Politik | Landtag

Wer bestimmt über die Direkte Demokratie?

Hat die Volkspartei aus ihren bisherigen Lehren mit der Direkten Demokratie gelernt? Von zarten politischen Hoffnungen und kleinsten gemeinsamen Nennern.

Direkter demokratisch legitimiert könnte ein Vorschlag eigentlich nicht sein als die Gesetzesinitiative, die am Mittwoch Vormittag im Landtag abgelehnt wurde. 114.000 Menschen hatten dem Gesetzesentwurf der Initiative für mehr Demokratie zur Regelung der Direkten Demokratie in Südtirol bereits 2009 zugestimmt. Damit der Entwurf nun bereits zum vierten Mal im Südtiroler Landtag auf der Tagesordnung stand, wurden in den vergangenen Jahren über Volksbegehren insgesamt 40.000 Unterschriften gesammelt.

Dennoch reichten am Mittwoch Vormittag im Südtiroler Landtag 16 Nein-Stimmen aus, um die Behandlung des Gesetzesentwurfes zu verhindern. Ein Ergebnis, das niemanden mehr überraschte. Denn die Marschroute, die nach der Versenkung des Schuler-Gesetzes durch das Volk vor einem Jahr festgelegt wurde, ist eine andere. Elf Dialogabende zur Direkten Demokratie sollen die Inputs für einen neuen Gesetzesentwurf liefern, der nach Ende des Konsultationsverfahrens am 10. März nun von den Mitgliedern des Gesetzgebungsausschusses erarbeitet werden soll.

Reine Vergeltungsaktion

Es ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Südtiroler Volkspartei und die Oppositionsparteien bzw. die Initiative für mehr Demokratie einigen konnten. Doch damit keineswegs eine vollwertige Alternative zum heute abgelehnten Vorschlag, wie Brigitte Foppa vom Krankenbett aus unterstreicht. Die Grüne Co-Vorsitzende findet es nach wie vor „eine Schande“, dass die Erarbeitung des neuen Gesetzes nicht auf Basis der aus dem Volk kommenden Gesetzesinitiative geschieht. „Wenn die SVP das Gesetz defizitär findet, warum verbessert sie es dann nicht durch Abänderungsanträge?“, fragt die von einer Grippe heimgesuchte Politikerin in einem Brief, den Fraktionskollege Hans Heiss am Mittwoch im Landtag vorlas. „Das war eine reine Vergeltungsaktion“, ließ Foppa fürs Protokoll festhalten. „Die Initiative hatte das Schuler-Gesetz versenkt und das musste vergolten werden. So banal ist Politik, wenn man sie aus der Nähe sieht.“

Dennoch haben nicht nur die Grünen, sondern auch die Initiative für mehr Demokratie nicht mit Kanonen, sondern mit Realpolitik reagiert. Die Initiative nahm nicht nur brav an allen Dialogabenden teil, sie hatte auch die Idee für die Miteinbeziehung der BürgerInnen an die Gesetzgebungskommission herangetragen, wie Magdalena Amhof in einem Interview im vergangenen Oktober unterstrich. Und: Auch die Grünen stimmten dem Procedere zu – sobald klar war, dass „die SVP den Gesetzentwurf der Initiative ablehnen würde“, wie Foppa unterstreicht. Sie übernahm als Mitglied der ersten Gesetzgebungskommission auch gleich die Aufgabe, gemeinsam mit Magdalena  Amhof durchs Land zu touren und die Dialogabende zu organisieren.

Vorsichtige Öffnung

Am kommenden Dienstag endet die Dialogreihe nun mit einem letzten großen Workshop in Bozen. Um sie als vollen Erfolg hinzustellen, fehlt in jedem Fall die kritische Menge. „Die Direkte Demokratie liegt den Menschen offensichtlich nicht so stark am Herzen wie der Durchzugsverkehr im Eisacktal oder die Eröffnung einer neuen Kindergartensektion“, bestätigte Magdalena Amhof am Mittwoch im Landtag die Beobachtung des Freiheitlichen Pius Leitner, der beim Sterzinger Dialogabend gerade einmal zehn Teilnehmer gezählt hatte. Dennoch kann sich die SVP-Politikerin nun nicht nur darauf berufen, mit dem Volk in Dialog getreten zu sein, sondern auch parteiübergreifend gearbeitet zu haben. Und: Wenn der Vorstand der Initiative für mehr Demokratie Erwin Demichiel im Morgengespräch von RAI Südtirol von einer „redlichen und vertrauenswürdigen Magdalena Amhof“, spricht, ist auch zu spüren, dass sich dort, wo es bisher nur verhärtete Fronten gab, eine kleine Öffnung aufgetan hat.

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch zu einem Konsens kommen“, bestätigt Demichiel diese Stimmung. Die nun auslaufende Dialogrunde bezeichnet er zwar als die niederschwelligste Form von Bürgerbeteiligung, die es gibt. Doch auf der anderen Seite hat Amhof als Vorsitzende des zuständigen Gesetzgebungsausschusses bereits klar signalisiert, dass sie die Initiative als Experten auch bei der Erarbeitung des neuen Gesetzesvorschlags miteinbeziehen möchte. "Wenn das auch nicht ich alleine entscheide", wie sie vorsorglich betonte. Und so fraglich es ist, ob sich die Volkspartei beispielsweise auf die Forderung der Initiative einlässt, künftig ein Referendum über Landesgesetze oder Beschlüsse der Landesregierung zuzulassen, so zuversichtlich ist Demichiel, dass man in verfahrensrechtlichen Fragen wie dem Quorum durchaus einen gemeinsamen Nenner finden kann. „Es ist eine Phase, in der sehr viel in Bewegung ist“, gibt er sich zuversichtlich.

"Sollte plötzlich Neues möglich sein?" 

„Es hängt nun alles davon, wie die Arbeit im Gesetzgebungsausschuss weitergeht“, sagt auch Brigitte Foppa. Fünf SVP-ler sitzen dort vier Abgeordneten der Opposition gegenüber. Sollte plötzlich Neues möglich sein – und weiterhin experimentell und parteiübergreifend gearbeitet werden?, fragte sie heute in ihrem Brief an den Landtag. Oder werden die Order weiterhin in der Brennerstraße und auch in anderen Parteizentralen gegeben – und in der Kommission wird nur durchgewinkt? Für Erwin Demichiel gibt es auch in dem Fall bereits eine Alternative. Sofern sich die Initiative nicht mit dem nun entstehenden Gesetzesvorschlag identifizieren kann, soll eine beratende Volksabstimmung über beide Vorschläge abgehalten werden. „Das Ergebnis wird dann vom Landtag mit entsprechenden Änderungen am Gesetz berücksichtigt werden müssen“, sagt er.

Brigitte Foppa jedenfalls will ihre Hoffnung auf einen Kompromiss zwischen den Positionen im Landtag, aber auch mit den Wünschen der Zivilgesellschaft noch nicht aufgeben. „Alles andere wäre ein Missbrauch des Vertrauens, das in uns gesetzt wurde“, meint die Grüne Landtagsabgeordnete und Co-Vorsitzende. „Und das, soviel hätten wir im letzten Jahr wirklich lernen müssen, ist das einzige, was Politik sich definitiv nicht leisten kann.“