Gesellschaft | Gastbeitrag

Wie das TV nach Südtirol kam

Vor 40 Jahren wurde der Vertrag unterzeichnet, dass die Sender ORF, ZDF, ARD und SRG nach Südtirol gesendet werden dürfen. Die Rundfunkanstalt RAS feierte im Merkantilgebäude am Staatsfeiertag dieses Jubiläum. Ein Stück Mediengeschichte.

Das Jahr 1974 war der Abschluss und zugleich Höhepunkt eines langen, teilweise mühevollen, aber stets mit Begeisterung gegangenen Weges für die Versorgung der deutschen und ladinischen Minderheit in Südtirol mit Fernseh- und Radioprogrammen aus dem benachbarten Kulturraum.

Ein wichtiger Tag für viele Menschen dieses Landes. Dazu hat uns das ORF-Studio Bozen einen Beitrag zur Verfügung gestellt, der dann – ergänzt durch Bilder der heutigen Feier – im ORF ausgestrahlt wird. Ich muss gleich bei den Durchführungsbestimmungen 1973 einhaken, um zu beweisen, wie weitsichtig und raffiniert damals formuliert wurde: Da steht der Satz, dass der zeitgleiche Empfang der ausländischen Hörfunk- und Fernsehsendungen mittels „mittels Verwendung jeglichen technischen Mittels“ ermöglicht wird. Dieser Passus hat uns sehr geholfen. Zum Beispiel vor wenigen Jahren für einen reibungslosen Übergang vom Analogen zum Digitalen. In Zukunft wird es bei der neuen Technologie DVB-T2.

Der Anfang war sehr oft mehr eine alpine, als eine technische Leistung, wenn ein paar Unentwegte in verschiedenen Gebieten Südtirols einen Fernsehapparat auf den Rücken packten und ein paar Antennen unter den Arm und auf Signalsuche in die Berge gingen.

Der Anfang liegt nicht nur 40 Jahre, sondern über ein halbes Jahrhundert zurück. In Abwandlung des biblischen Satzes „Im Anfang war das Wort“, könnte man sagen: „Am Anfang war die Begeisterung“. Denn der vor kurzem verstorbene, langjährige Präsident der RAS, Helmuth Hendrich, formulierte es so: „Der Anfang war sehr oft mehr eine alpine, als eine technische Leistung, wenn ein paar Unentwegte in verschiedenen Gebieten Südtirols einen Fernsehapparat auf den Rücken packten und ein paar Antennen unter den Arm und auf Signalsuche in die Berge gingen“. Man wollte ein abendfüllendes deutsches Fernsehprogramm nach Südtirol bringen.

Auf Bäumen und primitiven Masten wurden Antennen und Sendegeräte montiert, und für den notwendigen Strom mussten Kabel mühevoll – im wahrsten Sinne des Wortens – „über Stock und Stein“ vom Tal zu den Anlagen auf dem Berg gelegt werden.

Besonderen Einsatz zeigen in den späten 50er Jahren Sepp Haller in Sterzing, Rudi Kirchler in Bruneck, Erich Mair in Schlanders, Helmut Schäfer in Bozen, Helmuth Hendrich in Meran – um nur einige zu nennen. So manche Anlage wird auch beschlagnahmt.

30.000 Unterschriften und eine Machbarkeitsstudie

Im Februar 1966 nimmt die RAI die Ausstrahlung von Fernsehsendungen in deutscher Sprache auf: Jeden Tag ein Nachrichtendienst und ein kurzer Filmbeitrag. Zweifelsohne ein kultureller Meilenstein in der Geschichte Südtirols, die Bemühungen, deutschsprachige Fernsehprogramme aus dem Ausland nach Südtirol zu holen, gehen aber trotzdem unvermindert weiter.

Im April 1970 startet die SVP-Landesjugendleitung eine Unterschriftenaktion zur Fernsehfrage; sie sammelt 30.000 Unterschriften. Als Folge dieser spektakulären Aktion setzt die SVP-Führung ein eigenes Komitee von Politikern, Juristen und Technikern für eine einheitliche Vorgangsweise ein.

Da waren die Senatoren Brugger und Volgger, Abg. Riz, Landesrat Benedikter, Rechtsanwalt Dubis, die Techniker Haller, Hendrich, Kofler, Mair, Schäfer und der Landessekretär der SVP-Jugend Klaus Gruber. Der ja dann auch der erste Direktor der Südtiroler Rundfunkanstalt RAS werden sollte. Er ist heute bei uns, daher ein besonderer Dank.

