Politik | Teil 1

Siete tutti estremisti

Die SVP und die italienische Rechte. Draht nach Rom–Autonomie–Vergangenheit: Wie war das unter Luis Durnwalder? Eine fünfteilige Spurensuche im Landtag. Teil 1
Landtagsgebäude
Foto: Hannes Prousch
  • Es anders machen als der Alte. In einem hat es Arno Kompatscher als Landeshauptmann tatsächlich geschafft, mit seinem Vorgänger zu brechen: Luis Durnwalder war 25 Jahre an der Macht, fünf Legislaturen lang. Fünf Legislaturen, in denen immer rechte Parteien als stimmenstärkste italienische Kräfte aus den Landtagswahlen hervorgegangen waren. Dennoch hat Durnwalder die erstarkte italienische Rechte nie in die Landesregierung geholt. Anders als Kompatscher. Bereits 2018 ging er mit eine Koalition mit der Lega ein. 2023 haben er und seine Südtiroler Volkspartei (SVP) sich nun für Freiheitliche, Lega und Fratelli d’Italia als Regierungspartner entschieden. Jene Fratelli, die aus den (post-)faschistischen Parteien hervorgegangen sind, mit denen Luis Durnwalder nie regieren wollte: Movimento Sociale Italiano (MSI), Alleanza Nazionale (AN) und deren lokale Abspaltung Unitalia. Aber auch Forza Italia, Popolo della Libertà und Lega Nord blieben unter Durnwalder stets außen vor. Um zu verstehen, warum, bietet sich ein Blick in die Wortprotokolle der Landtagssitzungen an, bei denen Luis Durnwalder zwischen 1988 und 2003 zum Landeshauptmann gewählt wurde. In den Wortmeldungen der italienischen Rechten fallen dieselben Argumente wie sie aus der jüngsten Vergangenheit bekannt sind – ihr Wahlergebnis, ihr Vertretungsanspruch der italienischsprachigen Bevölkerung in Südtirol, ihr Draht zu Rom –, abgeschmettert von den SVP-Vertretern. Mit Argumenten, die heute nicht (mehr) zählen: Als autonomiefeindlich, ohne Distanz zum Faschismus, Unruhe schürend wurden die italienischen Rechten bezeichnet. Und auch der Begriff „Vernunftehe“, als die die SVP die sich im Entstehen befindende neue Koalition mit den Rechten bezeichnet, taucht in den Debatten auf. Genauso wie die Größe der Landesregierung und die Frage, ob es nun einen oder zwei italienische Landesräte braucht.

    Die SVP und die italienische Rechte. Draht nach Rom–Autonomie–Vergangenheit: Wie war das unter Durnwalder? In fünf Teilen bringt SALTO Auszüge aus den gern hart geführten Diskussionen im Südtiroler Landtag bei den fünf Wahlen von Luis Durnwalder zum Südtiroler Landeshauptmann – in Originalsprache und zum Teil gekürzt. Das ist Teil 1.

  • 1988–1993: Siete tutti estremisti

    Mussolini im MSI-Sitz: Pietro Mitolo (MSI, dann AN, dann PdL) gilt als die Führungspersönlichkeit des Neo- und Postfaschismus in Südtirol. Foto: Seehauserfoto

    Pietro Mitolo (MSI-DN): È troppo comodo continuare a dire: “Voi siete fascisti e quindi con voi non vogliamo dialogare”. Poi vi ritrovate con 30.000 persone, in una provincia che ne contiene 430.000, che si pretende di escludere dal dialogo, si pretende di non classificare, di non tenere in alcun conto. Smettiamola con certe definizioni di comodo, con certa propaganda, che è soltanto residuo di un antifascismo viscerale, che poi più che antifascismo risulta essere anti-italianismo.

    È troppo comodo continuare a dire: “Voi siete fascisti e quindi con voi non vogliamo dialogare”.

    Basta con le deformazioni storiche! Signor Presidente, io spero che di libri sulla storia del ventennio in Alto Adige si finisca di stamparne con i contributi della Provincia una volta per tutti.

    Robert Kaserer (SVP): Die Einigung der Südtiroler Volkspartei mit den anderen Koalitionspartnern möge zu einem besseren Verständnis der einzelnen Sprachgruppen zueinander und untereinander beitragen. Im Grunde genommen haben wir eigentlich doch viel Gemeinsames. Dies würde vom Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich auch eingesehen und akzeptiert, wenn nicht gewisse Kreise, gewisse Parteien die Bevölkerung aufhetzen würden.

    Jedenfalls, Kollege Mitolo, hat es bei uns bei den letzten Wahlen wesentlich weniger extremistische Stimmen gegeben als auf italienischer Seite. Der MSI kann von sich aus sicher nicht behaupten, dass er zur Verständigung in diesem Lande beigetragen hat.

    Mitolo: Ma voi siete tutti estremisti!

