Kultur | Interview

Lyrikpreis Meran 2016

Zum 13. Mal findet im Kurhaus der internationale Lyrikpreis Meran statt. Am letzten Tag des lyrischen Ereignisses gibt es Lesungen, Diskussionen und die Preisverleihung.

Das deutschsprachige Gedicht steht im Mittelpunkt der literarischen Veranstaltung Lyrikpreis Meran. Die Ausschreibung richtet sich an den ganzen deutschsprachigen Raum. Christine Vescoli, Mitglied des Organisationsteams sowie Geschäfts- und Programmleiterin von Literatur Lana. Verein der Bücherwürmer, zur diesjährigen Ausgabe.

Frau Vescoli, wie ist das Prozedere bei der Auswahl der Finalist_innen?

Christine Vescoli: Wir haben 2015 insgesamt an die zwei- bis dreihundert Einsendungen bekommen. Jene, die die Bedingungen erfüllten werden an die Vorjury weitergeleitet. Die Vorjury (Ralph Klever, Theresia Prammer und Monika Rinck) haben die 9 Finalist_innen mit 43 anderen Dichter_innen in eine engere Auswahl genommen und von der Jury sind diese dann anonym für das Finale ausgewählt worden. Die Auswahl ist absolut anonym.

In Südtirol ist der Meraner Lyrikpreis mittlerweile eine Institution. Welcher Stellenwert wird ihm im deutschsprachigen Raum außerhalb des Landes beigemessen?

Der Lyrikpreis Meran hat ein ziemlich herausragende Bedeutung gewonnen, sicherlich auch weil er mit einem Preisgeld von 8.000 € für den ersten Platz sehr gut dotiert ist. Wenn jemand den Lyrikpreis Meran im Curriculum vorweisen kann - so bestätigen es uns die Sieger, wie auch letztes Jahr Thomas Kunst – nehmen die Einladungen oder Anfragen deutlich zu.

Lyrik gilt oft als elitär. Als Kunstform genießt sie wenig mediale Aufmerksamkeit und auch die Leserschaft ist im Vergleich zu anderen Literaturgattungen begrenzt.

Lyrik ist ein kleines Segment in der literarischen Produktion. Als elitär würde ich sie nicht bezeichnen. Sie hat mittlerweile durch Poetry-Slams etc. an Popularität gewonnen. Generell räumen die Feuilletons aber der Literatur immer weniger Platz ein und der Lyrik eben noch weniger. Das ist sicherlich auch eine Marktfrage. Kunst hat heutzutage einen Kapitalwert, die Lyrik aber nicht.

Das hat durchaus auch etwas Widerständiges...

Die Lyrik ist am freiesten. Sie ist vielleicht die anarchischste unter den Künsten und behauptet das auch sehr trotzig.

Lyrik bietet auch die Möglichkeit das Fremde, die Andersartigkeit der Sprache zu entdecken.

An den Texten lässt sich sehr gut ablesen, was gerade für Tendenzen, Themen, Erfahrungen und Sprachen aktuell sind und aufgegriffen werden. Es ist sehr interessant, dies anhand der Geschichte des Lyrikpreises zu beobachten. Vor einiger Zeit gab es eine experimentelle Phase. Nun stehen wieder narrativere Formen im Vordergrund. Das Erzählerische hat wieder an Bedeutung gewonnen, während das Spiel mit der Sprache eher in den Hintergrund getreten ist. Würde die Form fehlen, könnte gewisse Gedichte sogar als Prosa durchgehen. Beim Lyrikpreis Meran diskutieren wir diese Entwicklungen über die vorgetragenen Gedichte hinaus. Eine neu besetzte Jury führt vielseitige Diskussionen und regt Auseinandersetzungen an, in denen eine Bestandaufnahme zur aktuellen deutschen Lyrik und ihren Tendenzen gesucht wird. Die zeitgenössische Lyrik ist durchaus politisiert und Raumfragen spielen eine wichtige Rolle. Vieles ist auch an Geopoetisches oder Zoopoetisches gekoppelt, wo erst sehr penibel recherchiert und das Material dann poetisch aufgearbeitet wird.
       


Die Labradorente* 

So gut wie nichts über sie


Bekannt.. obwohl sie Teile des Jahrs


An der nordostamerikanischen Küste verbrachte. Ihr


Vorn flacher Schnabel lief seitlich in weiche Ränder aus


Mit denen sie unter Wasser vermutlich Beute ertastete: Muscheln

Schalentiere, Mollusken.. im Unterkiefer Lamellen um beim Wühlen


Den Sand auszusieben. Fischer zogen sie immer wieder am Haken ertrunken

An Bord. Auf den Märkten Baltimores, New Yorks war ihr Fleisch unbeliebt

Habe fischig geschmeckt, verdarb oft ungekauft. niemand weiß warum sie

Ausstarb – die letzte Labradorente wurde am 12. Dezember 1878


In Elmira, New York von einem Jäger erschossen

 

* von Mikael Vogel


 

Konstantin Ames (Quelle: Lyrikpreis Meran)

Gewinner des Lyrikpreises Meran 2016 ist Konstantin Ames  (* 1979 Völligen), Schriftsteller und Mitherausgeber der eZine Karawa. Die Jury begründete ihre Wahl wie folgt:

 „Zwischen Echternach, Sils Maria und Venedig, zwischen Wolf Biermann, Novalis und Rilke bewegen sich die Gedichte von Konstantin Ames. Nie aber werden sie heimisch in der Formensprache von Pathos und Betulichkeit. Was Konstantin Ames macht, ist ein poetischer Zugriff auf die Welt, der ihre sinnlichen Qualitäten nicht unterschlagen will, der das Unmittelbare der Rede laut werden lässt, der poltert und sanft sein kann, dort wo es wichtig ist. Es sind poetologische Gedichte und auch Gedichte über eine Heimat namens Deutschland. Konstantin Ames schreibt Elegien, die nicht elegisch sind, und die Triebkraft seiner Trauer ist der Witz.“