen Wohnraum obendrauf). Doch warum bestehen sie auf ihr Recht auf Leerstand, wenn sie selbst darunter so sehr leiden? Wie sie selbst schreiben, sehen sie sich als Sparer und nutzen die Wohnung (zu Recht) als Anlage und Altersvorsorge für sich und ihren Sohn. Doch scheint dies nur mit einer leerstehenden Wohnung möglich zu sein. Denn Wohnungen dienen nicht mehr hauptsächlich zum Wohnen, sondern auch als Anlage für die breite Masse. Das wird zum Problem, wenn man davon ausgeht, dass diese zwei Funktionen sich widersprechen und nicht vereinbar sind. In ganz Europa wird das Thema des Leerstands und der Wohnraumknappheit immer größer. Es scheint inzwischen zwei unabhängige Wohnmärkte zu geben, einen zum Wohnen und einen zum Investieren. Wenn das so ist, und sich die begrenzte Anzahl von Wohnraum auch noch künstlich in diese zwei Kategorien aufteilt, dürfen wir uns nicht wundern, dass Mietwohnungen knapp und teuer werden. Ein Problem, mit dem Südtirol nicht allein dasteht, denn in vielen Orten der Welt gibt es dieses Phänomen, aber genauso wenig allein scheint Südtirol zu sein, dieses Thema nicht in den Griff zu bekommen. Dass es sich hierbei um ein Thema mit gesellschaftlicher Sprengkraft handelt, ist längst bekannt und darf daher von den Verantwortlichen nicht länger vergessen oder abgetan werden!

  • Ob die SUPER GIS funktioniert oder nicht, gilt es in den nächsten Jahren herauszufinden. Aber zumindest in Vahrn (Neue Südtiroler Tageszeitung vom 02.02.2024) und vermutlich auch in den anderen Gemeinden zeigt sie zumindest erstmals offiziell in Zahlen, wie viele Wohnungen seit „über einem Jahr leer stehen oder Zweitwohnungen“ in der Gemeinde sind. Und es sind „nicht wenige“. Viel mehr als mit der genauen GIS-Regelung wäre die neue Landesregierung gut beraten, sich mit dem Mindset hinter diesem Brief auseinandersetzen. Denn es klingt wie Hohn für alle, die sich gegen Fachkräftemangel und Abwanderung oder für bezahlbares Wohnen einsetzen. Oder für alle, die einfach nur nach einer Wohnung in Südtirol suchen und einfach keine finden.

  • Aktuelle Filmempfehlung zum Thema:

    Stadtentwicklung, Tourismus und Wohnraum:

    Capital B - Wem gehört Berlin? (2023)

    ARTE|Mediathek

    ARTE|youtube

    (Spoiler Alarm: mit Flughafen, Mietpreisen und ausverkaufter Heimat scheint Berlin doch mehr Ähnlichkeiten mit Südtirol zu haben als man anfangs denkt)

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Johannes Engl Sa., 03.02.2024 - 13:47

"immerhin bezahlen sie ja bereits "Wasser, Strom und Heizung" für die Wohnung "die 3-4 mal pro Jahr" genutzt wird."
Kosten fürs Wasser fallen ja nur für die kurze Zeit (Zitat: 3-4x im Jahr) an. Dürfte also unerheblich sein. Wenn das Ehepaar aus Kaltern die Wohnung übers ganze Jahr heizen, ohne dass dort wer wohnt, dann ist denen nicht zu helfen.

Sa., 03.02.2024 - 13:47 Permalink
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Profil für Benutzer Johannes Engl
Johannes Engl Sa., 03.02.2024 - 13:55

Das Problem ist vielfach doch ein anderes. Wenn ich eine Wohnung vermiete: wie bekomme ich die Mieter wieder raus? Wenn sie nicht mehr zahlen? Oder nur teilweise zahlen. Wenn ich die Wohnung selbst benötige.
Diese großen Probleme und Hürden Schrecken Vermieter ab. Wenn Vermieter das 1x mitgemacht haben, dann lassen Sie die Wohnung danach lieber leer.
Was wäre, wenn z.B. das Wohnbauinstitut bei solchen Härtefällen das Risiko durch eine entsprechende Konvention mit den Vermietern übernehmen könnte? Sodass die Mieter bei gerechtfertigter Kündigung oder Auslaufen des Mietvertages eine Wohnung des Instituts beziehen könnten?
Ich denke, dass viel vom Leerstand dann wieder Vermieter würde.

Sa., 03.02.2024 - 13:55 Permalink
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Wolfgang Mair Mo., 05.02.2024 - 10:53

Antwort auf von Johannes Engl

Das wäre natürlich ziemlich einfach: bei Problemen übernimmt die Allgemeinheit das Risiko, ganz nach dem Motto, der Gewinn den Privaten, den Verlust aber der Allgemeinheit. Das Land tut schon gut daran, der Wohnungsnot mit Steuern entgegen zu steuern. Und eine leerstehende Zweitwohnung als Altersvororge zu halten ist sowieso ein Widerspruch: keine Einnahmen, dafür aber Steuern, Polizzen, Instandhaltungskosten usw.

Mo., 05.02.2024 - 10:53 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 05.02.2024 - 15:18

Antwort auf von Wolfgang Mair

" bei Problemen übernimmt die Allgemeinheit das Risiko, ganz nach dem Motto, der Gewinn den Privaten, den Verlust aber der Allgemeinheit." .....dieses Prinzip, Wolfgang, gibt es doch in allen Bereichen der "freien" (?) Wirtschaft - und nicht nur in Südtirol! Die Bauern z. B., aber die Bergbauern speziell, -alles Grund und Immobilienbesitzer - leben zu einem Großteil von unserem Steuergeld! Sie haben alle bei Teuerungen sofort Ausgleichsbezahlungen erhalten; wir Rentner und Pensionistinnen haben nie etwas Ähnlicher erhalten! Solche Beispiele ließen sich beliebig fortsetzten: denken wir nur an das Beispiel Tierser Seilbahn, usw.

Mo., 05.02.2024 - 15:18 Permalink
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Salto User
evikeifl So., 04.02.2024 - 17:22

Hannes Engl, Deine Anregung trifft ins Schwarze. In Deutschland gibt es solche Modelle, sie nennen sich „Soziale Wohnraumvermittlung“ – Vermieter erhalten Mietgarantien, Begleitung des Mietverhältnisses und einen Zuschuss. Dadurch trauen sie sich wieder, zu vermieten, und leerstehende Wohnungen werden dem Wohnungsmarkt zugefügt.
Siehe: https://www.daniel-fuhrhop.de/de/wohnwendeoekonom/wissenschaft/

So., 04.02.2024 - 17:22 Permalink