Kultur | Kunst

Dialogue

Der Künstler Lois Anvidalfarei hat nicht nur ein neues Buch vorgestellt, sondern auch eine Ausstellung in Bozen. In beiden tritt er in Dialog. Mit sich selbst und mit Freund*innen.
Ausstellung
Foto: SALTO
  • Er scheint tatsächlich eine Freude am Dialog zu haben, der ansonsten eher wortkarge Lois Anvidalfarei. Letztens stellte er nicht nur sein neues Buch vor, sondern auch die frisch aufgebaute Ausstellung Dialogue, in welcher er das künstlerische Gegenüber zu den Arbeiten der jungen Künstlerin Sophie Eymond darstellt. Die 1991 in Clamart in Frankreich geborene Bildhauerin arbeitet zwischen Gröden und Paris und studierte an der Ecole Boulle, eine der wichtigsten Schulen für Bildhauerei in Frankreich. Im Rahmen der Ausstellung Start 6 des Südtiroler Künstlerbundes stellte Eymond 2022 erstmals in Südtirol aus und nutzte dieses Sprungbrett für junge Künstler*innen für weitere Ausstellungsprojekte, die sich nach dieser ersten Gruppenausstellung ergeben sollten. 

  • Eröffnungserinnerungen: Die Arbeiten von Lois Anvidalfarei und Sophie Eymond sind bis 25. November in der Alessandro Casciaro Art Gallery zu sehen. Foto: Alessandro Casciaro art gallery

    Was ist wichtiger: Liebe oder Schönheit? 
    (Peter Zumthor)


    Auch Lois Anvidalfarei war von Eymonds Arbeiten angetan und formte mit dem Galeristen Alessandro Casciaro eine gemeinsame Ausstellung. Die junge Bildhauerin und der "alte Hase" begegnen sich in dieser „auf Augenhöhe, freundschaftlich und in einem stimmungsvollen Dialog“. 
    Die vor kurzem mit dem Richard Agreiter-Preis ausgezeichnete Künstlerin widmet sich auf neue und interessante Art und Weise einem Medium, „das gerade in Südtirol bis vor kurzem stark männlich dominiert war.“ Eymond verknüpft traditionelle und zeitgenössische Ansätze, verbindet verschiedene Materialien und sucht nach neuen Wegen in der Skulptur. Sie zeigt alte Bettlaken als verhärtete Stoffe, die in ihrer Zerbrechlichkeit aber auch ein Gefühl von Menschlichkeit und Verletzlichkeit offenbaren. 

  • Anvidalfarei Figuren treten in Dialog mit den fest gewordenen Stoffen der Künstlerin. Ganz anders ist dieser Dialog, als jener, den Anvidalfarei mit Gotthard Bonell, mit dessen Malerei, vor wenigen Monaten in der Trostburg führte. Viel näher sind sich Bildhauer und Bildhauerin in ihrem Tun. Neben neuen Skulpturen zeigt Anvidalfarei in Dialogue auch Zeichnungen, sie erzählen von der Lust und der Last des Körpers. „Beim Zeichnen denke ich nicht, ich lebe", sagt Anvidalfarei.

  • In der Galerie vereint: Kunsthistoriker Günther Oberhollenzer, Bildhauer Lois Anvidalfarei, Bildhauerin Sophie Eymond und Galerist Alessandro Casciaro Foto: Galleria Alessandro Casciaro

    Im Rahmen der Eröffnung wurde auch das neue, umfassende Kunstbuch Lois Anvidalfarei. Conditio Humana erstmals vorgestellt. Herausgegeben wurde es von dem aus Bruneck stammenden Kunsthistoriker Günther Oberhollenzer, der seit vergangenem Jahr das Künstlerhaus in Wien leitet. Wir sind nackte Wanderer auf der Welt nennt er seine Annäherung an den Künstler in sechs Kapiteln und serviert in dem über 200 Seiten starken Kunstband das "Schicksal des Menschen" (im Sinne eines einleitenden Bertold Brecht-Zitats). 
     

    Lois’ Körper stehen unter Zwang und es drängt sich einem die Frage auf, ob sie in ihrem Erleben des Schrecklichen unpersönlich oder noch zu einem Ich in der Lage sind. 
    (Roberta Dapunt)

  • Literarisch sorgt auch die Dichterin Roberta Dapunt mit ihrem Prosatext Lois’ Körper für einen vertiefenden Blick auf Anvidalfareis Arbeiten, sowie der Architekt Peter Zumthor mit einem unvergesslichen und für das Buch fein säuberlich verschriftlichten Gespräch, dass beide im Rahmen seiner Solo-Schau im Lanserhaus in Eppan 2022 geführt haben. Immer noch wunderbar und im Buch nachzulesen ist demnach auch Anvidalfareis Antwort auf Zumthors letzte Frage: Was ist wichtiger: Liebe oder Schönheit? Wie und was Anvidalfarei darauf antwortet, steht im Buch.

  • Menschenleiber, Zeichnungen, starre Stoffe: Dialogue in der Alessandro Casciaro Art Gallery in Bozen Foto: SALTO
  • Neuerscheinung: Lois Anvidalfarei. Conditio humana

    Die schweren, überlebensgroßen Menschenleiber aus Gips oder Bronze sind in die Welt geworfen und ihr ausgeliefert, stehend und liegend, sich windend und in Kauerstellung. Sie zeugen von großer Empathie für den Menschen. Das Buch dokumentiert die einzigartigen skulpturalen sowie zeichnerischen Arbeiten des letzten Jahrzehnts – mit Einblicken in das Gesamtwerk.

    Foto: Folio