Und so sehen die Österreicher das 40-jährige Jubiläum

Im selben Jahr 1970 beauftragt Senator Peter Brugger eine Dreiergruppe mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für ein neues Netz in Südtirol. Vorgabe: Der Empfang der ausländischen Programme darf nicht internationale Konventionen verletzen oder andere Kanäle stören und er darf nicht das RAI-Monopol beeinträchtigen. Die Gruppe besteht aus Rechtsanwalt Klaus Dubis und den beiden Technikern Helmuth Hendrich und Ing. Helmut Schäfer. Diese Dreiergruppe wird fortan eine wichtige Rolle für dieses Kulturprojekt spielen. Auch Helmut Schäfer ist in unserer Mitte. Daher Dank und Anerkennung.

Bereits fünf Monate später liegt ein 82-seitiges Gutachten vor. Es zeigt die Machbarkeit des Anliegens auf; Kostenpunkt 2 Milliarden Lire.

 Toleriertes „Schwarzsehen“

Inzwischen hat die private Initiative nicht geschlafen. Aus Zeitungsartikeln des Jahres 1971 ersieht man, dass bereits in verschiedenen Teilen Südtirols die Programme der vier hier anwesenden Rundfunkanstalten gesehen werden konnten. Dazu hatten private Techniker beinahe 300 Anlagen in zum Teil unwegsamem Gelände installiert.

Hier muss auch gesagt werden, dass das Postministerium und auch die RAI als Monopolist, obwohl bestens informiert, diesen „Schwarzempfang“ großzügig tolerierte.

Am 20. Januar 1972 dann das große und entscheidende Ereignis: Das Neue Autonomie-Statut tritt in Kraft. Im Dekret Nr. 670 des Präsidenten der Republik lesen wir unter Art.8, Punkt 4, dass für „örtliche künstlerische, kulturelle und bildende Veranstaltungen in der Provinz Bozen auch Hörfunk und Fernsehen verwendet werden können“.

Grünes Licht aus Rom

Im März 1973 verlangen der Landeshauptmann-Stellvertreter Alfons Benedikter und der Abgeordnete zum römischen Parlament Roland Riz die Aufnahme der Fernsehfrage auf die Tagesordnung der 6er Kommission. Die 6er Kommission war ja für die Durchführung des Autonomiestatuts in Südtirol zuständig. Benedikter legt wenige Tage später der Kommission einen Entwurf der Durchführungsbestimmung samt Gutachten des Fernseh-Expertenteams vor. Und zwei Monate später genehmigt die Regierung Andreotti tatsächlich die vorgeschlagene Durchführungsbestimmung.

Unter anderem wird die Provinz Bozen auch ermächtigt, zur Errichtung eines Netzes bereits bestehende private Anlagen zu erwerben. Im Februar 1974 unterzeichnen 101 Besitzer die Kaufverträge für 286 Anlagen, die somit in den Besitz des Landes übergehen.

Großzügiges Entgegenkommen von österreichischen und deutschen Sendern

Die Gespräche mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten für die kostenlose Zurverfügungstellung ihre Programme werden nun intensiviert. Die Reihenfolge der Gespräche erfolgt nach der Größe des Versorgungsbereichs.

So unterzeichnen am 18. Januar 1974  Landeshauptmann Silvius Magnago und Generalintendant Gerd Bacher für den ORF und Justitiar Ernst Fuhr für das ZDF die Verträge zur Verbreitung der Rundfunkprogramme.

Am 27. Februar folgt die Unterzeichnung des Vertrages mit der ARD und am 8. April mit der SRG. Alle vier Rundfunkanstalten überlassen Südtirol ihre Programme kostenlos.

Nun beginnen die Verhandlungen mit dem Postministerium für die Bereitstellung der Frequenzen. Rom ist weit weg, und für die dortigen Beamten und Techniker sind Begriffe wie Pariser Abkommen, Autonomiestatut usw. doch irgendwie Fremdwörter. Trotzdem kommt man zu einem gemeinsamen Protokoll für die Erstellung des technischen Plans.

Deal mit der RAI

Ebenfalls vor genau 40 Jahren wird mit der Generaldirektion der RAI vereinbart, dass die Provinz Bozen die bestehenden Infrastrukturen der RAI benützen darf – und umgekehrt auch die RAI die Anlagen des Landes Südtirol. So kann zeit- und kostensparend gearbeitet werden. Dank daher an die anwesenden Vertreter der RAI Bozen: Direktor Longati, Koordinator Perwanger, Chefredakteur Mayr für die stets gute und unkomplizierte Zusammenarbeit.

