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Gesellschaft | Flüchtlinge

Heute bin ich weg

Fünf Millionen Syrer sind auf der Flucht, 25 strandeten in Südtirol. Wie Menschen vor ihrer Heimat flüchten und welche Gefahren sie dabei in Kauf nehmen.

“Wo die 25 syrischen Flüchtlinge,die am Montag, 26. August am Brenner aufgehalten worden sind, sich im Moment aufhalten, weiß ich nicht”, sagt Leonhard Voltmer, Dienstleiter der Caritas-Flüchtlingsberatung. Er habe nie Kontakt zu ihnen gehabt. “Sie müssen innerhalb von fünf Tagen ihr Aufenthaltsrecht hier begründen”, meint Voltmer, es sei aber anzunehmen, dass die Flüchtlinge inzwischen Italien verlassen haben. Das sei ihr gutes Recht, sie hätten ja nichts verbrochen. Eine Rückblende: Am Montag, dem 26. August, wurden 25 syrische Flüchtlinge in einem Zug nach Innsbruck am Brenner aufgehalten. 15 Flüchtlinge waren minderjährig. Die österreichischen Grenzbeamten verwießen die Syrer zurück nach Italien. In der Bozner Quästur wurden erkennungsdienstliche Fotos angefertigt und den Flüchtlingen Asylanträge nahegelegt.

Das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) vermutet ca. 43 Millionen Menschen auf der Flucht. Zu beachten ist dabei, dass rund 85 Prozent der Flüchtlinge nicht in der Lage sind, die eigene Staatsgrenze zu überschreiten und es sich deshalb um “Binnenflüchtlinge” handelt.

Übers Meer

Aber wie läuft eine solche Flucht nun eigentlich ab? Was unternimmt etwa eine syrische Familie aus Aleppo, wenn sie ein Leben aus Gewehrsalven und Mörsergranaten nicht mehr ertragen will? Dabei spielen einige wesentliche Faktoren eine Rolle. Denn Möglichkeiten, das Land zu verlassen gibt es viele, diese auch zu nutzen ist für die meisten jedoch schwer. Ist die Familie wohlhabend und hat Verwandte oder Bekannte in Europa, dann heuert sie wahrscheinlich eine Schlepperorganisation an. Diese soll die Familienmitglieder für viel Geld aus dem Land schaffen. Der Plan könnte sein, in einen EU-Staat zu reisen und dort den erlernten Beruf oder die Ausbildung wieder aufzunehmen. Wenn sich die Lage in Syrien wieder stabilisiert, könne man doch wieder zurück. Sofern das Haus noch steht. Aber Achtung: Schlepperbanden kümmern sich nicht um das Wohlbefinden ihrer menschlichen Ladung und haben auch keine Skrupel, sie allein auf dem Mittelmeer zurückzulassen. In jenem Gewässer ließen seit Anfang der Neunziger bereits tausende Männer, Frauen und Kinder ihr Leben. Und wenn sich die Familienmitglieder keine Überfahrt nach Europa leisten können? Dann geht es eben zu Fuß weiter. Bis nach Libanon, Ägypten, Jordanien oder in die Türkei. Falls sie solange durchhalten.

Im Flüchtlingslager

Sobald man in diesen Ländern endlich ein Flüchtlingslager ereicht, sollte das Leben folglich lebenswerter sein. Dem ist aber meistens nicht so. Die meisten Flüchtlingslager sind hoffnungslos überfüllt, nimmt man die Türkei als Beispiel. Das heißt im Klartext, dass dem größten Teil der Flüchtlinge nichts anderes übrig bleibt, als außerhalb des Lagers zu leben. Und das könnte sich im Winter problematisch gestalten. Eine weitaus humanere Art zu flüchten ist immer noch die “legale”: Man reist in ein Land als vermeintlicher Tourist ein und beantragt ein Visum. Wenn dieses verfällt, tritt man dennoch nicht die Heimreise an, sondern verlängert seinen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Natürlich ohne die Behörden mit einzubinden. Die 25 Syrer, die den österreichischen Beamten am Montag ins Netz gegangen sind, gehören wahrscheinlich zu jenen Flüchtlingen, die organisiert nach Europa einreisen. Es wird vermutet, dass Schlepper dahinter stecken und die Reise arrangierten. Solche Personen agieren jedoch stets im Hintergrund.

Probleme im Exil

Ob nun ein Tutsi vor dem Genozid in Ruanda floh, ein Jude aus Nazi-Deutschland, ein Afghane vor der Taliban oder ein Syrer vor dem aktuellen Bürgerkrieg. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind Menschen, die aus politischen Motiven verfolgt werden oder deren Leben in Gefahr ist, auch wenn sie sich noch im eigenen Land aufhalten. Somit sind sie politische Flüchtlinge. Wer allerdings den Status eines Flüchtlings erhält und wer nicht, entscheiden nicht die betroffenen Personen, sondern die Genfer Flüchtlingskommission und europäische bzw. nationale Rechtsvorschriften. Länder, von denen Migranten Asyl erwarten, da sie aus humanitären Gründen bereits einreisen durften, müssen deshalb nicht immer Gnade vor Recht walten lassen. Das gilt insbesondere für sogenannte Klima- und Wirtschaftsflüchtlinge. In Europa ist die Bezeichnung “Illegale Einwanderer” für Menschen ohne Flüchtlingsstaus aus diesem Grund weit verbreitet. Aufenthaltsgenehmigungen müssen nämlich von einem Staat nicht automatisch ausgestellt werden. Besitzen Flüchtlinge nun den Flüchtlingsstatus, dürfen sie aber immer noch nicht ihr neues Leben beginnen. Sechs Monate dauert es in Italien bis sie arbeiten dürfen, Asylanträge können oftmals ganze zwei Jahre in Anspruch nehmen.

Keine Flüchtlingswelle

In Südtirol gibt es drei Flüchtlingsheime. Ein Angebot, keine Pflicht, für Flüchtlinge hier Fuß zu fassen. Werden durch den Bürgerkrieg in Syrien mehr Flüchtlinge hier Zuflucht suchen? Das ist nicht zu erwarten. Der Krieg dauert nämlich mittlerweile zwei Jahre und eine Flüchtlingswelle blieb bis dato aus. Viele Flüchtlinge sehen Südtirol auch nur als Durchzugsland. Es kommt allerdings öfters vor, dass sie am Brenner wieder zurückbeordert werden. Wie zum Beispiel am Montag. Fünf Millionen Syrer trafen die Entscheidung, ihrer Heimat den Rücken zuzukehren. 25 von ihnen landeten im beschaulichen Südtirol. Ein Leben in Würde wünschen sich solche Menschen. Fernab von Krieg, Hunger und Not.