Politik | Landtagswahlen 2013

salto-Wahlkampfanalyse Teil 3: Kompatschers Dilemma

Landtagswahlen 2013: Die Meinungsforscher Hermann Atz (apollis) und Gernot Gruber (Gruber & Partner) analysieren auf salto.bz die Schauplätze dieses Wahlkampfs. Heute: Das Dilemma des Arno Kompatscher.

salto.bz: Ein immer wieder kehrender Vorwurf gegenüber der SVP lautet: Sie entscheidet alles allein und hinter verschlossenen Türen und lässt andere politische Kräfte im Land nicht an der Macht teilhaben. Nun versprich ihr Spitzenkandidat Erneuerung, Partizipation und Teamwork. Schafft es Arno Kompatscher, diesen neuen politischen Stil glaubhaft zu machen? 

Gernot Gruber: Ein großes Hindernis, das Arno Kompatscher dabei im Weg steht, ist, dass sich der Wahlkampf so auf den Spitzenkandidaten zuspitzt, also, dass keiner das Team sieht, von dem er redet.

Hermann Atz: Aber dieses Team hat er auch nicht vorgestellt...

Gernot Gruber: ...das kann er auch nicht, und das ist genau der Haken an der Sache... 

Hermann Atz: ...dass er sagen müsste, ich bin ein Teamspieler und das ist meine neue Mannschaft. Doch die Mannschaft kann er nicht präsentieren. 

Gernot Gruber: Wenn man sich gewisse mediale Zuspitzungen wie den ff-Titel „Arno total“ ansieht, ist der einzige Unterschied zu „Luis total“, dass er jünger ist und einen anderen Namen hat. Aus diesem Dilemma wird er nur schwer herauskommen. Denn um die Erneuerung und den Teamworker glaubhaft zu machen, müsste er sagen, ich stelle eine komplett neue Regierungsmannschaft mit A, B und C zusammen und werde alle Altgedienten außen vor lassen. Doch das kann er sich vermutlich parteiintern nicht leisten. So schwebt nun  ein großes Fragenzeichen über Kompatscher. Das heißt, die Wähler fragen sich: Mit wem will denn der regieren? Unsicherheit führt längerfristig immer zu Unzufriedenheit. 

salto.bz: Kompatscher muss also die alte SVP genauso bei Laune halten wie er die veränderungswilligen Kräfte unterstützen muss. Welche wahltechnischen Komponenten können ihm dabei zum Erfolg verhelfen?

Hermann Atz: Mir fallen zwei mögliche Inszenierungen ein. Die eine ist, dass Durnwalder sagt, das ist mein Mann, der wird meinen Weg weiterführen, doch das ist nicht passiert. Die andere Rolle wäre der Königsmörder à la Renzi. Also: Weg mit allem Alten, jetzt komme ich. Doch er spielt keine dieser Rollen. 

Gernot Gruber: Er fährt eher eine dritte Variante: Wir haben uns jetzt alle lieb. Dazu gab es ja sogar das passende Facebook-Foto, auf dem man sich eng umschlungen im Abendrot hält (Anm. d. R. Arno Kompatscher und Richard Theiner). Doch hier stellt sich eben auch die Frage, wie glaubwürdig dieser Kurs ist und wie lange er durchgehalten werden kann. Denn wir wählen nach einem Vorzugsstimmensystem und da geht es schlichtweg darum, wer am Ende des Tages am meisten Stimmen hat. Deswegen kann die Harmonie nicht ewig halten. Oder falls sie tatsächlich als Strategie durchgezogen wird, wird es langweilig. Dann ist die Spannung draußen aus dem Wahlkampf, denn keiner wählt die alle, weil sie so schön kuscheln. 

salto.bz: Doch zu viel Streit wird in Südtirol als negativ empfunden. Das zerrüttete Bild, das die SVP im Wahlkampf 2008 abgegeben hat, hat zum Erfolg der Freiheitlichen beigetragen. Aus dieser Sicht liegt Kompatscher mit seinem Harmoniekurs wohl nicht ganz daneben. 

Gernot Gruber: Die Frage lautet nur: „Wie lange ist dieser Kurs praktikabel. Im Wirtschaftsflügel haben die Streitereien bereits vor einigen Wochen begonnen, zwischen Thomas Widmann und Dieter Steger, und es werden innerhalb der Liste noch einige solcher Privatkriege folgen. Denn die heiße Phase steht erst bevor und die Nervosität wird steigen.

Hermann Atz: Die SVP gewinnt, wenn sie an ihren politischen Rändern etwas holt, denn ein großer Teil der Stammwähler ist ihr ja relativ sicher. Die Frage, die sich mir stellt: Ist Arno Kompatscher dazu in der Lage? Zum Beispiel die Stimmen aus dem italienischen Lager zu holen, wo Durnwalder punkten konnte? Ich würde den Anteil nicht überbewerten, doch sagen wir einmal, ein SVP-Mandat kam zuletzt von der italienischen Wählerschicht. Auch die klassischen Rechts-Außen-Kandidaten haben bei zusätzlichen Stimmen eine wichtige Rolle gespielt. Figuren wie Roland Atz oder Christian Egartner, die da am rechten Rand gefischt haben, holten Erfolge ein. 

Gernot Gruber: Der Erfolg der SVP war im Grunde immer ein Patchwork-Erfolg. Mit einer starken Leaderfigur wie Durnwalder,  dem Flaggschiff, und dahinter ein Segel als Flickwerk unterschiedlichster ideologischer Couleur, in dem aber ganz viel Wind hängen geblieben ist. 

salto.bz. Eines war bei Durnwalder immer klar: die parteiinterne Hackordnung. Die muss sich nun unter Kompatscher neu definieren. Wie stabil schätzen Sie das interne Gleichgewicht innerhalb der SVP ein? 

Gernot Gruber: Eine Frage ist, inwiefern Kompatscher unter den SVP-Funktionären ein solides Standing hat. Im Moment ist er zwar der Hoffnungsträger, aber seine parteiinterne Karriere war so kurz und so steil, dass er einfach nicht die nötige Zeit hatte, sich innerhalb der einzelnen Funktionärsebenen ein Netzwerk aufzubauen. Stattdessen hat er sozusagen ein delegiertes Netzwerk, das heißt, er hat seine Unterstützer, über die er dann mit dem Netzwerk verbunden ist. 

salto.bz: Doch er braucht sein persönliches Netzwerk? 

Gernot Gruber: Solch persönliche Beziehungen sind in einer Partei schon essentiell. Doch in der heißen Wahlkampfphase muss sich Kompatscher  auf die Wähler konzentrieren und dann muss er ganz stark die Medien bedienen, das heißt, da sehe ich ein wenig die Gefahr, dass er nicht so eine gute parteiinterne Verankerung hat. Die hat er, solange er der Hoffnungsträger ist. Aber sobald er diese Rolle verliert, kann das schnell bröckeln. Eine gewisse Skepsis hat man selbst in den vergangenen Wochen im Umfeld der Parteifunktionäre herausgehört. Da gab es einige Dinge, mit denen er sich seinen Nimbus des neuen politischen Stils schon ein bissl verspielt hat, beispielsweise die Ernennung der letzten drei Kandidatinnen, die alles andere als basisdemokratisch ernannt wurden. Und klar ist: Skeptische Funktionäre innerhalb der eigenen Partei sind gefährlich.