Am 10. Januar 1975 genehmigt der Südtiroler Landtag den Landesgesetzentwurf zur Errichtung der Rundfunkanstalt RAS. Doch eines ist klar: Ohne die Zustimmung für die kostenlose Überlassung der Programme der vier öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ORF, ARD, ZDF und SRG gäbe es auch keine RAS.

Diese Tatsache soll auch die Wichtigkeit der heutigen Feier unterstreichen. Eine Feier, die – und das möchte ich hervorheben – die die 40 Jahr-Feier der RAS im nächsten Jahr bereits heuer miteinschließt. Das hier ist sozusagen eine Doppelfeier.

Schön ist es, dass diese Utopie Wirklichkeit geworden ist.

Mittlerweile verfügt die RAS über 1.000 Sendeanlagen und überträgt 18 Fernseh- und 20 Radioprogramme aus dem deutsch- und ladinischsprachigen Raum. Das Tätigkeitsfeld der RAS hat sich gerade in den letzten Jahren sehr vergrößert: Dazu kommt die Errichtung von neuen Sendestandorten nicht nur für den Rundfunk und für Funkdienste, sondern vor allem für die immer wichtigere Telefonie, dann der Ausbau von Breitband mit Glasfaser in ganz Südtirol und das Digital-Radio.

Hier besteht der etwas utopisch anmutende Plan für den ununterbrochenen Empfang von Digital-Radio-Programmen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien auf der Achse Kufstein-Gardasee. Ein grenzüberschreitendes Euregio-Projekt. Die Arbeit wird also nicht ausgehen. Aber das junge und motivierte RAS-Team freut sich auf alle diese Aufgaben.

Mein Rück- und Ausblick endet mit einem aufrichtigen Dank an die Vertreter der vier Rundfunkanstalten für ihr großzügiges Entgegenkommen vor 40 Jahren und für die hervorragende Zusammenarbeit bis auf den heutigen Tag.

Sie endet aber auch mit einer Verneigung vor all jenen Menschen, die damals mit Beharrlichkeit, innovativer Kompetenz und diplomatischem Fingerspitzengefühl Hörfunk- und Fernsehsendungen aus dem deutschen und ladinischen Kulturraum nach Südtirol holten. Der Plan wurde damals von vielen Südtirolern als Utopie abgetan. Schön ist es, dass diese Utopie Wirklichkeit geworden ist.

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Willy Pöder Sa., 26.04.2014 - 11:33

Na, das mit dem digitalen Radio von Kufstein bis zum Gardasee ist so eine Sache. Seit gut 15 Jahren arbeitet die RAS an dieser Technik und war bis heute nicht einmal imstande, die Signale der hier zu Lande ansässigen Radios über DAB bzw. DAB+ provinzweit zu verbreiten. Dementsprechend schwach ist der Absatz von derartigen Geräten.
Die bei diversen Gelegenheiten von der RAS über die Medien verbreitete Nachricht, in Südtirol würden die Programme von 40 Sendern, darunter auch jene von Radio Holiday, Radio 2000, Radio Vinschgau, Radio Südtirol etc. verbreitet, stimmt so nicht. Allein der Bozner Talkessel ist dadurch einigermaßen abgedeckt, trotzdem die im DAB-Konsortium zusammengeschlossenen privaten Radios, 7 an der Zahl, an die RAS für den Signal-Verbreitungsdienst jährlich um die 30.000 Euro blechen; demgegenüber sind die ausländischen Sender von derlei Verpflichtungen befreit, obschon auch deren Werbung in Südtirol gehört und ergo wirksam wird.
All dies vorausgeschickt, dürfte das euroregionale Digitalradio wohl ein Traum bleiben, zumal die DAB-Technologie ohnehin längst veraltet ist und in Europa, abgesehen von England und der Schweiz, kaum Anwendung gefunden hat. Offensichtlich muss man den einmal eingeschlagenen Weg wohl oder übel weiterhin gehen, um den bislang betriebenen enormen Aufwand nicht als ungerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Sa., 26.04.2014 - 11:33 Permalink
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Martin B. So., 27.04.2014 - 21:34

Danke Rudi Gamper für diesen sehr schönen Beitrag und allen genannten federführenden Personen mein Respekt und Dank! Heute schwindet zwar die Bedeutung des TV über konventionelle Ausstrahlungstechniken (Funk, Sat), aber bis zuletzt war dies alles ein sehr wichtiges Puzzleteil, damit die Südtiroler Ihre Kultur besser bewahren und schätzen können.
Rudi Gamper sehe ich immer noch als den besten Moderator den wir hatten und der Südtirol im deutschssprachigen Raum nicht nur professionell, sondern vor allem sehr sympatisch vertrat! Danke!!!

So., 27.04.2014 - 21:34 Permalink