Umwelt | Interview

„Die Emissionen sind gesunken“

Gute Nachrichten für den Klimaschutz: Atmosphärenforscher Thomas Karl von der Uni Innsbruck über die lokale Messung von CO2 und die ersten Erfolge bei der Energiewende.
Thomas Karl
Foto: Universität Innsbruck
  • SALTO: Herr Karl, wie wird die lokale Freisetzung von Treibhausgasen gemessen? Verteilen sich die Gase nicht automatisch in der gesamten Erdatmosphäre?

    Thomas Karl: Das wichtigste Treibhausgas, Kohlenstoffdioxid (CO2), hat in der Atmosphäre eine lange Lebenszeit und seine Konzentration ist bereits sehr hoch, das stimmt. Wenn man nur die Konzentration messen würde, wäre es um einiges schwieriger, Rückschlüsse auf die Emissionen zu ziehen. Deswegen verwenden wir eine spezielle meteorologische Messtechnik, die sogenannte “Eddy Covariance“ Methode. Salopp formuliert, verschneiden wir dabei die Winddaten mit unseren Spurengas-Messungen. Das passiert zeitlich so schnell, also jede Zehntel Sekunde, dass man dann daraus auf die lokalen Emissionen rückschließen kann. 

    „Jeder Lkw und jeder Urlauber, der durch Tirol fährt, versucht in Tirol zu tanken.“

    Wo kommt diese Messmethode überall zum Einsatz?

    In Europa werden so in 13 Städten lokale Emissionen gemessen. Die Methode wird aber auch in Waldgebieten eingesetzt, um zu erheben, wie viel CO2 diese Ökosysteme aufnehmen. In diesem Bereich ist die Methode bereits sehr gut etabliert, da gibt es auch schon mehr Standorte. 

  • Das Forschungsprojekt

    Unter der Leitung von Thomas Karl (Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften) hat die Universität Innsbruck ein Mikrometeorologisches Messsystem aufgebaut, mit dem nicht nur die vertikale Bewegung der Außenluft gemessen wird, sondern auch die Bewegung der in der Stadt ausgestoßenen Treibhausgase wie CO2 und Methan. Die seit 2017 gemessenen Daten zeigen, dass die CO2-Emissionen in Westösterreich seit 2018 um rund 20 Prozent gesunken sind. Die Messungen werden von der Europäischen Weltraumagentur ESA und dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

    Foto: Österreichisches Bundesministerium für Wissenschaft
  • Wie teuer sind die Messinstrumente für diese Methode?

    Es ist schwierig, hier Zahlen zu nennen. Ein Wind-Messsystem mit der Erfassung von CO2-Emissionen liegt bei rund 10.000 bis 15.000 Euro. Wenn es um Methan geht, sprechen wir von 50.000 bis 100.000 Euro.

    „Städte bilden sehr gut die Emissionen ab, die nicht im Emissionshandel der EU enthalten sind, also jene aus dem Verkehr und dem Gebäudesektor.“

    Wie beurteilen Sie das Ergebnis Ihrer neuen Studie? Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

    Wir sehen über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus, dass die Reduktion der CO2-Emissionen höher ist, als Hochrechnungen im europäischen Durchschnitt prognostiziert haben. Ursache für diesen rückläufigen Trend sind neben den Lockdowns während der Pandemie auch andere Faktoren, wie die technologische Transformation, die saubere Verbrennung, der Umstieg auf bessere Heizsysteme und so weiter. Was hinzukommt, sind andere Effekte wie Änderungen im Mobilitätsverhalten. In Summe sehen wir, dass in Innsbruck in den letzten fünf Jahren die Emissionen kontinuierlich gesunken sind. 

  • In Innsbruck gemessene CO2-Emissionen (rot): Sie zeigen einen starken Rückgang während der Pandemie. Aber auch seither liegen die Werte deutlich unter jenen vor 2020. Bisherige Modellrechnungen weichen deutlich von den tatsächlich gemessenen Werten ab (Ref. 1-3). Insgesamt spiegeln die Daten aus Innsbruck einen jährlichen Rückgang der CO2-Emissionen um 3 Prozent. Foto: Universität Innsbruck
  • Wieso sehen Sie sich Städte wie Innsbruck an und nicht beispielsweise das gesamte Bundesland Tirol?

    Das hängt mit der Methode zusammen, die gesammelten Daten geben nur Auskunft über den Innsbrucker Stadtkern. Diese Werte können aber als repräsentativ für den alpin-urbanen Raum angesehen werden. Auch in den wichtigsten europäischen Metropolen werden solche Messungen durchgeführt, um einen Überblick zu erhalten. Städte bilden sehr gut die Emissionen ab, die nicht im Emissionshandel der EU enthalten sind, also jene aus dem Verkehr und dem Gebäudesektor – im Unterschied zur Industrie, die unter den Emissionshandel fällt. Laut dem österreichischen Umweltbundesamt verursachen Verkehr- und Gebäudesektor rund 40 Prozent der gesamten Treibhausgase im Land, die Industrie knapp 44 Prozent. 

    Gibt es regionale Unterschiede beim Vergleich der CO2-Emissionen im Einzugsgebiet europäischer Städte?

    Was in Innsbruck auffällt, ist der Einfluss des Tanktourismus und des Transitverkehrs. Diese Phänomene sind im Verkehrssektor von Grenzgebieten wie Tirol nicht zu vernachlässigen. All diese Emissionen werden Österreich zugerechnet, das ist bei einem kleinen Land ein entscheidenderer Beitrag als wie bei einem großen Land. Weil die Benzin- und Dieselpreise in Österreich strategisch so niedrig gesetzt werden, fallen diese Emissionen dann auch Österreich zu. Jeder Lkw und jeder Urlauber, der durch Tirol fährt, versucht in Tirol zu tanken. 

    „Es gibt international noch kein politisches Übereinkommen, das Länder verpflichtet, ihre Klimaschutzpolitik anhand lokaler Messdaten zu evaluieren.“

    Inwiefern spielt die lokale CO2-Erhebung bei der Einhaltung der Pariser Klimaziele eine Rolle?

    Es wird intensiv daran gearbeitet, CO2-Einsparungen der Länder wirklich zu erfassen. Dieses Messsystem ist ein Teil des Puzzles. Die Europäische Union steht hier noch am Anfang, um prognostizierte CO2-Einsparungen durch die Datenerhebung mitzuverfolgen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze. Neben der direkten CO2-Messung, wie wir sie in Innsbruck durchführen, gibt es auch komplexe Modellrechnungen auf globaler Ebene. Eine Hoffnung besteht zudem darin, Emissionen über Satelliten zu messen, das ist derzeit technisch noch nicht möglich. Es braucht sicherlich noch rund 20 Jahre, um die Emissionen verschiedener Kontinente über die Satellitenmessung vergleichen zu können.

    Also haben diese lokalen Messdaten auf einer Weltklimakonferenz wie kürzlich bei der COP28 in Dubai noch keine politische Relevanz.

    Derzeit sind es noch Projekte aus reinem Forschungsinteresse. Denn es gibt international noch kein politisches Übereinkommen, das Länder verpflichtet, ihre Klimaschutzpolitik anhand lokaler Messdaten zu evaluieren. In manchen Wirtschaftsräumen, wegen dem Green Deal gerade in Europa, besteht sehr viel mehr Interesse, die Entwicklung der CO2-Emissionen zu beobachten. Früher oder später wird es sicherlich auch aus politischer Sicht wichtig sein, die Hochrechnungen wissenschaftlich validieren zu können.