Kultur | Gastbeitrag von Irene Dejaco

What is left? Was es heißt, Links zu sein in Italien

Gustav Hofer und Luca Ragazzi lieben Italien. Mit Vorbehalt. Wie Seismographen erfassen die Regisseure gesellschaftliche Erschütterungen und drehen mit leichter Hand feine Dokumentarfilme.

2007 zeichnete das homosexuelle Paar aus ihrer persönlichen Betroffenheit heraus ein Bild des homophoben Italien im Kampf gegen die DICO-Gesetzesvorlage. Ein paar Jahre später sind die beiden der Job- und Wohnungssuche, sowie der unglaubwürdigen Politiker überdrüssig und klappern in einem alten Fiat 500 den Stiefelstaat ab, auf der Suche nach Gründen, denselben nicht zu verlassen. In „Italy, love it or leave it“ nehmen die Negativschlagzeilen überhand, aber weder Rubygate noch  Betonskelette gelingt die Vertreibung aus dem (verlorenen) Paradies. Sie bleiben und reisen und filmen.

In „What is left?“, dem letzten Teil der Italien-Trilogie  zeigen sie auf gewohnt subtil-ironische Weise, wer heute zur Linken gehört und, um dem Wortspiel zu folgen, was von ihr übrig ist. Hofer und Ragazzi arbeiten auch hier nach dem bewährten Schema, sie führen Interwievs, fügen witzige Animationen ein zum besseren Verständnis komplizierter Zusammenhänge und dimmen den Frustrationspegel runter mit anrührend humorvollen Einblicken in ihre Privatsphäre.

Wirklich bissig werden die bekennenden Linken nie. Wie in einem Gänseblümchen-Liebesorakel zupfen sie an den sozialistischen Blütenblättern, bis keine mehr da sind. Will heißen, alle großen Parteien, auch die DC wurden im Laufe der Jahre vom links verorteten Partito Democratico (PD)verschluckt. Eindeutige Antworten, was heute Links sein bedeutet, gibt weder der Mann von der Straße (fare i bravi casalinghi) noch die „What is left“ Quizshow mit einer bestechenden Antonella Arseni im Russenlook, die ihren Kandidaten keine klare Ja/Nein Aussage abringen kann.

Bei einer Kundgebung stoßen die Filmemacher auf den „devono andare tutti a casa“ brüllenden Beppe Grillo, und Antonio Gramsci, dem Vater der Kommunistischen Partei, gewähren sie einen Cameo-Auftritt inmitten dicht gedrängter Wahlplakate. In geradezu visionärer Vorahnung vermutet Luca Pokerface im neuen PD-Vorsitzenden Matteo Renzi einen Mann mit herausragenden Eigenschaften. Junge Abgeordnete kommen zu Wort wie Celeste Costantino, der Frauenthemen am Herzen liegen oder der erst 25jährige Enzo Lattuca, der überzeugt ist „solange es Ungleichheit gibt, braucht es eine Linke“. Dann wäre da noch die Beteiligung der Bürger notwendig, um Veränderungen zu bewirken. Die nimmt der Südtiroler Parzival ernst bis hin zum recycelten Toilettenpapier, während der abgeklärte Römer lakonisch meint: „Von den Bürgern halte ich nicht viel, die haben es in fünf Jahren nicht mal geschafft, die Sprechanlage im Kondominium auszutauschen!“

Eine Doku über den politischen Status Quo ohne das obligate Bauchgrimmen?! Das tut gut, denn dass die Linke auch ganz anders kann, erleben wir brandaktuell auf der Krim. Gustav and Luca, we love you guys!