Chronicle | Fall Kammerlander

Hans Kammerlander in der Schublade

Hans Kammerlander ist prominent. Hans Kammerlander passiert ein Unfall. Im Licht der Öffentlichkeit zu stehen macht Freude, sagt Gustav Thöni. Aber oft auch sehr viel Druck. Schneller als einem lieb ist, geht eine Schublade auf, sie wird geschlossen. Und oft lange Zeit nicht wieder geöffnet.

Hans Kammerlander hatte Alkohol getrunken, und das nicht wenig. Mit 1,48 Promille stieg er am Dienstag, 26. November, in seinen Kleinbus der Marke Mercedes und fuhr los. Es sollte eine Schicksalsfahrt werden, für ihn, noch mehr aber für den, auf den er traf. Ein Zusammenstoß auf der Uttenheimerlänge kostete dem 21-jährigen René Eppacher sein junges Leben.

Seit 4. Dezember liegen die Blutwerte Kammerlanders vor. Möglicherweise wird der Test wiederholt, da die 1,48 Promille knapp an der entscheidenden Marge von 1,5 vorbeischlitterten. 1,5 Promille bedeutet eine Haftstrafe von sieben Jahren, das Strafausmaß kann auf 15 Jahren ausgedehnt werden. Offen ist nach wie vor die Schuldfrage. Dass Kammerlander ins Ermittlungsregister eingetragen wurde, ist reine Formalität, ganz normal. Doch normal ist für den Bergsteiger seit einer Woche nichts mehr. Sein Leben auf dem Kopf. Wie das Leben von René Eppachers Angehörigen und Freunden.

„Es war auch eine Einschränkung“
Prominent sein ist kein Kinderspiel. Richtige Worte und Taten zur rechten Zeit, Gustav Thöni, der Südtiroler Skistar der 70er Jahre hat seine aktive Karriere schon länger beendet. Mit seiner Familie leitet er heute das Hotel „Bella Vista“ in Trafoi, ein neuer Lebensabschnitt mit 63 Jahren. Wie war das für Thöni, das Prominent-Sein, das ihn mit knapp 20 Jahren ereilte? „Es war eine schöne Zeit damals, aber es war auch oft anstrengend. Ja, eine Einschränkung war es. Man hatte ja kaum ein Privatleben, dauernd wollten Leute ein Autogramm, wollten mit mir Reden. Ja, und wenn man dann einmal gefeiert hat, als junger Mensch, wenn man eine Hetz machen wollte, dann wusste es danach jeder.“

"Es ist sehr schlimm"
Hans Kammerlander wird am 6. Dezember 57 Jahre. Den Bonus der ungestümen Jugend kann er für sich nicht mehr einstreichen. Müssen Bedacht und Umsicht irgendwann siegen, Vernunft vor Tollerei gehen? Aus Bergsteigerkreisen rund um Hans Kammerlander ist es still geworden. Man möchte nicht zu viel sagen, eines ist Hans Peter Eisendle, dem Bergführer aus Sterzing, wichtig in den Raum zu stellen: „Ob das dem Kammerlander passiert ist, oder jemand anderem, das ist immer eine ganz schlimme Situation. Nur weil jemand bekannt ist, trägt er nicht mehr Verantwortung. Jeder Mensch ist für das verantwortlich, was er tut. Und, dass in Südtirol zu viel getrunken wird, und dass sich viele dann auch noch hinter das Lenkrad setzen, das wissen wir doch alle. Das wird immer noch als etwas Männliches gesehen.“

Schwarzer Peter - nur für die Promis
Haben Menschen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen, mit ihrem Auftreten, ihren Werten, die sie vermitteln wirklich gleich viel Verantwortung wie jeder andere Bürger im Land? „Wenn einem Prominenten etwas passiert“, sagt Eisendle, „dann kriegt der sofort den schwarzen Peter zugeschoben. Steht für eine gewisse Zeit im Blickfeld aller. Einem anderen Menschen wäre so etwas, wie diese Hetzjagd, die nun auf den Hans veranstaltet wird, nicht passiert.“ Gustav Thöni wiegt ab: „Natürlich erregen Prominente mehr Aufsehen. Und das ist manchmal übertrieben. Gleichzeitig glaub ich aber schon, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Man muss einfach wissen, wie man sich aufzuführen hat.“

Einem anderen Menschen wäre so etwas, wie diese Hetzjagd, die nun auf den Hans veranstaltet wird, nicht passiert.“  (Hans Peter Eisendle)

Ein lieber ungenannt bleibender Sportler, der Hans Kammerlander vor zwei Tagen im Brunecker Krankenhaus besucht hat, sagt nur so viel: „Jeder kehre vor seiner eigenen Tür. Und jeder soll hoffen, dass ihm so etwas nie passiert." Er ist hin- und hergerissen, "alles sehr schrecklich. Wie es dem Hans geht? Das ist eigentlich eine blöde Frage.“ Ein Star am Boden, die Trauer über die ganze Entwicklung groß, „ich bin zutiefst erschüttert“, schrieb der Bergsteiger am 2. Dezember auf Facebook. In diesen Tag wird Kammerlander aus dem Brunecker Krankenhaus entlassen.

Hans Peter Eisendle schließt mit den Worten: „Es ist sehr tragisch was da passiert ist. Und es tut mir sehr leid. Zuerst einmal für die Familie, die einen Sohn verloren hat. Dass ein junger Mensch gestorben ist, das ist schrecklich. Aber auch für den Hans tut es mir leid, denn der muss mit der Tragödie jetzt leben.“ „Das Ansehen ist wohl dahin, auch wenn der Kammerlander nicht schuld ist“, meint Thöni. Alkohol am Steuer und Unfall mit Todesfolge. Die Schublade ist offen, viele haben sie längst zugeschmissen. Einem Prominenten, einem Idol, einem Vorbild die kalte Schulter gekehrt.
Und wer, kehrt vor der eigenen Tür?

 

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Christian Mair Thu, 12/05/2013 - 16:18

Prominent oder nicht prominent ist einerlei.
Das ganze sollte eine Debatte über Kavaliersdelikte (auch in Zeiten nach dem cavaliere), Verantwortung und vor allem Prävention von Alkoholerkrankung führen.
Es braucht dazu eine öffentliche Debatte, sowie Kontrolle durch die Exekutive.
Hans Kammerlander kann seine Prominenz nutzen und vor Risikogruppen über das Thema sprechen (Skibar, Volksfest....).

Thu, 12/05/2013 - 16:18 Permalink
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Oskar Egger Fri, 12/06/2013 - 07:38

Ganz abgesehen davon, dass ich noch nie begreifen konnte, warum Extremsportler die menschliche Elite oder Prominenz darstellen sollen und ich nicht finde, dass sich da jemand je besonders beispielhaft gezeigt hat, (der Rest passiert ausschließlich in den Köpfen der sogenannten Fans und im Kommerz), ist Alkohol am Steuer etwas, das nicht jedem passieren kann/muss (so die ganz Schlauen), weil es der intelligenzbedingten Wahlmöglichkeit des Menschen unterliegt.

Fri, 12/06/2013 - 07:38 Permalink