Gesellschaft | Migration

Was Sven Knoll nicht sagt

Heute hat das italienische Forschungszentrum IDOS das statistische Jahrbuch zur Einwanderung vorgestellt. Die Zahlen vermitteln ein anders Bild als häufig von Politik und Medien angenommen.
  • In Südtirol beträgt der Bevölkerungsanteil mit ausländischer Staatsbürgerschaft (Stand 2022) 9,7 Prozent, was einem Anstieg von 0,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Das sind 51.723 Menschen. Der Anteil liegt damit wie im Vorjahr über den Werten auf gesamtstaatlicher (8,6 Prozent) und regionaler Ebene (8,9 Prozent). Unter den Menschen mit Migrationshintergrund nehmen die Albaner*innen nach wie vor Platz eins ein. Die deutsche Bevölkerung ist die zweitgrößte Ausländergruppe in Südtirol, es folgen die Pakistaner*innen, Rumän*innen und Marokkaner*innen. Dass die Anzahl der migrierenden Menschen größer wird, zeigt nicht nur der Anstieg des Ausländeranteils in Südtirol, sondern auch weltweit.

    Noch nie haben sich so viele Menschen auf den Weg gemacht wie heute, im Jahr 2022 waren weltweit 108,4 Millionen Menschen gezwungenermaßen auf der Flucht – Ursache davon sind vor allem Kriege und die Folgen des Klimawandels, teilt das Studien- und Forschungszentrums IDOS (Dossier Statistico Immigrazione) im Rahmen der Vorstellung seines Statistischen Jahrbuchs zur Einwanderung 2023 mit. Insgesamt migrierten 295 Millionen Menschen weltweit. 

    „In einer Zeit, in der der Kampf gegen die irreguläre Einwanderung und die Schließung der Grenzen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen, analysiert das Dossier anhand der vorliegenden Daten die Übereinstimmung zwischen den politischen Absichten und der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen, unter denen die verschärfte und auf Asylbewerber*innen ausgeweitete Verwaltungshaft hervorsticht“, erklärt IDOS.

  • (c) IDOS

  • Abschiebungen

    Im Jahr 2022 wurden von den schätzungsweise mehr als 500.000 Ausländer*innen, die sich irregulär in Italien aufhalten – ein Zehntel im Vergleich zu knapp über 5 Millionen Ausländer*innen mit Aufenthaltstitel – nur 36.770 zur Abschiebung verurteilt, das ist laut IDOS etwa jeder 14. Darunter 2.804 Menschen aus Afghanistan und 2.221 aus Syrien. „Sie fliehen aus Ländern, in denen Krieg herrscht und eine große Gefahr für ihre Person besteht“, so IDOS. 

    Davon wurden nur 4.304 (11,7 %) tatsächlich zurückgeführt: Die niedrige Quote liege unter den Werten, die selbst in den Jahren der Corona-Pandemie verzeichnet wurden (15,1 % im Jahr 2021 und 13,7 % im Jahr 2020), als die Reisemöglichkeiten stark eingeschränkt waren. Dass die Abschiebezentren (Centro di permanenza per i rimpatri – Cpr) ihrer Aufgabe gerecht werden, bezweifelt IDOS daher. 

    Auch Südtirols Wirtschaft würde darunter leiden, wenn die Arbeitskraft ausländischer Menschen plötzlich wegfallen würde.

    Die Verlängerung des Gewahrsams und die Ausweitung der CPR oder ähnlicher Einrichtungen würden sowohl zu wirtschaftlichen Kosten führen als auch menschliches Leid verursachen. Das im letzten Jahr verabschiedete Finanzgesetz sieht für den Dreijahreszeitraum 2023 bis 2025 eine Ausgabe von 42,5 Millionen Euro vor, um das CPR-System mit 206 neuen Plätzen zu stärken. 

    „Und weitere Mittel müssen zugewiesen werden, um einen Platz pro Region zu schaffen. Zwischen 2021 und 2023 werden 56 Millionen Euro für die Beauftragung privater Einrichtungen mit der Verwaltung der CPR, wobei die Kosten für das Polizeipersonal und die Wartung der Einrichtungen noch nicht berücksichtigt sind“, erklärt IDOS.

    „Der Übergang von einem Aufnahmemodell, das auf dem Schutz und der Integration von Asylbewerber*innen beruht, zu einem System, das sie isoliert, als irreguläre Einwanderer*innen und als soziale Gefahr behandelt, ist besorgniserregend“, teilt das Studien- und Forschungszentrum in Rom mit. „Anstatt sichere Einreisewege zu fördern, um weitere Tragödien auf See und entlang der Landwege zu verhindern, findet ein Abbau des Asylrechts und des damit verbundenen Aufnahmesystems statt.“

  • Die Lage in Südtirol

    Das statistische Jahrbuch: Es soll einen Überblick über die Migration in Italien geben. Foto: LPA/IDOS

    Im Vergleich zum Vorjahr ist in unserer Provinz ein Anstieg von nur 130 Personen zu verzeichnen, der sich aus der Geburtenrate und dem positiven Wanderungssaldo (+531 bzw. +2.564) sowie aus einem negativen Saldo aus anderen Gründen (-795) ergibt; Zusätzlich dazu erhielten 2.170 Ausländer*innen die italienische Staatsbürgerschaft. Die ausländische Wohnbevölkerung weist eine leichte Überzahl an Frauen und ein jüngeres Durchschnittsalter als die italienischen Staatsbürger*innen auf. 

