Gesellschaft | Strafauszug

Margareth Helfer: "Der Strafauszug ist ein Schritt in Richtung Prävention"

Margareth Helfer ist Professorin für italienisches Strafrecht an der Universität Innsbruck. Dass ein Strafauszug für so viel Aufregung sorgt, kann die gebürtige Südtirolerin nur teilweise nachvollziehen.

Frau Helfer, was sagen Sie dazu, dass es ab Sonntag (6. April), einen verpflichtenden Strafauszug für alle Mitarbeiter braucht, die mit Minderjährigen arbeiten?
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich die Empörung, den Aufschrei, der seit Donnerstag (3. April) durch die Medien ging, nur teilweise nachvollziehen kann. Das ist ein verbesserter Kinder- und Jugendschutz im Bereich des sexuellen Missbrauchs, den der italienische Gesetzgeber garantiert. Eigentlich ein wichtiger und richtiger Schritt.

Alle denken nur an den Mehraufwand, nicht an den Inhalt?
So ist es, und das bemängle ich. Italien hat mit diesem Gesetz eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2011 umgesetzt. Es stimmt: Der Mehraufwand für die Arbeitgeber ist da, aber hier muss man differenzieren.

Nämlich?
Erstens ist der Kreis der Arbeitgeber, die es betrifft, eingeschränkt. In erster Linie betrifft es Schulen und Kindergärten. Und ich denke, dass ein Direktor doch Interesse daran hat, Lehrpersonen, KindergärtnerInnen einzustellen, die keine rechtskräftige Verurteilung im Bereich des sexuellen Mißbrauchs aufweisen.

In erster Linie betrifft es Schulen und Kindergärten. Und ich denke, dass ein Direktor doch Interesse daran hat, Lehrpersonen, KindergärtnerInnen einzustellen, die keine rechtskräftige Verurteilung im Bereich des sexuellen Mißbrauchs aufweisen.

Differenzieren weil es nicht alle betrifft, Ehrenamtliche wurden von der Regelung ja schon ausgenommen und was kommt noch zu kurz in den Medien?
Der Strafauszug muss nur bei Neueinstellungen verlangt werden. Rückwirkend kann kein Mitarbeiter aufgefordert werden, dieses Dokument vorzuweisen. Einen Strafauszug den Bewerbungsunterlagen beizulegen, ist durchaus machbar, finde ich.

Rückwirkend kann kein Mitarbeiter aufgefordert werden, dieses Dokument vorzuweisen.

Wirtschaftstreibende im Land beklagen einen bürokratischen Mehraufwand. Befürchten, dass weniger Lehrlinge eingestellt werden.
Natürlich ist es ein Mehraufwand für Unternehmen, die in den letzten Jahren mit immer mehr Auflagen zu kämpfen hatten. Wie etwa im Bereich der Arbeitssicherheit oder im Bereich des Umweltschutzes. Ein Kleinbetrieb kann da schnell überfordert sein. Aber vergessen wir nicht, dieser Strafauszug ist ein kleiner Schritt in Richtung Prävention im Bereich Kindesmissbrauch. Und dieser Schritt sollte es uns wert sein.

Der Arbeitgeber kann mit Verwaltungsstrafen von 10.000 bis 15.000 Euro rechnen, wenn Mitarbeiter keinen Strafauszug nachweisen. Auch das erhitzt die Gemüter.
Ja, hier ist der italienische Staat wohl etwas zu weit gegangen. Die angedrohten Geldstrafen sind unverhältnismäßig hoch. Wie das Gesetz konkret angewandt wird, wird auf jeden Fall noch zu sehen sein.

Trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung?
Ja, das würde ich so sehen. Und ich fände es wünschenswert wenn sich die Diskussion in diese Richtung entwickeln könnte.

 

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gorgias Mo., 07.04.2014 - 20:02

Dort müssen Sexualstraftäter bei der Einstellung und bei jedem Wohnsitzwechsel in der Nachbarschaft mitteilen in diesem Bereich vorbestraft zu sein.
Nebenbei kann der Staat den Arbeitgeber mitteilen wenn ein Arbeitgeber wegen einer Sexualstraftat vorbestraft ist über die Anmeldung des Arbeitsverhältnisses. Das ist praktisch kaum ein Aufwand, wenn man für gewerbetreibende verpflichtend eine PEC-Mail-Adresse vorschreibt.
So brauchen sich Arbeitgeber und Arbeitgeber nicht mehr darum kümmern. Außerdem wir so nicht unnötig die Privacy aufgehoben. Schließlich gibt es auch Strafbestände, die für ein Arbeitsverhältnis mit Schutzbefohlenen irrelevant sind und diese gehen dann den Arbeitnehmer auch nichts an, weil sie für die Ausführung der Arbeit auch nicht relevant sind.

