Umwelt | Vinschgau

Pestizide: "Diskutieren wir auf sachlicher Ebene"

Bringt der Obmannwechsel beim Vinschger Bauernbund einen Quantensprung im erbitterten Streit um Pestizide? Das wohl nicht, meint Raimung Prugger. Doch zumindest auf die sachliche Ebene will der Bauer aus Tschengls die Diskussion zurückführen.

Herr Prugger, Sie haben ihr neues Amt als Bauerbund-Obmann des Bezirk Vinschgau mit dem Ziel angetreten, einen Konsens im Streit um Pestizide zu finden. Letzthin wurden ihre Aussagen bei einer Informationsveranstaltung gar als Quantensprung bezeichnet. Weht nun ein neuer Wind bei den Vinschger Bauern?
Raimund Prugger: Also, wenn es ein Quantensprung sein soll, wenn ich sage, dass ich die Diskussion auf eine sachliche Ebene bringen will, weiß ich nicht was mein Vorgänger verbrochen haben soll. Ich sehe weder einen Quantensprung noch werde ich den bisherigen Kurs wechseln. Worum es mir vor allem geht ist eine Diskussion, die mir sehr emotional geladen dünkt, zu entschärfen.

Und wie wollen Sie das anstellen?
Ich denke, prinzipiell muss einmal klar sein, dass jeder Bauer auf seinem Grund die Anbauweise und den Pflanzenschutzmaßnahmen wählen darf, die er für richtig hält. Im Gegenzug muss aber natürlich auch seinen Nachbarn diese Freiheit zugestanden werden.

Doch genau hier liegt doch der Kern des Problems. Denn aufgrund der Abdrift betrifft die Entscheidung des einzelnen Bauern eben nicht nur sein Grundstück...
Daran, dass keine Abdrift entsteht, ist eben zu arbeiten. Da gibt es eine Reihe von Maßnahmen, von Hecken bis hin zu günstigen Zeiten beim Ausbringen der Pflanzenschutzmittel. Ich habe mich auch angeboten, einige Kollegen, die es mit den Nachbarn vielleicht nicht so genau nehmen, ins Gebet zu nehmen und darauf einzuwirken, dass wir ein anständiges Miteinander haben. Und im Fall von Grundstücken, die nicht zulassen, dass eine Abdrift vermieden werden kann, muss man halt Alternativen suchen.

"Ich habe mich auch angeboten, einige Kollegen, die es mit den Nachbarn vielleicht nicht so genau nehmen, ins Gebet zu nehmen und darauf einzuwirken, dass wir ein anständiges Miteinander haben."

Haben Sie ein Beispiel?
Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt – vom Arbeiten mit Schlauch und Handpistole bis hin zu einem möglichen Grundstückstausch. Und wenn gar nichts geht, muss man halt in einigen Fällen vom Obstanbau abgehen. Was mir aber wichtig ist: Dass die anderen Seite die Bestrebungen zur Vermeidung der Abdrift anerkennt, und nicht a priori hergeht und sagt, wir wollen keine Pestizide.

Die andere Seite aber gerade dabei, Unterschriften für eine Volksabstimmung über eine pestizidfreie Gemeinde Mals zu sammeln. Wäre es nicht auch im Sinne der Bauern selbst, zumindest gewisse Pestizide zu verbieten, für die eine gesundheitsschädliche Wirkung nachgewiesen ist?
Sie wissen, dass es zu jeder Studie auch eine Gegenstudie gibt. Ich bin Bauer und kein Chemiker, und deshalb muss ich den nationalen bzw. internationalen Zulassungsbehörden Glauben schenken, wenn sie sagen, dass diese Spritzmittel zumindest bis zu einer bestimmten Konzentration keine Schäden verursachen. Wir wissen, dass die Gesundheitsbehörde gerade in Italien sehr rigoros vorgeht, wahrscheinlich mehr als in anderen Staaten. Aber auch wir wollen mit solchen Mitteln sparsam und bewusst umgehen, denn dass sie teils bedenklich sind, gebe ich schon zu. Ich sehe mich nur nicht darüber hinaus, ein qualifiziertes Urteil zu geben, und zu sagen, diese Mittel lassen wir weg und die anderen gehen gut. Da gibt es Experten dafür, auf die wir einfach vertrauen müssen.

