Politik | Sanitätsreform

Das vergessene Risiko

Die geplante Schließung der Geburtenabteilungen in den kleinen Krankenhäusern hat einen konkreten Hintergrund: Es geht um die Haftungsfrage und den Versicherungsschutz.

Er will namentlich nicht genannt werden. Doch der Arzt, der in einem peripheren Südtiroler Krankenhaus arbeitet, weiß wovon er redet. „Das Problem ist, dass unsere Politiker Protokolle unterschrieben haben, die sie anscheinend nicht gelesen haben“, meint er durchaus sarkastisch. Das Resümee ist für den Fachmann vernichtend: „Wir werden schon bald keine Versicherung mehr finden, die die Geburtenabteilungen in den kleinen Krankenhäusern und die dortigen Ärzte versichert“.

Der Aufschrei
Gesundheitslandesrätin Martha Stocker versucht sich derzeit an einer politischen Herkulesaufgabe: der Reform des Südtiroler Sanitätswesens. An diesem Vorhaben sind bereits zwei ihrer Vorgängen Otto Saurer und Richard Theiner gescheitert. Aus den angekündigten Reformen wurden Reförmchen, die zwar verwaltungstechnische Neuerungen brachten, aber kaum als echte klinische Neuordnung angesehen werden können.
Der Knackpunkt, der bisher von der Politik tunlichst ausgeklammert wurde, ist der Umbau und die teilweise Schließung der Kleinspitäler. Dieses Vorhaben will Martha Stocker jetzt umsetzen. Doch auch diesmal braust in- und außerhalb der SVP ein Sturm der Entrüstung auf. Allein die Ankündigung der geplanten Schließungen der Geburtenabteilungen in den Krankenhäusern von Sterzing und Innichen führt zu Protesten und einem Aufschrei. Die Landesrätin weilt deshalb am Dienstag zu einer Aussprache mit den Bürgermeistern in Innichen.

Der Hintergrund
Dabei dürfte Martha Stocker einen Aspekt der Reform ansprechen, der bisher nur in der Aussprache innerhalb der SVP-Parteileitung angedeutet wurde. Es ist eines der Hauptargumente für die Schließung der Geburtenabteilungen in den Kleinspitälern innerhalb der Arbeitsgruppe, die diese Reform ausgearbeitet hat.
In den letzten Jahren haben sich die gesetzlichen Vorgaben deutlich geändert. Südtirol hat im Sanitätswesen nur sekundäre Gesetzgebungsbefugnis, das heißt, dass man sich an die staatlichen und europäischen Vorgaben halten muss. Der frühere Gesundheitslandesrat Richard Theiner, aber auch die alte und neue Landesregierung haben in der Staat-Regionenkonferenz mehrere Protokolle unterschrieben, in der auch die Standards für das Sanitätswesen definiert werden. Zuletzt im August 2014. In den Protokollen werden klare Vorgaben gemacht, wie eine Struktur ausgelastet und aufgebaut sein muss, um als Geburtenabteilung bestehen zu können. Dabei geht es nicht nur um die Anzahl der Geburten, sondern um die gesamte medizinische Betreuung und Organisation in den Kleinspitälern. "In den Prokollen werden genaue gesetzliche Vorgaben definiert, die wir bis 2016 umsetzen müssen", sagt der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Andreas Fabi.

Die Gefahr
Schaut man sich diese Vorgabe genauer an, so wird schnell klar, dass die kleinen Geburtenabteilungen in Sterzing, Innichen und durchaus auch in Schlanders, diesen Standards nicht entsprechen. Etwa die ständige Anwesenheit eines Anästhesisten. Weil Südtirol die staatlichen Vorgaben aber per Unterschrift mit ratifiziert hat, kann man sich jetzt hier nicht mehr durch Südtiroler Sonderregelungen herauswinden.
Brisant wird das ganze vor allem versicherungstechnisch. Krankenhäuser, Abteilungen und Ärzte müssen gegen Schadensfälle versichert werden. Genau das wird jetzt aber schwierig. „Die Versicherungen gehen nach den staatlichen Vorgaben vor“, sagt der Arzt, „deshalb gibt es hier kaum Spielraum“. Mehrere Versicherer haben die Verantwortlichen bereits auf dieses Risiko hingewiesen.
In der Arbeitsgruppe im Südtiroler Sanitätsbetrieb hat man offen darüber diskutiert, was passiert, wenn es in einer dieser Geburtenabteilungen zu einem ernsten Zwischenfall kommt. „Ich möchte dann nicht in der Haut dieser Ärzte und der Verantwortlichen stecken“, sagt einer der Beteiligten.
Andreas Fabi bestätigt diese Befürchtungen. "Noch sind wir abgedeckt, doch gehen wir davon aus, dass die Versicherungegesellschaften die Einhaltung dieser gesetzlichen Vorgaben verlangen werden."
Zudem gibt es noch eine andere Angst. Passiert etwas, dann wird der Staatsanwalt tätig. Und der kennt keine Südtiroler Sonderbestimmungen.
 

 

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Willy Pöder Di., 30.09.2014 - 14:03

Versagter Versicherungsschutz? Nein, das ist nun wahrlich kein glaubwürdiges Argument zur Begründung für die Schließung der Geburtenabteilung in den Kleinspitälern, abgesehen davon, dass für Mängel an der Struktur und allenfalls daraus erwachsender Ansprüche Dritter bestimmt nicht die Ärzteschaft zur Verantwortung gezogen werden kann. Diese ist hingegen von einem Berufsrisiko behaftet. Das zu versichern ist nun wahrlich kein Problem - auch für jene Ärzte nicht, die in den Geburtenabteilungen unserer Kleinspitäler arbeiten. Der Arzt ist nicht immer und für alles verantwortlich. Wenn beispielsweise das Not-Stromaggregat auch noch ausfällt und der Operateur seine Arbeit unterbrechen muss, wird ihn kein Staatsanwalt der Welt ob grober Fahrlässigkeit oder Inkompetenz zur Verantwortung ziehen, es sei denn, der selbst ist inkompetent.

Di., 30.09.2014 - 14:03 Permalink