Mo., 07.04.2014 - 20:02 Permalink
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Christoph Moar Mo., 07.04.2014 - 22:27

Dem kann ich absolut zustimmen.
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Eine zweite Frage, die ich aber stellen möchte: Grillo (und - sehr - viele mit ihm) wollen keine Vorbestraften in der Politik. Dagegen habe ich keinen Aufschrei gehört. Warum dann so ein Problem, wenn man bei der Gründung eines Beschäftigungsverhältnisses in einem besonders zu schützenden Bereich einen Strafauszug vorgelegt haben möchte? Verstehe ich nicht.
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Ich habe schon zweimal einen Strafregisterauszug vorlegen müssen: für einen Studentenjob (!) als harmloser Nachtwächter und für aktuelle Tätigkeiten als Gerichtsgutachter. Hat beidesmal kein bisschen weh getan, und war auch in ein paar Minuten erledigt. Ist dieser ganze Aufschrei nicht eher wegen der - missverstandenen oder ursprünglich fehlgeleiteten - Sorge, dies würde auch das Ehrenamt treffen?

Mo., 07.04.2014 - 22:27 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Di., 08.04.2014 - 09:34

@ Mateo
Grillo selbst hat aber noch nie kandidiert, man müsste darüberhinaus auch überlegen welche Straftaten im Sinne einer Unvereinbarkeit mit politischen Sitzen relevant sein sollten. Halltest du es für sinnvoll auch fahrlässige Delikte wie im Fall von Grillo dazu zu zählen? Ich habe da meine Zweifel.
@ Oliver
Trasparenz wäre in erster Linie von nutzen wenn es auch Vorzugsstimmen geben würde, die es auch beim neue Wahlgesetz nicht gibt, fast alle Parteien in Italien hüten sich deswegen für diese zu sein, wo sollen dann die ganzen Politik-Gauner hin?

Di., 08.04.2014 - 09:34 Permalink
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Christoph Moar Di., 08.04.2014 - 10:24

@Oliver
"Das ist ein Unterschied: Du hast (davon gehe ich jetzt mal aus) für ein Privatunternehmen gearbeitet."
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Völlig korrekt. Ich wollte aber damit nur aufzeigen, dass es "kein Akt" war diesen Wisch zu besorgen. Und wenn ein privates Wachunternehmen damit "zeigen will" dass es "saubere Mitarbeiter" hat, dann kann ich mir auch vorstellen, dass eine Schule "prüfen will" dass sie "unbescholtene Lehrkräfte" hat. Ohne bitte damit jetzt die Lehrer zu diskreditieren, mir wäre so eine Maßnahme tatsächlich nicht eingefallen - ich kann bloss den Aufschrei nicht verstehen.
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"Außerdem beträfe dies sehr wenige Menschen, während Millionen Italiener mit Kindern arbeiten."
Ja, vielleicht war ich unklar. Ich beziehe mich wirklich "nur" auf das, was oben im Artikel stand: also zum Beispiel bei der Einstellung von Lehrpersonal. Dass das für sämtliche Freiwilligeorganisationen gelten soll, die irgendwie mit Jugendlichen arbeiten ist total Banane, das habe ich weiter unten in meiner Antwort an Mateo noch präzisiert. Bei einigen Berufsgruppen in sensiblen Gebieten würde ich möglicherweise Verständnis haben. Warum soll ein Wachmann ein Führungszeugnis bei der Einstellung vorweisen, eine Lehrperson nicht. Aber ich gebe zu, es wird knifflig in dem Moment wo man dann definieren müsste welche Straftaten "erlaubt" wären und welche nicht. Das wäre eine äußerst schwer zu beantwortende Frage. Beim Wachmann ist es vermutlich einfacher - da sagt man einfach "gar nichts ist erlaubt"...

Di., 08.04.2014 - 10:24 Permalink
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Oskar Egger Di., 08.04.2014 - 22:16

Ein Strafauszug kann, in aktenkundigen Fällen natürlich nützen. So viel ich verstanden habe, ist er allerdings für ehrenamtliche Helfer und kirchliche Vereine nicht notwendig...Wie Menschärgeredichnicht richtig sagt, hat eine Gesellschaft die Pflicht, angemessen zu reagieren und da ist man noch im tiefsten Mittelalter. Berliner Experten (übrigens eine der ersten Schulen, die sich anscheinend mit dem Thema wissenschaftlich befasst) meint dazu, Pädophilie ensteht in der Pubertät, sozusagen als Film im Kopf, der nie mehr gelöscht werden kann, aber mit dem man umzugehen lernen kann, wenn man die Mittel dazu hat. Eine mailänder Schule sagt, sexuelle Übergriffe enstehen aus einem Machtspiel und "passieren" so dem "perfetto chiunque", wenn er in einer dementsprechenden Lage ist. Wie man was auch erklären will, die Folgen sind fatal, denn die Opfer leiden oft zeitlebens u.a. an einer Mischung aus Wut und Scham, besonders weil die Sexualität so ein fragiler Persönlichkeitsaspekt ist. Da anscheinend der Strafauszug nur für Erstanstellungen gilt und in der Folge durch Eigenerklärungen ersetzt werden kann, ist der Aufruhr hinfällig und gehört, meiner Ansicht nach, ausgedehnt (s.o.!)

Di., 08.04.2014 - 22:16 Permalink