  • Landtagswahlen vom 20. November 1988

    SVP (1.): 184.717 Stimmen | 60,4 % | 22 Sitze 
    Movimento Sociale Italiano-Destra Nazionale (2.): 31.491 Stimmen | 10,3 % | 4 Sitze

    Landesregierung: SVP (1.) + Democrazia Cristiana (3.) + Partito Socialista Italiano (5.) | 26 Sitze

    Wahl des Landeshauptmannes im März 1989


  • Kaserer: Diese Anschuldigung, Kollege Mitolo, ist nicht tragbar, denn es gibt keinen extremeren als den MSI, der sehr oft auch scheinheilig ist. Beispielsweise sagt der MSI: Eigentlich sind wir auch für die Autonomie. Auf der anderen Seite ist es gerade der MSI, der alles tut, um Pfeiler der Autonomie abzuschaffen, wie den Proporz oder die Erlernung der zweiten Sprache der Italiener und dergleichen mehr. So kann man nicht Politik machen für eine Bevölkerung, für ein Zusammenleben in diesem Lande!

    Das Ziel des MSI ist ja, die Unzufriedenheit in der italienischen Bevölkerung zu schüren, Unruhe hervorzurufen.

    Die Anträge der Faschisten im Parlament sind ganz klar und würden sicher nicht zu einer Verständigung in diesem Lande beitragen. Wenn sie den Proporz abschaffen, wird es um jede einzelne Stelle einen Kampf geben. Ihr denkt immer nur an die Staatsstellen. Wenn aber der Proporz beim Lande fallen würde, könnte es dazu führen, dass die deutsche Sprachgruppe wesentlich mehr Stellen inne hätte im Lande als die Italiener. Das würde natürlich zur Folge haben, dass die Unzufriedenheit bei den Italienern noch steigen würde. Ich kann mir vorstellen, dass das dem MSI ja passen würde. Sein Ziel ist ja, die Unzufriedenheit in der italienischen Bevölkerung zu schüren, Unruhe hervorzurufen.

  • Kabinett Durnwalder I (1989–1993): In seiner ersten Landesregierung waren neben Landeshauptmann Durnwalder nur Männer. Hintere Reihe (v.l.): Albin Kofler, Werner Frick, Giancarlo Bolognini, Giuseppe Sfondrini, Bruno Hosp, Franz Alber. Vordere Reihe (v.l.): Sepp Mayr, Otto Saurer, Luis Durnwalder, Remo Ferretti, Erich Achmüller. Foto: SVP-Archiv
  • Luis Durnwalder (SVP): Kollege Mitolo sagt, mit dem einseitigen Kampf gegen den MSI beleidigt man letzten Endes 31.000 Italiener. Schauen Sie, wir möchten nicht die Wähler beleidigen, die MSI gewählt haben, wir akzeptieren, was jeder einzelne gewählt hat, es ist ein freies Entscheidungsrecht, nur glaube ich, wir sollten dafür Sorge tragen, dass wirklich jeder einzelne aufgeklärt ist. So glauben wir, dass hier Leute ein Votum gegen die Autonomie abgegeben haben, gegen unsere Verwaltung, und zwar in Unkenntnis der wahren Situation.

    Sie können nicht immer wieder behaupten, wir sind für die Autonomie, aber die Stützen dieser Autonomie müssen wir absägen – dann fällt natürlich die gesamte Autonomie.

    Kollege Mitolo, Sie sagen, Sie sind gegen diese Autonomie und gegen diese Form, gegen die Zweisprachigkeit und gegen den Proporz usw. Das sind die Grundpfeiler unserer Autonomie. Wenn ich heute mit jemandem zusammenarbeiten muss, der ständig sagt, das, was ihr bekommen habt, ist nicht richtig, das muss wieder weg, dann müssen Sie doch sagen, dass eine Zusammenarbeit doch schwierig ist. Wenn ich einen Partner habe, der irgendetwas verteidigen sollte, wo er aber überzeugt ist, dass das verschwinden muss, dass das weg muss usw., dann ist eine sachliche und objektive Zusammenarbeit etwas schwierig. Und hier können Sie nicht immer wieder behaupten, wir sind für die Autonomie, aber natürlich, die Stützen dieser Autonomie, die müssen wir absägen – dann fällt natürlich die gesamte Autonomie.

    Wenn man den Leuten immer nur wieder Versprechungen macht, dass das und jenes wegkommt, dann wird man ewig eine Unzufriedenheit schüren, die ganz bestimmt nicht dazu beiträgt, dass das Zusammenleben vereinfacht wird, sondern da wird weiterhin Hass geschürt, weiterhin wird der eine glauben, der andere wird übervorteilt, er selbst wird benachteiligt.

     

    Lesen Sie in Teil 2: Vom Faschismus gebrannte Kinder

     

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Josef Fulterer Mo., 01.01.2024 - 17:16

Schon gut die Kompetenzen nach Südtirol zu holen, aber dann sollten -s i e- auch mit für die Bürger lesbaren, klaren, eindeutigen Gesetzen, ohne die üblen Schlupflöcher für die ober-Schlauen und Rechts-Verdreher angewendet werden.

Mo., 01.01.2024 - 17:16 Permalink