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Peppi Stecher: "Der Vertrauensbruch ist nicht mehr zu kitten"

Ohne Vertrauen geht in der Politik nichts: Warum der Bezirksobmann der Vinschger Freiheitlichen Peppi Stecher seinen Hut nimmt, aber seine Parteimitgliedschaft bewusst verlängert hat.

Herr Stecher, in ihrem Rücktrittschreiben als Bezirksobmann schreiben Sie: Entweder bin ich der falsche Obmann für den Bezirk, oder sie sind die falschen Obleute für die Partei. Alles Konsequenz des Rentenskandals?
Peppi Stecher: Auch. Sagen wir der Rentenskandal hat nun den Ausschlag gegeben. Denn dieser Vertrauensbruch ist nicht mehr zu kitten. Es sind Fehler passiert, die in der Klausur in Terlan sogar zugegeben wurden, aber es gibt keine Konsequenzen. Und wenn das Vertrauen nicht mehr da ist, wird es schwierig Politik zu machen.

Sie waren der einzige, der sich bei der Klausur in Terlan offen für einen Rücktritt an der Parteispitze ausgesprochen hat. Was hätte das geändert?
Ein Rücktritt wäre ein Zeichen dafür, dass man dazu steht, Fehler gemacht zu haben. Doch wenn das nicht passiert, haben wir ein Glaubwürdigkeitsproblem.  Wir haben nicht das Problem, dass die Freiheitlichen im September 2012 bei der Reduzierung der Politikerrenten mitgestimmt haben, das kann man jedem erklären. Das Problem ist, dass  Pius Leitner eine Million Euro einsteckt und niemanden etwas sagt. Das ist der Vertrauensverlust und das höre ich in meinem Gasthaus jeden Tag aufs Neue.

Was hören Sie dort?
Wir haben bei uns im Vinschgau ganz viele Protestwähler gehabt bei den letzten Landtagswahlen., die früher SVP gewählt haben. Und die kommen jetzt alle, und sagen: Wir haben den Pius gewählt, weil wir gedacht haben, er ist der einzig Ehrliche, dabei ist der gleich wie alle andere. Das ist sein  großer Fehler. Dass er nichts gesagt hat und jetzt auch noch daherkommt und erklärt, das ist mein Geld und die Schuld haben die Volkspartei oder die Ebners oder der Geheimdienst – auf jeden Fall die anderen.  So wird das den Funktionären erklärt. Aber zumindest bei den Leuten draußen zieht das nicht mehr. 

Das Problem ist, dass  Pius Leitner eine Million Euro einsteckt und niemanden etwas sagt.

 

Denn in Südtirols Politik gibt es eine Zeit vor dem Rentenskandal und eine  Zeit danach.  Deshalb bin ich fast froh, dass die Freiheitlichen nun bei den EU-Wahlen antreten, auch wenn ich gegen das Bündnis mit der Lega war. Denn wenn sie auch mir nicht glauben und den Funktionären nicht glauben – den Wählern werden sie glauben müssen.

Doch solange wollten Sie mir Ihrem Rücktritt nicht mehr warten?
Nein, ich hab ohnehin lange genug gewartet. Als Obmann muss ich das, was sie unten im Landtag an Denkarbeit fabrizieren schließlich in den Bezirk hinaustragen. Und wenn ich nicht mehr davon überzeugt bin, wird es schwierig. Deshalb: Wenn Sie nicht gehen, muss eben ich jetzt die Handbremse ziehen.

Mir Ihnen hat nun auch der Bezirksrat und Tauferer Gemeinderat Fridolin Wittmer sein Amt niedergelegt. Stehen Sie beide allein da mit ihrer Kritik?
Also ich würde mich nicht getrauen, zu sagen, dass es alle Funktionäre so sehen, doch dem Großteil geht es ähnlich. Unser Bezirksrat besteht aus sechs Leuten, seit dem vergangenen Dezember sind nun bereits vier zurückgetreten.  

Wenn sie auch mir nicht glauben und den Funktionären nicht glauben – den Wählern werden sie glauben müssen.