  • Schule und Arbeitsmarkt

    Im Schuljahr 2022/2023 belief sich die Zahl der an den Schulen des Landes eingeschriebenen Schüler*innen laut ASTAT auf 90.795. Davon haben 12,5 Prozent einen Migrationshintergrund, also 11.383 eingeschriebene Schüler*innen. Der Anteil ist je nach Klassenstufe und Schulsystem (deutsch-, italienisch- und ladinischsprachige Schulen) unterschiedlich.

  • Matthias Oberbacher: „Es ist eine Gruppe, die keine Lobby hat, das hat man auch beim Wahlkampf gesehen.“ Foto: SALTO

    Der Anteil der ausländischen Arbeitslosen beträgt in Südtirol 23,9 Prozent, verglichen mit 16,0 Prozent im italienischen Durchschnitt. „Ausländer*innen verdienen in der Regel 200 bis 300 Euro weniger als die ansässige Bevölkerung, zudem sind die Arbeitsverträge meist befristet“, erklärt Matthias Oberbacher von der Beobachtungsstelle für Integration

    Dennoch machen die Geldtransfers in die Herkunftsländer beträchtliche Mengen aus, erklärt Fernando Biague, Experte für Migrationsphänomene und Mitbegründer des Zentrums für interkulturelle Forschung und Bildung in Brixen. Im Jahr 2022 haben in Italien lebende Ausländer*innen laut der Banca d’Italia 8,212 Milliarden Euro in ihre Herkunftsländer überwiesen, am häufigsten nach Bangladesch, Pakistan und in die Philippinen. 

  • Fernando Biague: „Das macht einen Überschuss von 6,5 Milliarden Euro und widerlegt den weitverbreiteten Glauben, dass Migrant*innen auf Kosten des Staates leben.“ Foto: SALTO

    Aber auch in Italiens Wirtschaft spielen Menschen mit Migrationshintergrund eine wichtige Rolle, erklärt Biague. Zwar erhielten Ausländer*innen im Jahr 2021 insgesamt 28,2 Milliarden Euro an öffentlichen Beiträgen, sie bezahlten im Gegenzug aber 34,7 Milliarden Euro Steuern. „Das macht einen Überschuss von 6,5 Milliarden Euro und widerlegt den weitverbreiteten Glauben, dass Migrant*innen auf Kosten des Staates leben“, so Biague. 

    „Auch Südtirols Wirtschaft würde darunter leiden, wenn die Arbeitskraft ausländischer Menschen plötzlich wegfallen würde“, so Oberbacher. Beide plädieren dafür, dass auch Menschen mit Migrationshintergrund in der Politik vertreten werden. „Es ist eine Gruppe, die keine Lobby hat, das hat man auch beim Wahlkampf gesehen“, sagt Oberbacher. 

  • Das Jahrbuch

    Die aktuellen und offiziellen Daten zur Einwanderung in Italien und in Südtirol finden sich im Statistischen Jahrbuch zur Einwanderung 2023 des Studien- und Forschungszentrums IDOS (Dossier Statistico Immigrazione), das einen umfassenden Blick auf die Entwicklung der Immigration wirft. Es wurde heute (26.10.) italienweit und auch in Südtirol vorgestellt.

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Hartmuth Staffler Do., 26.10.2023 - 16:38

Die von Anna Luther hier wiedergegebenen Statistiken sind interessant und wichtig. Allerdings verstehe ich nicht den angeblichen Zusammenhang mit den Aussagen von Sven Knoll, der meines Wissens diese Statistiken nie geleugnet, sondern durchaus bestätigt hat. Er hat auch, so viel mir bekannt ist, nie etwas gegen Ausländer gesagt, die, wie hier beschrieben wurde, bei uns fleißig arbeiten und Steuern zahlen. Wohl aber hat er die Abschiebung krimineller Ausländer gefordert, die bekanntlich keine Steuern zahlen. Es steht natürlich jedem frei, den Daueraufenthalt für kriminelle Ausländer in Südtirol zu fordern, aber besonders mehrheitsfähig ist eine solche Einstellung nicht.