"Ich bin Bauer und kein Chemiker, und deshalb muss ich den nationalen bzw. internationalen Zulassungsbehörden Glauben schenken."

Macht Ihnen das Referendum nun Bauchweh oder sehen Sie es auch als Chance, nun endlich eine Entscheidung in der Sache zu treffen?
Dem Referendum stehe ich neutral gegenüber. Zumindest wenn der Bürgermeister und die Gemeinde versprechen, ein Informationsheft mit Pro und Contra zu erstellen, mit dem die BürgerInnen richtig informiert werden. Und sollen die Gegner entscheiden, was sie wollen. Momentan hätte ich allerdings rechtliche Bedenken, dass man Mittel, die von den Behörden zugelassen sind, einfach verbieten kann. Doch diesbezüglich müsste der Bürgermeister dann Maßnahmen setzen, wie auch immer die ausschauen sollen.

Das heißt, notfalls muss es auch ohne Pestizide gehen?
Nun, ich frage mich halt schon auch, was ein Bauer in Mals tut, wenn ihm die Hände gebunden sieht, während der Nachbar in Schluderns chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verwenden darf. Nimmt er das einfach klaglos hin oder beschreitet er den Rechtsweg, weil er einen Verdienstentgang hat? Also, das sind jetzt nur Hypothesen, aber ich frage mich einfach, wie es dann weitergehen soll. Denn wir machen ja nichts Illegales, wir setzten schließlich zugelassene Mittel ein.

"Ich frage mich halt schon auch, was ein Bauer in Mals tut, wenn ihm die Hände gebunden sieht, während der Nachbar in Schluderns chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verwenden darf."

Ist der Obstanbau tatsächlich vom Einsatz bestimmter Pflanzenschutzmittel abhängig?
Natürlich gibt es bei Pflanzenschutzmitteln auch die biologische Schiene. Doch der Biomarkt ist derzeit auch an seine Grenzen gestoßen. Selbst wenn wir nun mehr Bio produzieren, wird die Waren dann wahrscheinlich vielfach konventionell verkauft werden müssen. Und das rechnet sich bei den Gewinnspannen im konventionellen Obstanbau nicht, wenn man bedenkt dass die Erntemengen bei Bio zurückgehen und ein wesentlich höherer Arbeitsaufwand anfällt.

Im Vinschgau ist der intensive Obstanbau in den vergangenen Jahren immer höher gewandert. Gilt es auch angesichts der zunehmenden Übersättigung des konventionellen Marktes nicht langsam zu fragen, ob das Motto „Immer höher, immer mehr“ überhaupt noch zukunftsträchtig ist?
Diese Frage hat sicherlich eine Berechtigung, aber die können nicht wir als Bauernbund beantworten. Der Bauer ist heute ein Unternehmer, der aus seinem Grund und Boden einen Mehrwert herausholen muss. Und derzeit bietet die Obstwirtschaft dafür vor allem im Vinschgau immer noch bessere Voraussetzungen als die Viehwirtschaft. Wenn irgendwann klar wird, das dies nicht mehr so ist, werden sich die Bauern schon nach Alternativen umschauen. Wir haben beispielsweise als Bauernbund derzeit ein ESF-Projekt laufen, mit dem Nischenkulturen wie Beeren oder Kräuter als Alternativen aufgezeigt werden.

Das heißt, den Bauern werden auch Alternativen aufgezeigt?
Natürlich, eine solche Information und Aufklärung ist unsere Aufgabe als Bauernbund. Doch wir werden den Bauern sicherlich nicht sagen, was sie zu tun haben. Auch ich würde mir als Bauer von niemandem vorschreiben lassen,  welche Anbauweise ich wähle und welche Mittel ich einsetze. Solange die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, muss das die freie Entscheidung jedes einzelnen Bauern bleiben.