Also haben die Freiheitlichen ein Vinschger Problem?
Sagen wir, wir haben einen schlechten Stand im Vinschgau, weil wir immer schon stiefmütterlich behandelt worden sind. Wir stellen schon seit drei Perioden den ersten Nicht-Gewählten bei den Landtagswahlen, weil die Parteileitung es nie wert gefunden hat, uns einen anständigen Listenplatz zu geben. Und das obwohl wir allein bei den Gemeinderatswahlen 2010 geschafft haben, von zwei auf 15 Gemeinderäte zu kommen und auch bei den Landtagwahlen in Prozenten nun wieder der zweistärkste Bezirk waren.

Und in den anderen Bezirken geht es besser?
Ich bin jetzt fünf Jahre Bezirksobmann gewesen, und war,  glaube ich, einer der dienstältesten. In Meran hat es in fünf Jahren vier Bezirksobleute gebraucht, im Wipptal waren es in vier Jahren zwei, im Eisacktal in fünf Jahren ebenfalls vier. Auch das ist wohl symptomatisch. Natürlich, kann  kann man jetzt sagen, die waren halt alle „neben die Schuach“ – oder man erkennt, dass es woanders ein Problem gibt.

Ein großes Problem ist sicher, dass das  ganze Parteisystem ganz stark auf die Marke „Pius und Ulli“ ausgelegt ist.

Und wo liegt das Problem?
Ein großes Problem ist sicher, dass das  ganze Parteisystem ganz stark auf die Marke „Pius und Ulli“ ausgelegt ist. Seit Jahren wird nur mehr auf diese Marke gesetzt – mit dem Ergebnis, dass Pius und Ulli den Karren nun gegen die Wand gefahren haben und die Marke tot  ist. Und jetzt  haben wir die  Schwierigkeiten. Denn statt einer Pyramide wurde ein Turm gebaut. Der ist  zwar oben ganz stark ist mit dem Führungsduo und den anderen Landtagsabgeordneten. Doch wenn ich unten zwei Steine rausziehe, fängt das Ganze zu wackeln an. Und das ist für die Partei tödlich.

Also, es wurde zu wenig auf die Basis gesetzt?
Das wurde so richtig bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr deutlich. Bis dahin waren wir wirklich wie eine große Familie, in der jeder ehrenamtlich und mit Begeisterung gearbeitet hat. Aber sobald dann die Wahlen begannen, und es um Posten ging, ist die Stimmung irgendwie gekippt.

Warum?
Auch wegen der Art der Kandidatenfindung. Die ist bei den Freiheitlichen Dimensionen weg von den Vorwahlen bei der Volkspartei. Da werden irgendwann Namen auf den Tisch gebracht und dann wird abgestimmt. Uns hat man zum Beispiel einfach den Sigmar Stocker vorgesetzt als Senatskandidaten für den Bezirk Burggrafenamt und Vinschgau – ohne Rücksprache mit Bezirksfunktionären oder Gemeinderäten. Und das war nicht nur bei uns so.  Aber all das hätten wir irgendwie weggesteckt und trotz Enttäuschung noch mal durchgestartet. Aber als nun  die Rentenkrise gekommen ist, wurde es einfach zu viel.

Es wird bei den Freiheitlichen auch eine Zeit nach Mair und nach Leitner geben; eine Zeit, in der auch ein normales Mitglied wieder eine Stimme hat. Man muss nur lange genug warten können.

Sind Sie nur als Bezirksobmann zurückgetreten oder verlassen Sie auch die Partei?

Ich bleibe nach wie vor Mitglied der Partei, ich bin nur nicht mehr bereit unter den Bedingungen Verantwortung zu übernehmen. Aber ich habe erst vor drei Wochen meine Mitgliedschaft wieder verlängert. Bewusst. Denn es wird bei den Freiheitlichen auch eine Zeit nach Mair und nach Leitner geben; eine Zeit, in der auch ein normales Mitglied wieder eine Stimme hat. Man muss nur lange genug warten können.