Gesellschaft | Kreative Mühlbacherinnen

Unsere Gesprächsstoffe – füreinander

In Mühlbach eröffnet eine Frauenwerkstatt. Beim Nähen und Stricken begegnen sich Frauen unterschiedlicher Kulturen. Gemeisam sein, gemeinsam sprechen, gemeinsam machen.
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Foto: Othmar Seehauser

Susanne Rieder ist Mühlbacherin. Sandra Chiari ist Portugiesin. Aufgewachsen ist sie in der Schweiz, deutsch mit dialektalem Einschlag spricht sie flüssig und gut. "Ich rede wie die Leute hier, ziehe mich normal an, ich bin eigentlich keine richtige Ausländerin mehr", lacht Chiari. Seit zehn Jahren wohnt sie mit Mann und Kindern in Mühlbach. Und betreibt gemeinsam mit Susanne Rieder und vier anderen Frauen aus dem Dorf Integration. „Heute, am 3. August, feiern wir die Eröffnung unserer interkulturellen Frauenwerkstatt, wir freuen uns wirklich sehr.“

Mühlbach, am Eingang des Pustertals, ein Dorf wie viele andere in Südtirol. Im Hauptort werden 1.100 Einwohner gezählt, etwa 160 davon kommen aus anderen Ländern. „Bei den Kindern im Kindergarten oder in der Schule, da läuft die Begegnung untereinander wie von selbst. Das Defizit, so haben wir gemerkt, sind die Frauen. Sie sind sehr viel daheim, ja, es gibt wenig Kontaktmöglichkeiten für die ausländischen Mitbürgerinnen“, erzählt Susanne Rieder. Aus Pakistan kommen die Frauen, aus Marokko, viele aus dem ehemaligen Jugoslawien, „wir sind sehr vielfältig in Mühbach“, sagt Rieder stolz, "wir haben sicherlich zehn bis 15 Nationen im Dorf.“

Aktion Gemeinsam
Um weibliche Einsamkeit zu vermeiden und Kontakte herzustellen, wurde in den letzten Monaten fleißig geplant, gesprochen, geweisselt, Möbel gekauft, gebraucht Stoffreste gesammelt, Nähmaschinen übers Radio gesucht, dekoriert und herumerzählt. Dass in Mühlbach bald für Stoff gesorgt wird, für Gesprächsstoff und Nähstoff. Und zwar in dem kleinen, leerstehenden Blumengeschäft im hinteren Eck der Katharina-Lanz-Straße. „Das ist zwar im Zentrum von Mühlbach, aber eine Gasse, die zunehmend vereinsamt“, erzählt Rieder, von Beruf Landschaftsarchitektin. „Deshalb war es uns wichtig, dort etwas Neues entstehen zu lassen, Raum zu schaffen für Begegnungen.“ Mit Hilfe der Gemeindeverwaltung und dem Brixner Trägerverein Punkt, wurde die Idee der Nähwerkstatt realisiert, nach dem Vorbild der Frauennäherei im Haus der Solidarität in Brixen. Drei Mal pro Woche, am Montag abend sowie am Dienstag und Donnerstag jeweils von 8 bis 17 Uhr öffnet das Lädchen die Türen. Um Frauen herein zu bitten, die nähen wollen, stricken möchten und sich dabei annähern. Sandra Chiari kommt der kreative Part zuteil: "Ich entwerfe die Stücke, die die Frauen dann nähen. Es sind Taschen, einfache Sachen, denn das schöne Nähen müssen wir noch perfektionieren", erklärt Chiari, die sich über den neuen Standort zufrieden zeigt. "Im Haus der Solidarität waren wir mit den Frauen zu weit abseits, ein Lokal in Brixen ist nicht finanzierbar, also haben wir den Schritt nach Mühlbach gewagt."

Sich treffen - sich öffnen
Eine fixe Nähgruppe gibt es bereits. Frauen aus Pakistan, die sich schon regelmäßig in Brixen getroffen haben und nun den Bus nach Mühlbach nehmen, um zu nähen und um zu ratschen."Wir möchten natürlich, dass neue Frauen dazu kommen, dass sich die geschlossene Gruppe der Pakistanis etwas öffnet. Da ist zum Beispiel nur eine Frau dabei, die italienisch spricht und für alle anderen übersetzt." Chiari, selbst Verkäuferin in Mühlbach, ist hier ganz klar und überzeugt: Nur wer deutsch oder italienisch spricht und sich auch kleidet, wie die Menschen im Ort, der hat die Chance, integriert zu werden. Die Frauen, die zum Nähen oder Stricken kommen, betreut sie ehrenamtlich, "ich merke einfach, wie gut es ihnen tut, sich zu treffen, da freut man sich dann einfach."

Ein halbes Jahr streckt die Gemeinde Mühlbach nun die Miete für die Nähwerkstatt vor. Langfristig soll es gelingen, dass das Projekt alleine laufen lernt, dass die Frauen auch eine symbolische Entlohnung kriegen „zum Beispiel über Fahrtengutscheine oder Einkaufsgutscheine“, sagt Rieder und fügt hinzu: "Gewinnziel steckt keines dahinter. Die Sachen, die von den Frauen hergestellt werden, können gegen eine freiwillige Spende erworben werden.“

Das Wichtigste aber vorerst: Sich Treffen, sich kennen lernen, neue Sprachen hören, lachen, zusammen sein. Ganz ungezwungen soll eine Annäherung passieren. Eben zwischen einer Nadel, einem Faden, etwas Stoff und viel Begeisterung.

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Profil für Benutzer Maria Theresia Christandl
Maria Theresia… Sa., 03.08.2013 - 13:49

Finde ich auch wunderbar..besonders dass auch die Gemeinde offen ist und die Miete vorstreckt..es ist eben aufgrund der verschiedenen Kultur schwierig, beidseits. Fremdes macht Angst und unsicher..die Männer der Frauen gehen arbeiten und pflegen dort Kontakte während die Frauen den Haushalt erledigen, zum Teil erst abends einkaufen in Begleitung ihres Mannes

Sa., 03.08.2013 - 13:49 Permalink