Politik | Wir und unsere Nachbarn

Wie wenig uns Belluno tangiert

Wenn mir eines nicht gefällt an salto.bz, dann ist es dieses „.bz“. Och! Nicht, weil Belize, sondern, weil schon wieder ein Südtirol-Medium in unserer Südtirol-zentrischen, hiesigen Medienlandschaft. Hatten wir schon, oder? Wir Südtiroler genügen uns wohl selber. Aber immerhin, was wir noch nicht hatten, war ein Medium, das uns Lesern die Möglichkeit gibt, Themen selber auf den Tisch zu bringen. Vielleicht ist es ja die Aufgabe eines nicht-journalistischen Bloggers, aus dem üblichen Rahmen auszubrechen. Und genau das mach ich jetzt: lasst uns über unsere Nachbarn sprechen. Nachbarn mit sehr ähnlichen Themen und Herausforderung wie den unseren. Nachbarn, mit denen gemeinsam wir spannendere Zukunftsvisionen spinnen könnten. Die Medien haben die Euregio noch nicht so wirklich entdeckt, aber die Politik hat. Also geht’s jetzt nicht ums Trentino oder Nord/Osttirol. Lasst uns doch beispielsweise über… Belluno diskutieren.

Belluno, so finde ich, ist ein sehr interessantes und themen-verwandtes Nachbarland. Hat es doch Ladinische Talschaften, teilt mit uns die Unesco-Dolomiten und – für die Traditionalisten: es beherrbergt ja auch Teile des historischen Tirols (lassen wir das mit der Operationszone Alpenvorland hier lieber). Mit vielen seiner Besonderheiten passt es ja auch nicht wie die Faust aufs Auge zum restlichen Venezien.    

Und Belluno ist spannend: Mann, wie es dort abgeht! Die Provinz wird von Monti aufgelöst. Die Bevölkerung stimmt auf Gemeindeebene ab, wohin sie sich entwickeln möchte. Ist es politische Resignation? Ist es wirtschaftliche Benachteiligung in Nachbarschaft zu den Autonomieprovinzen? Ist es eine neue Identitätsfindung? Manche wollen zu Südtirol, manche zum Trentino. Das Cadore zieht es wohl zum Friaul. Wird die Einheit des Landes zerrissen?

Die Ergebnisse der jüngsten Volksbefragung waren ernüchternd. Feltre & co warten lieber erst einmal ab, wie es mit dem neuen Venezien so geht. Die orientieren sich jetzt ja an Bayern (riecht irgendwie nach Alemagna). Eigentlich ist das kein Wunder, das offizielle Südtirol hat ja bislang die kalte Schulter gezeigt. Wir wollen ja nichts vom Kuchen abgeben und schon gar nicht das empfindliche deutsch/italienische Kräfteverhältnis stören. Die Autonomie wollen wir weiterentwickeln, klar, aber doch nicht in diesem Sinne! Irgendwann wird mir schon einer erklären, warum unsere ausgehölte Region nicht aus drei autonomen(!) Provinzen bestehen könnte. Anderswo wird der Globalisierung mit Verbrüderung begegnet. Bei uns mit Abgrenzung, könnte man da resümieren.

In den frühen 2000er-Jahren hat sich die Euregio wohl mit den Ladinischen Belluneser-Gemeinden beschäftigt, oder ist vielmehr von den Gemeinden aufgesucht worden. Aber seit damals hört man auch nichts mehr davon. Ich wenigstens nicht. Es hat einmal ein Vordenker (war es Anton Pelinka? Ich bin beschämt, aber ich finde die Quelle nicht mehr) Belluno mit der Euregio und gar noch mit Vorarlberg in einem Atemzug erwähnt. Das das war wohl zu visionär. Wählern hierzulande scheinen auch Visionen wie Doppelstaatsbürgerschaft, Freistaat oder Vollautonomie fürs Kreuzchen in der Urne zu reichen.

Weil Belluno spannend ist, wollte ich mich zu den Volkbefragungen informieren. Wie schwierig! Dem Tagblatt der Südtiroler bzw. STOL waren die jüngsten Volksbefragungen wenigstens ein paar Randbemerkungen wert. Information ist anders. Bei den anderen hiesigen Medien bin ich noch weniger fündig geworden, wenigstens ein paar Meldungen in Trentiner Blättern. Wie kann es sein, dass uns Belluno so wenig tangiert?

Nein, es ist nicht so, dass ich zu dem Thema eine gefestigte Meinung hätte und ein bestimmtes Ziele verfolgen würde. Nur werde ich das Gefühl nicht los, dass wir hier eine historische Chance ungenutzt verstreichen lassen. Es wäre beruhigend, wenn die Thematik mehr politisch/medial/gesellschaftlich diskutiert werden würde, vielleicht bekomme ich dazu hier bei salto.bz erste Unterstützung. Oder soll ich mir doch ein höheres Ziel setzten? Wie wär’s, wenn „unsere“ politischen Parteien uns bis zu den Landtagswahlen erklären würden, wie sie sich die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern vorstellen (ob als Freistaat oder Vollautonomie oder bei der nächsten Anti-Alemagna-Demo oder wie auch immer)?

