Umwelt | Gülle

Wiedersehen in sechs Monaten?

Der Kompromiss in Sachen Gülle ist gefunden – doch zufrieden sind beileibe nicht alle. Alles ein Farce, wie Andreas Riedl vom Dachverband für Natur und Umwelt fürchtet?

Eigentlich wäre ein solch trockenes Thema für Fachzeitungen wie den Südtiroler Landwirt geeignet. Wie viel Gülle darf auf welchen Flächen in Natura-2000-Gebieten ausgebracht werden? Wie viel Großvieheinheiten dürfen Bauern, die Glatt- und Goldhaferweisen der Kategorie C bewirtschaften? Dass am heutigen Mittwoch dennoch gleich zwei Landesräte der vollständig versammelten Presse mit Stolz den Kompromiss präsentierten, der am Vortag von der Landesregierung abgesegnet worden war, zeugt vom Symbolcharakter des Gülle-Streits. Landwirtschaft gegen Naturschutz - spätestens seit das Thema Pestizide das Land spaltet, ist das ein Reizthema, das weit über Fachkreise hinaus für Diskussionen sorgt. Umso zufriedener zeigten sich Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler und Umweltlandesrat Richard Theiner über die Lösung des Streits. Als „Schulterschluss zwischen Naturschützern und Landwirtschaft“, wurde das nun gefundene Vier-Säulen-Modell gefeiert. „Dieses Thema hat die Zusammenarbeit zwischen unseren Abteilungen intensiviert“, erklärten die beiden Landesräte. „Wir müssen das ökologische Gleichgewicht in unsere wertvollen Natura-2000-Gebieten erhalten“, erklärte Richard Theiner. „Doch das geht nicht, wenn wir nicht auch die Auswirkungen auf jene berücksichtigt werden, die diese Flächen seit Jahrhunderten bewirtschaften.“

1282 Hektar Wiesenflächen gibt es in Südtirols Natura-2000-Gebieten. Für sie gilt das Verschlechterungsverbot laut der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie der EU. Theoretisch davon betroffen, sind 900 landwirtschaftliche Betriebe, die Flächen in den geschützten Gebieten haben. Nur 400 davon haben dort aber zumindest 10 % ihrer Betriebsfläche; mit 140 muss man sich aufgrund „konsistenter Flächen“ tatsächlich genauer beschäftigten, erklärte  der Direktor des Amtes für Landschaftsökologie Peter Kasal. Sie müssen laut dem nun gefundenen  Kompromiss sogenannte Düngepläne erstellen, sich also einer Beratung und Begleitung unterziehen und zum Beispiel Ausbringzeiten und -mengen sowie die beschickten Flächen dokumentieren. Darüber hinaus sollen ihre Flächen laufend und stichprobenmäßig evaluiert werden, sprich kontrolliert werden, ob keine Verschlechterung des ökologischen Zustandes eintritt.

Grünes Licht für Gülleausbringung

Um den Landwirten diese bittere Medizin schmackhaft zu machen, gibt es aber gleich einige Zuckerlen. Allen voran die politische Festlegung einer hohen Viehbesatzzahl von 2,4 Großvieheinheiten je Hektar, angesichts der die Südtiroler Biologenvereinigung und der Dachverband für Natur- und Umweltschutz aufjaulen. Vor allem, weil sie nicht nur für die bisher intensiv genutzten Flächen der Kategorien A und B vorgesehen ist, sondern auch für die als Kategorie C eingestuften mäßig intensiv genutzten nährstoffreichen und ausgewogenen Wiesen gelten soll. Darunter fallen laut Kasal mit 600 Hektar rund die Hälfte der Natura-2000-Flächen. Diese können – trotz des Schutzstatus, der eigentlich ein generelles Gülleverbot vorsehen würde - nun intensiver gedüngt werden als Wiesen im Bioanbau oder Wiesen, für die EU-Prämien vorgesehen sind, kritisiert die Biologenvereinigung. Sie stellt gar ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren von Seiten der EU in Aussicht. Denn mit solch einer intensiven Düngung drohe die Biodiversität und der Blumenreichtum dieser besonders geschützten Gold- und Glatthanfwiesen innerhalb weniger Jahre unwiederbringlich verloren zu gehen, warnen die Biologen.

Weit gelassener sieht dies Gülle-Mediator Matthias Gauly. Dank der laufenden Evaluierungen und Kontrollen schließt er eine Verschlechterung aus. Sollte sich eine solche tatsächlich abzeichnen, könne eine Anpassung der Bewertungsgrundlage vorgenommen werden, erklärte er. Schrittweises Sammeln von Erfahrungswerten für die unterschiedlichen Flächen, individuelle betriebliche Lösungen, aber auch Überzeugungsarbeit dafür, sensible Flächen in der C-Klasse in die Landschaftspflege überzuführen: Das ist die Richtung, mit der man nun aus dem erbitterten Streit im letzten Jahr herausfinden will. Dass es vor allem von Seiten des Naturschutzes dennoch Kritik hagelt, wertet der Uni-Professor zumindest teilweise als Fehleinschätzung. „Sobald die Evaluierungsmaßnahmen greifen, werden auch jene damit leben können, die heute unglücklich über manchen Wert sind“, meinte er.

"Dieser Beschluss ist eine Farce"

Skeptisch reagiert dagegen auch Andreas Riedl vom Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Ihn macht vor allem stutzig, dass die Maßnahmen in zwei Schritten verabschiedet werden. Während den Bauern mit dem gestrigen Beschluss der Landesregierung grünes Licht für das Ausbringen von Gülle gegeben worden sei, sollen die Details für die weiteren drei Säulen – also Düngepläne, Evaluierungsmaßnahmen sowie Begleitforschung - erst von einer Expertengruppe erarbeitet werden. Spätestens in sechs Monaten will die Landesregierung dann dazu einen zweiten Beschluss fassen. „Dieser Beschluss ist eine Farce, um den Bauern zu ermöglichen, ihre Gülle auszubringen“, kritisiert der Geschäftsführer des Dachverbandes. Zwei Jahre nachdem die entsprechenden Managementpläne erarbeitet hätten werden müssen, würde man nun zugeben, dass man nichts in der Hand habe. „Gerade weil die Werte fehlen und die Bauern selbst nicht einmal wissen, zu welcher Kategorie ihre Wiesen zählen, sollte man vorerst möglichst wenig zulassen statt maximal aufzumachen“, ist er überzeugt.Denn: Welcher Bauer lässt sich in einem halben Jahr davon überzeugen, auf die Landschaftsprämie umzusteigen, wenn er dank des hoch angesetzten Viehbesatzes mit Milch mehr verdienen kann, fragt Andreas Riedl. Seine Befürchtung: Nachdem den Bauern die Ausbringung der Gülle erlaubt wurde, werde man nun wieder versuchen, die anderen Maßnahmen auf die lange Bank zu schieben. „Was in  sechs Monaten tatsächlich vorliegt, ist erst zu sehen“, meint er. Zwei Landesräte und ein Universitätsprofessor sind nun gefordert, solche Sorgen zu entkräften.

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DervomBerge Tratzer Mi., 23.03.2016 - 22:05

Uni Prof. Matthias Gauly schließt Verschlechterungen aus.
1. Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage könnte er diese ausschließen?
2. Bezweifle ich stark, dass ein Nutztierwissenschaftler und Veterinär eine hohe Kompetenz in Agrarökologie aufweist.

Ich vermute eine Instrumentalisierung des Profs. durch die zuständigen Landesräte. Also das gleich wie immer, seit eh und jeh!!!

Mi., 23.03.2016 - 22:05 Permalink