Do., 26.10.2023 - 16:38 Permalink
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G. P. Do., 26.10.2023 - 16:43

"Komischer" Artikel. Im Titel wird Sven Knoll ganz groß erwähnt, dann kommt er im gesamten Text nicht mehr vor. Seriöser Journalismus schaut anders aus ...

Do., 26.10.2023 - 16:43 Permalink
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Martin Tarshito Fr., 27.10.2023 - 10:15

"Was IDOS sagt"
müsste der Titel heißen. In dieser Form wird der ganze Artikel nur zur plumpen Manipulation. Zumal das, was S Knoll sagt, ja auch nicht vorkommt. Woher soll Leser/in also wissen "was Sven Knoll nicht sagt"?! Wenn es selbst die Autorin nicht weiß!

Fr., 27.10.2023 - 10:15 Permalink
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Andrea Terrigno Fr., 27.10.2023 - 10:56

Egal. Was Sven Knoll und alle anderen nicht sagen:
Migranten sind die Sklaven der Moderne.
Wir, die klug-arrogant daherplappernden Überreichen, brauchen sie um unser System in Funktion zu behalten.
Irgendwie auch, um uns glücklicher, besser zu fühlen, um auf arme Teufel herabzuschauen und sie zu bemitleiden.
Um Ängste zu schüren.
Die Farbe blättert ab, das Gemäuer bröckelt.
Öffentliche Verschuldung der Mehrzahl, private Bereicherung der Eliten.
Die Armen bekriegen sich, irgendwer macht immer Profit.
Populisten malen Teufel an die Medienwände, beschwichtigen gleichzeitig: "die braven Sklaven dürfen bleiben".
Weiterhin weltweit Ressourcen plündern, die Flüchtenden aber sollen heimkehren und dort verrecken, wir wollen sie nicht vor unseren Haustüren sehen.
Nur kurz in den Nachrichten, und dann weiter konsumieren.
Wer sind die echten Kriminellen? Wie werden wir zu dem, was wir sind? Warum werden Symptome mit milliardenteuren Maßnahmen bekämpft (follow the money), und nicht deren Ursachen? Demagogie.
Mahlzeit!

Fr., 27.10.2023 - 10:56 Permalink
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Karl Trojer Fr., 27.10.2023 - 11:45

Das Thema MIGRATION wird uns in den nächsten Jahren zunehmend beschäftigen. Die allermeisten Migranten verlassen ihre Heimat aus Not.
Staaten Europas haben jahrhundertelang insbesondere Afrika als Kolnonialmächte ausgebeutet.
Die Klimakrise wurde und wird im wesentlichen von den industrialisierten Ländern verursacht und verursacht Not bei Unschudigen.
Es ist eine dringende Aufgabe der Europäischen Union durch know-kow-Lieferung und Ansiedlung mittelständischer Unternehmenn in diesen Not-Ländern den Verbleib der Menschen in ihrer Heimat zu ermöglichen. Nur so kann, meines Erachtens, eine akute Zunahme der Flüchtlingsströme verhindert werden.

Fr., 27.10.2023 - 11:45 Permalink
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Salto User
Milo Tschurtsch Fr., 27.10.2023 - 13:08

Auch ich verstehe diesen Artikel überhaupt nicht. Die Autorin vermischt nämlich Grundlegendes, nämlich die Migration aus Arbeitsgründen und die illegale Migration, die, wie schon das Wort sagt, außerhalb des Gesetzes steht. Und genau um diese geht es . Ein Bürger der stets gesetzeskonform handelt schaut mit Unverständnis auf die Auswüchse einer völlig aus dem Ruder gelaufenen ungesetzlichen Einwanderung, wo es überall in Europa rechtsfreie Räume gibt und mafiösen Schlepperorganisationen , nicht nur kein Einhalt geboten, sondern diese noch befeuert werden durch die "Erfolgsquote" solcher ungesetzlichen Handlungen, wobei Europa genau dadurch, dass dies alles zugelassen wird, eine bestimmte Mitverantwortung für die unmenschlichen Bedingungen dieser illegalen Reisetrips nicht ganz abgesprochen werden kann.
Natürlich können alle legal oder illegal Aufhältigen, Straftaten begehen, aber die illegale Migration ist ja schon selbst eine Straftat und die Leute sehen mit Unverständnis und Besorgnis auf die Folgen z.B. unvorhersehbare Bedrohung durch unklare Identitäten und Radikalisierung. Genau dies ist das Problem, das von bestimmten Parteien angesprochen wird und den Menschen aus der Seele spricht.
Deshalb sollte Europa der LEGALEN Migration unter klaren Bedingungen das Wort reden und nicht eine illegale zulassen und somit rechtsfreie Räume schaffen. Damit wäre nicht zuletzt auch den Migranten geholfen, die sich integrieren und mit uns leben wollen.
Parteien die diese Agenda vorantreiben sollten sich europaweit vernetzen.

Fr., 27.10.2023 - 13:08 Permalink