Assemblea dei verdi
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Chronik | Aus dem Blog von: Benno Kusstatscher

Italien am Reißbrett

Der Verfassungsgerichtshof wies letzte Woche Montis Dekret zur Zusammenlegung einiger, historisch gewachsener Provinzen zurück. Erleichtert? Zu früh gefreut!

Italien muss sparen. Salva Italia. Da wird zentral in Rom beschlossen, einfach ein paar Provinzen aufzulösen, bzw. Provinzen zu verheiraten. Das richtige Verb hängt wohl davon ab, ob die zusammengeschlossen Provinzen sich auf Augenhöhe oder in einem hierarchischen Gefälle begegnen. Wer nicht durch eine Autonomie geschützt ist, ist im Visier. Auch links und rechts von uns: Sondrio mit Bergamo, Brescia mit Mantua, Verona mit Vicenza, Belluno mit Treviso. Die betroffene Bevölkerung bleibt ungefragt. Rom entscheidet zentral. Aber immerhin: wir leben in einer verfassungsrechtlich geschützten Demokratie. Acht Regionen haben beim Verfassungsgericht Rekurs eingereicht und Recht bekommen. Die einen freuen sich, die anderen fühlen sich bestätigt, dass Italien mehr von Gerichten denn von Politikern regiert würde. Aber jetzt soll es noch dicker kommen. Nicht per Dekret sondern per ordentlichem Gesetz.

Rette sich, wer nicht durch eine international verankerte Autonomie geschützt ist. Südtirol grinst. Sondrio, Belluno strampeln. Auch Trentinos Autonomie hat keine internationale Verankerung. Südtirol grinst, als hätten wir mit Alcide noch eine Rechnung offen.

Wären wir in Italien angekommen, würde ich mich ernsthaft fragen, was denn dies für ein zentral-gesteuerter, auf Föderalismus-pfeifender Staat ist. Südtirol hätte mitgeklagt, aus Solidarität und aus föderaler Weitsicht, so wie Friuli Venezia Giulia. Unser politisches Südtirol lehnt sich zurück, glaubt an die Unantastbarkeit der Autonomie, ist unseren Nachbarn weder Freund noch Feind und begnügt sich, vor der eigenen Türe zu kehren. Nicht mitzugestalten, nicht mitzukämpfen heißt für mich, dass wir nicht angekommen sind.  

Was noch schlimmer wiegt, es ist verdammt schwer, sich ein Bild zu machen. Unsere Lokalmedien interessieren sich nicht, informieren mich nicht. Der Weinberg freut sich schon auf die „autonome Region Südtirol“. Salto verausgabt sich mit Homöopathie und ich finde keinen Artikel, mit dem ich meinen Beitrag hier verlinken könnte. So wenig interessiert es uns scheinbar. Aber, Europa wollen wir mitgestalten. So modern sind wir.

 

 

 

 

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Benno Kusstatscher Mo., 08.07.2013 - 18:10

Wäre auch interessant, die Kosten der römischen Verwaltung mit der berner zu vergleichen. Ich habe keine Ahnung.

Mo., 08.07.2013 - 18:10 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 08.07.2013 - 18:17

Wenn ich das richtig verstehe, dann freuen sich Bürgerunion und Freiheitliche, dass wir dank der Provinzenabschaffung endlich "Los von Trient" kommen? Man muss schon ein gstandener Tiroler mit beträchtlicher Geschichtskenntnis sein, um zu behaupten, dass eine Gemeinsamkeit mit Trient keine "Existenzberechtigung" hätte. Bravo ihr Visionäre, treibt uns nur weiter in die totale Isolation :-(

Mo., 08.07.2013 - 18:17 Permalink
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Maximilian Ben… Sa., 13.07.2013 - 16:22

predigte schon Ende der sechziger Jahren, dass Südtirol die föderalistischen Bemühungen in Norditalien in der Zeit der Staatsgründung lernen und respektieren sollte. Dass es durchaus noble Tendenzen in der Lombardei und in Friaul gab, die eben nicht ethnisch untermauert waren. Wenn wir uns mit Tibet und Palästina solidarisch fühlen, dann sollten wir das auch mit den schwachen und weltoffenen Föderalisten Italiens sein.

Sa., 13.07.2013 - 16:22 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 15.07.2013 - 10:49

Antwort auf von Maximilian Ben…

Max, ich kann unmöglich beurteilen, wie sich das in den 60ern angefühlt hatte. Damals hatten die Menschen hier Existenzängste, und im Bombenrauch war ein klarer Durchblick war nur den wenigstens möglich. Nichtsdestotrotz ist Claus Gatterer mit Sicherheit eine Persönlichkeit, dessen Gedanken auszufrischen, sich heute lohnt.
Mit Tibet und Palästina mögen wir solidarisch sein. Im Falle der italienischen Föderalisten geht es aber um die Mitgestaltung unserer unmittelbarsten, eigenen Zukunft. Ein frischer Blick tut not.

Mo., 15.07.2013 - 10:49 Permalink