Chronik | SEL-Skandal

Neue Ermittlungen

Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen das Land aufgenommen, weil man nach dem Schwindel bei der Neuvergabe der Konzessionen nichts tut. Zudem könnte schon bald eine zweite brisante Ermittlung dazukommen.

Guido Rispoli hält sich bedeckt. „Wir haben Vorermittlungen aufgenommen, mehr kann und will ich nicht sagen“, meint der Oberstaatsanwalt. Nach Informationen von salto.bz wurde ein Faszikel „ncr“ eröffnet. Es ist eine Vorermittlung bei der die Straftat noch nicht genau definiert ist. Deshalb ist auch noch niemand in das Ermittlungsregister eingetragen.

Streitpunkt SEL-Projekte

Ausgangspunkt ist der Schwindel der „SEL AG“ bei der Vergabe von zehn Großwasserkonzessionen. Mit Urteil 138/2013 vom 28. Februar 2013 wurden Michl Laimer und Maximilian Rainer für den Austausch der Unterlagen beim Vergabeverfahren verurteilt. Das rechtskräftige Urteil bringt – darüber sind sich alle Juristen einig – auch die Notwendigkeit mit sich das Vergabeverfahren zu annullieren und zu wiederholen.
Die alte Landesregierung hat aber eine Entscheidung getroffen, die mehr als diskutabel ist. Während der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden im Computer von Maximilian Rainer die alten Projekte der „SEL AG“ beschlagnahmt. Jene Unterlagen also, die später von Rainer und Laimer mit den verbesserten Projekten ausgetauscht wurden. Das Land will jetzt die Wettbewerbe für die Großkraftwerke wiederholen und die SEL soll mit diesen ursprünglichen Unterlagen an dieser Neuvergabe teilnehmen.
Das Problem dabei: Diese Projekte sind Word-Dokumente ohne Protokollstempel oder Abgabevermerk. Niemand kann sagen, ob die Unterlagen authentisch sind oder jemals abgegeben wurden. Die Anwaltschaft des Landes wollte, dass die Staatsanwaltschaft Bozen die Authentizität dieser Projekte sozusagen amtlich genehmigt. Doch Oberstaatsanwalt Guido Rispoli winkte sofort ab: Das kann man nicht und wird man auch nicht tun.
Anfang dieses Jahres übergaben die Beamten der Carabinierisondereinheit ROS dem Amt für Stromversorgung offiziell die gewünschten Projekte. Bei der Unterzeichnung des Übergabeprotokolls kam es aber fast zu Eklat.
Das Amt für Stromversorgung verfasste ein Protokoll im dem auf Antrag der ROS-Beamten die Anmerkung festgehalten wurde, dass diese Projekte nach ihrer Meinung keinerlei juridische Relevanz hätten. Nachdem ROS, Staatsanwaltschaft und Amt für Stromversorgung das Protokoll unterzeichnet hatten, machte die Leiterin des Landesrechtsamtes Renate von Guggenberg aber plötzlich einen Rückzieher. Sie verfasste ein neues Protokoll in dem der Hinweis auf die juridische Nicht-Relevanz der Word-Dokumente gestrichen wurde.
Die ROS-Beamten fühlten sich an der Nase herumgeführt. Am Ende unterzeichnete man das Protokoll unter Vorbehalt.

Säumiges Land

Denn seit einem Jahr wird immer deutlicher, dass das Land in Sachen erschwindelter Konzessionen einfach nur auf Zeit spielt. Am deutlichsten wird das beim Kraftwerk St. Anton. „Ich glaube nicht, dass das Land so tun kann, wie wenn nicht passiert wäre“, sagt Helmut Frasnelli, der mit seiner „Eisackwerke Gmbh“ seit Jahren vergeblich auf den Zuschlag für dieses Kraftwerk wartet.
Gerade hier ist die Sachlage sonnenklar. Die „Eisackwerke“ hatte bei der Bewertung trotz des manipulierten SEL-Projekts die Nase vorne. Nur die Landesregierung hat auf Antrag von Michl Laimer und auf Druck von Maximilian Rainer, die Bewertung der zuständigen Ämter aber kurzerhand umgedreht, sodass die SEL den Zuschlag bekam.
Bei der Anhörung der Spitzenbeamten des Amtes für Stromversorgung kam heraus, dass die Techniker längst einen konkreten Vorschlag gemacht haben, das Kraftwerk St. Anton der „Eisackwerke GmbH“ zu übergeben. Doch hier bremst die Landesregierung. „Kein Nachgeben gegenüber den Eisackwerken“ postuliert diese Woche der neue Energielandesrat Richard Theiner dann auch in der Südtiroler Wirtschaftszeitung.
Vor diesem Hintergrund und auch weil sich auch schon der Rechnungshof in dieser Sache bewegt, muss auch die Staatsanwaltschaft handelt. Oberstaatsanwalt Guido Rispoli nahm jetzt Vorermittlungen auf, die sich gegen das Land und indirekt auch gegen die alte und neue Landesregierung.
Zu klar ist, dass die öffentliche Hand hier säumig ist.

Das 231-Gesetz

Doch schon bald könnte auf Land und SEL aber auch noch ein zweites Verfahren zukommen, das einen ganz neuen Aspekt in den Stromkrieg einführen würde. 2001 wurde in Italien das Gesetzesdekret 231 erlassen, das die Verantwortung der Gesellschaften für Straftaten ihrer Funktionäre regelt. Nach diesem Gesetzesdekret müssen alle großen Gesellschaften eine Organisationsmodell einführen, das eine bestimmte Kontrolle der eigenen Verwaltung ermöglicht, sowie ein dreiköpfiges Überwachungskomitee. Fast alle Südtiroler Gesellschaften haben diese Anforderungen vor spätestens fünf Jahren umgesetzt: Brennerautobahn, Sparkasse, Etschwerke und Dutzende andere Unternehmen.
Nur die SEL war hier säumig. Die Landesenergiegesellschaft und ihre Tochterfirmen „Hydros“ und „SE-Hydropower“ haben diese Gesetzesvorgaben erst nach dem SEL-Skandal im Jahr 2011 umgesetzt. Genau hier wollen jetzt die Anwälte der „Eisackwerke“ Franco Mellaia und Anton von Walther einhaken. „Wir werden im Sinne des 231 Dekretes einen Eingabe an die Staatsanwaltschaft machen“, bestätigt von Walther.
Kommt es dazu, wird es für die SEL gefährlich. Das Gesetz sieht vor, dass bei Verstößen gegen die 231-Bestimmung als Sanktionen „die Aussetzung oder den Wiederruf von Konzessionen, die mit dem Verstoß zusammenhängen“ vor. Ebenso „das Verbot mit der öffentlichen Hand in Verhandlung zu treten“.
Genau das aber wäre der Super-Gau. Denn dann könnte die SEL bei einer möglichen Neuausschreibung gar nicht mehr teilnehmen.