Gestorben und nicht vermisst

Franco Masello wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden. Eine Woche lag der 66-Jährige dort, niemand hatte es bemerkt. Was passiert in einer Stadt, in der Menschen sterben, ohne dass sie jemand vermisst?
Team K provinciali
Foto: Team K

Franco Murano von der Arbeitsgemeinschaft Aktive Senioren (AGAS - ANTEAS) schweigt zunächst, macht dann einen tiefen Seufzer. Er ist betroffen, bewegt, „è una cosa pazzesca, che non dovrebbe mai accadere.“ Der verstorbene Franco Masello, 66 Jahre alt, wohnhaft im Stadtviertel Oberau hatte wohl keine Angehörigen, so die Vermutung. Erst der starke Verwesungsgeruch am Montag, 15. Juli, hatte die Nachbarn auf den Plan gerufen, die Carabinieri folgten. Alle im Haus hatten angenommen, der Mann sei im Urlaub, wahrscheinlich lag der Rentner seit einer Woche in seinem Schlafzimmer.

Sorgen und Bemühungen
Betroffenheit und Anteilnahme auch in der Gemeinde Bozen. Mauro Randi, Stadtrat für Sozialpolitik und Jugend, sagt, er mache sich große Sorgen, man könne nicht von einem Einzelfall sprechen, vielmehr sei eine gewisse gesellschaftliche Entwicklung zu beobachten. „Noi stiamo cercando di creare momenti di aggregazione, d' incontro, ma è un lavoro ancora lungo da fare.“ Das sieht Heiner Schweigkofler von der Caritas genauso: „Wo gibt es denn den Park in Haslach, wo sich die Senioren einfach so treffen können? Wir müssen offene, unverbindliche Strukturen schaffen – für Menschen, die sich nicht gern bei Vereinen einschreiben.“ Die Stadt habe hier eindeutig Nachholbedarf, „Konzepte und Modelle gibt es zur Genüge“, erklärt Schweigkofler, „schauen wir nach Deutschland zu den Generationenhäusern, wo Gemeinschaft schon bei der Stadtplanung geschaffen wird.“

Ce ne freghiamo
Einen „Menefreghismo“ beobachtet Franco Murano der als Freiwilliger beim ANTEAS arbeitet: „Siamo tutti troppo lontani e troppo distanti. Andiamo a casa, chiudiamo la porta e ce ne freghiamo degli altri.“ Auch Stadtrat Randi sieht dieses Sich-Verschließen, das Alleinsein-Wollen, immer stärker in den Mittelpunkt rücken: „Siamo abituati a correre. Forse dobbiamo di nuovo imparare a prenderci tempo? Anche a prenderci tempo per il nostro vicino – proporgli di prendere un café assieme.“ Das Thema Einsamkeit sei ein großes, bestätigt Schweigkofler, in den Städten mehr als in den Dörfern, wo die Achtsamkeit für die Nachbarn noch größer sei: „Bei der Telefonseelsorge rufen sehr viele Leute an, die sich einsam fühlen. Ich frage mich oft, wo ist die gute alte Nachbarschaftshilfe?“

Keine Zeit mehr für echte Begegnungen in einer Zeit, die wir immer etwas hinterherlaufen. Vielleicht hat gerade das dem verstorbenen Rentner aus Haslach gefehlt: Kontakt ohne Verpflichtung, aber mit der Gewissheit dem Anderen wichtig zu sein.