Chronik | Justiz

„Nicht eindeutig zuordenbar“

Im Verfahren um die Benutzungsgenehmigung des Bozner Gastlokales „Italia & Amore“ hat die Verteidigung von Werner Frick jetzt einen wichtigen Punktsieg eingefahren.
italia & amore
Foto: Facebook
  • Seit diesen Donnerstag dürfte die Welt für Werner Frick wieder bedeutend besser ausschauen.
    Der ehemalige SVP-Politiker und langjährige Landesrat hat vor Gericht einen wichtigen Sieg eingefahren.
    Es geht um seine Schrift. Genauer gesagt um eine handschriftliche Notiz auf einem öffentlichen Dokument der Gemeinde Bozen. Diese Anmerkung war bisher ein zentrales Indiz, das die Bozner Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen Frick und den Bozner Chefurbanist Paolo Bellenzier vor Gericht vorgelegt hat.
    In der Verhandlung am Donnerstag wurde am Bozner Landesgericht dieses Beweiselement aber deutlich entschärft. Ein vom Gericht ernannte graphologische Gutachterin kommt zum Schluss, dass die Handschrift „nicht eindeutig Werner Frick zuordenbar ist“.
    Damit aber tun sich im Anklagegebäude gegen den langjährigen SVP-Politiker arge Risse auf.

  • Der Schattenassessor

    Werner Frick sitzt von 1988 bis 2008, 20 Jahre lang, für die SVP im Landtag und in der Landesregierung. Als Wirtschaftslandesrat gestaltet er die Südtiroler Handelspolitik maßgeblich.
    Im Sommer 2016 wird er völlig überraschend zum Büroleiter des damaligen SVP-Vize-Bürgermeisters Christoph Baur ernannt und damit zum Angestellten der Gemeinde Bozen. Erst Anfang 2022 verlässt Frick die Gemeinde wieder.

  • Werner Frick: Problemlöser für zwei Bozner SVP-Vizebürgermeister.
  • Bereits unter Christoph Baur sagte man, dass der eigentliche Bauassessor Werner Frick heißt. Daran hat sich auch unter Baurs Nachfolger Luis Walcher nichts geändert, der den ehemaligen Landesrat als persönlichen Sekretär und Büroleiter von Baur übernommen hat.
    Frick operiert als Schattenassessor, der innerhalb der Verwaltung sehr oft den Ton angibt. Bei mehreren großen Projekten wurde der Büroleiter bereits mit Erfolg als diskreter Problemlöser eingesetzt, um zwischen Land und Gemeinde eine für die Bauherren vorteilhafte Lösung durchzusetzen.
    Wie weit das geht, zeigt die Affäre, die jetzt vor Gericht aufgearbeitet wird.

  • Probleme am Dach

    Es war SALTO, das im September 2021 diese Affäre erstmal an die Öffentlichkeit brachte.
    Im Zentrum der Ermittlung steht das Bozner Restaurant „Italia & Amore“ und dessen Bauakte. 2016 wird das Haus in der Bozner Silbergasse von der Besitzerfamilie Ammon an den Bozner Gastronomen Helmut Geier verkauft. Geier verpachtet das Lokal an den Terlaner Norbert Kier, der das Lokal mit seinem Verkaufskonzept „Italia & amore“ zu einem angesehenen Restaurant macht. Auf fünf Etagen – zwei unter der Erde – soll ein Gasthaus und ein Laden für italienische Edelprodukte entstehen.
    Zwischen März und Oktober 2017 wird das gesamte Haus umgebaut. Es muss schnell gehen, denn der Unternehmer will unbedingt noch vor dem goldenen Esel „Weihnachtsmarkt“ eröffnen. Das gelingt schließlich auch. Wie sich jetzt herausstellt, geht man dabei aber nicht ganz nach dem Lehrbuch der ordentlichen Verwaltung vor.

  • Politische Weisung

    Das zweistöckige Haus wird intern völlig neugestaltet. Die Vorgänger hatten auf der Dachterrasse einige Tische aufgestellt. Auch im neuen Projekt sollte diese Dachterrasse bleiben.
    Als die zuständigen Techniker der Gemeinde aber zur Bauabnahme schreiten, finden sie auf der Dachterrasse nicht nur die im Projekt vorgesehenen Tische. Sondern auf dem Großteil der Terrasse wurden auch alle technischen Gerätschaften zur Be- und Ablüftung der Küche, zur Klimaanlage und die Elektronik installiert. Laut Baubestimmungen müssen diese Installationen im Projekt eingezeichnet und von der Gemeinde genehmigt werden. Davon aber war im genehmigten Projekt keine Spur.