 

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pérvasion Do., 28.03.2013 - 09:14

Ja, Belluno hat ladinische Talschaften, doch die genießen dort keinen Schutz. Es wurden sogar absichtlich nichtladinische Gemeinden als ladinisch eingestuft, um die ladinische Kultur zu verwässern. Und die dortige "Landespolitik" spricht sich gegen den Übergang der ladinischen Gemeinden an Südtirol aus, obwohl die es in einem Referendum frei und demokratisch beschlossen haben.

Do., 28.03.2013 - 09:14 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 28.03.2013 - 10:03

Antwort auf von pérvasion

Hmm, mir fallen da spontan ganz andere, große Europäische Demokratien ein, die gegen separatistische Bewegungen mit nicht immer so toll demokratischen Mitteln wehren. Aber Du hast natürlich recht. Umso schlimmer, dass wir auf der anderen Seite, nur mit medialer Nichtbeachtung reagieren.

Do., 28.03.2013 - 10:03 Permalink
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pérvasion Do., 28.03.2013 - 10:26

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Nur weil es, wie du im Titel deines Kommentars schreibst, »alle« machen, ist es noch lange nicht richtig. Mal davon abgesehen, dass es nur »einige« sind. Ich für meinen Teil versuche schon seit Jahren, die Situation der Ladiner in Venetien (im BBD-Blog) zu beobachten und zu beschreiben.

Do., 28.03.2013 - 10:26 Permalink
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Harald Knoflach Do., 28.03.2013 - 09:21

seilschaften suchen, die die gleichen interessen haben (unabhängig von irgendwelchen verwaltungspolitischen grenzen und institutionellen rahmen), ist der richtige weg. sich für die nachbarn interessieren eigentlich ein logisches grundbedürfnis.

nur das .bz in salto interpretiere ich völlig anders. es ist doch jenes kürzel, das der vielfalt in unserem land gerecht wird. oder hätten sie sich ein austauschbares, nichtssagendes .com geben sollen? einen klar definierten ausgangspunkt zu haben, heißt doch nicht, dass ich keine reisen unternehmen kann. im gegenteil.

Do., 28.03.2013 - 09:21 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 28.03.2013 - 09:50

Antwort auf von Harald Knoflach

schön Harald, dass Du für Dich "unser Land" so punktgenau als Südtirol definieren kannst. Das kannst Du uns aber nicht allen überstülpen, sonst sind wir wieder bei der Nationen-Definition wie im 19. Jahrhundert. Der eine fühlt sich hier als Südtiroler, der andere als Italiener, einer als Tiroler, einer als Wipptaler (bis zu Sillschlucht), der andere als Pusterer (bis nach Lienz), als Regionalist, als Euregionalist, als Ladiner, als Österreicher, als Alpenländer oder sonst was. Christoph läuft das Herz über, wenn er über den Reschen fährt, einem anderen, wenn er bei Füssen endlich die Alpen sieht und vielleicht freut sich ein Bozner erst, wenn er endlich auf der Mebo ist und den Gantkofel sieht. Jeder hat sein ganz persönliches "mein Land". Ein nichtssagendes ".org" hätte immerhin eines gesagt: jeder darf sich angesprochen fühlen.

Do., 28.03.2013 - 09:50 Permalink
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Editorial Salto Do., 28.03.2013 - 11:14

Antwort auf von Harald Knoflach

Harald, das .bz kannst du gern auch so interpretieren. Aber es sollte dabei nicht übersehen werden, dass salto.bz sich nicht ausschließlich als Südtiroler Portal versteht. So bietet die Euroregion einen naheliegende Erweiterung unseres Horizontes – und der Blick auf das Belluno ist mehr als spannend, der hier zur Diskussion steht.
Vielleicht können unsere östlichen Nachbarn ebenfalls in die Euregio hereingeholt werden. Zumindest einige der Bewohner scheinen das ja zu wollen ;-)
Wir wäre es mit einer Euroregion, an der sich statt der ursprünglichen drei die vier Regionen beteiligen?

Do., 28.03.2013 - 11:14 Permalink
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Harald Knoflach Do., 28.03.2013 - 11:48

Antwort auf von Harald Knoflach

ich verstehe .bz als rein geographisches label, das eben die vielfalt der hier lebenden menschen beschreibt - ganz egal als was sie sich fühlen. eine art postleitzahl wenn man so will. die macht auch keinen unterschied zwischen italienern, tirolern, süd-tirolern, ladinern, grödnern, albanern, deutchen ...
sitz des ganzen ist nun mal hier in südtirol. und die tatsache, dass ich einen standort habe hindert mich wie gesagt nicht daran, reisen zu unternehmen.
ich würd jetzt aber nicht im domain-suffix rumreiten wollen. soll es doch lieber um die substanz gehen.

Do., 28.03.2013 - 11:48 Permalink