     

  • Streitobjekt technischen Anlagen auf der Dachterrasse: Benutzungsgenehmigung ohne Sanierung? Foto: Foto gadilu
  • Folglich stellt der zuständige Geometer ein negatives Gutachten aus. Die Abänderung müsse – so wie vom Gesetz vorgesehen – per Variante-Projekt genehmigt werden. Zuvor könne die Gemeinde keine Benutzungsgenehmigung erteilen. Das heißt: Damit kann das Restaurant nicht wie geplant aufsperren.
    Dann laufen auf politischer Ebene aber die Drähte heiß. Jemand streicht das Gutachten des zuständigen Geometers durch und schreibt handschriftlich dazu, dass die Benutzungsgenehmigung für das Restaurant zu erteilen sei.
    Doch der zuständige Gemeindegeometer weigert sich, das Dokument – das seiner Meinung nach so nicht rechtens ist – zu unterschreiben. Am Ende setzt Abteilungsleiter Paolo Bellenzier seine Unterschrift auf die Benutzungsgenehmigung.

  • Die Bausünden

    Dabei ist der eindeutige Verstoß gegen die Baubestimmungen dokumentiert.
    Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass die Verwaltung eine vorläufige Teilnutzungsgenehmigung erteilt. Das setzt aber voraus, dass diese Entscheidung von der Verwaltung rechtlich und urbanistisch begründet wird. Vor allem aber muss der Bauherr dazu ein Variante-Projekt einreichen, das dann von der Baukommission und den zuständigen Ämtern genehmigt wird.
    Doch all das wurde im Fall „Italia & Amore“ einfach unterlassen. Denn man hat einen Trick angewandt. Die Gemeinde erteilte auch hier offiziell nur eine Teilnutzungsgenehmigung. Das heißt, die Bewohnbarkeit gilt für das gesamte Haus, also für alle drei Restaurantetagen. Aber die Terrasse hat man einfach ausgespart.
    Es ist urbanistisch und verwaltungstechnisch eine völlige Absurdität. Denn damit lasse ich jemanden in ein Haus einziehen, dessen Dach illegal erichtet wurde. Zudem konnte das Restaurant aus Platzgründen nur so errichtet werden. Ohne die technischen Zubauten am Dach wäre die Raumplanung deutlich anders ausgefallen.
    Erst nachdem die Staatsanwaltschaft die Bauakten beschlagnahmt hatte, wird 2021 ein Sanierungsprojekt eingereicht.

  • Die Ermittlung

    Von einem Insider auf die Machenschaften aufmerksam gemacht, beginnt die Bozner Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Von Anfang an führen Staatsanwalt Andrea Sacchetti und die Staatsanwältin Francesca Iovene gemeinsam die Ermittlungen.
    Im Sommer 2021 werden Beamte der Bozner Gerichtspolizei im Büro von Werner Frick vorstellig. Sie beschlagnahmen Dokumente, handschriftliche Aufzeichnungen und Fricks Handy.

  • Chefurbanist Paolo Bellenzier (mit dem damaligen Urbanistikassessor Luis Walcher):: Setzt seine Unterschrift auf die Benutzungsgenehmigung. Foto: Gemeinde Bozen
  • Zu diesem Zeitpunkt ist neben Werner Frick, auch der Abteilungsleiter für Urbanistik in der Gemeinde Bozen Paolo Bellenzier in das Ermittlungsregister eingetragen. Die Vorwürfe lauten Amtsmissbrauch (Induzione indebita a dare o promettere utilità - Art. 319/quarter) und Falscherklärung (Falsità ideologica commessa dal pubblico ufficiale in atti pubblici - Art.479).

  • Wessen Handschrift?

    Im Zentrum steht dabei die handschriftlich korrigierte Benutzungsgenehmigung. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Handschrift auf der durchgestrichenen Verweigerung der Benutzungsgenehmigung jene von Werner Frick ist.
    Ein graphologisches Gutachten der Staatsanwaltschaft durchgeführt von Miriam Deflorian bestätigt diese Annahme. Doch Fricks Verteidiger Francesco Coran hat bereits in der Vorermittlungsphase ein eigenes graphologisches Gutachten erstellen lassen. Die Sachverständige Christina Sartori kommt dabei zu einem anderen Schluss: Die per Handschrift angebrachten Worte seien zu kurz, um eine eindeutige graphologische Zuordnung zu machen.

  • Landesgericht Bozen: Gerichtsgutachten entlastet Werner Frick Foto: Seehauserfoto
  • Als der Fall im Mai 2023 vor Vorverhandlungsrichter Ivan Perathoner verhandelt wird, entscheidet der Richter einen gerichtlichen Gutachter zu ernennen, der die Frage der Handschrift klären soll. Ernannt wird Simona Tosi
    Tosi hat jetzt in der Vorverhandlung am Donnerstag ihr Gutachten vorgestellt. Die Sachverständige des Gerichts kommt dabei zum Schluss, dass die Handschrift auf dem Dokument nicht eindeutig Werner Frick zuordenbar ist.
    Wenn herauskommt, dass die Handschrift nicht von Frick ist“, sagte Frick-Anwalt Francesco Coran bereits vor 10 Monaten zu SALTO „so wird selbst die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragen müssen“.
    Ob dem so ist, wird sich am 30. Mai zeigen. Dann geht die Vorverhandlung weiter.
    Sicher aber ist: Werner Frick hat mehr als nur einen Punktesieg vor Gericht eingefahren.