Cultura | Fußball-WM 2014

Bozen: Ist Fußball wichtiger als Musik?

Empörung in Südtirols Musikszene über die Ausnahmeregelung der Gemeinde Bozen für die Fußball-WM: Für deren Übertragung dürfen die Lokale bis in die frühen Morgenstunden offen halten, bei Konzerten ist dagegen um 23 Uhr Schluss.

Alles Fußball“ heißt es von 12. Juni bis 13. Juli, wenn in Brasilien die besten Nationalteams um den Weltmeistertitel kämpfen. Ein Motto, das in Südtirols Musikszene für Empörung sorgt – zumindest wenn es um das Streitthema der Sperrstunden von Lokalen geht. Denn die werden für die WM vorübergehend außer Kraft gesetzt – zumindest laut einer Ausnahmeregelung der Gemeinde Bozen, die die Bars und Vereinigungen erlaubt, die WM-Spiele öffentlich auf Großbildschirmen zu übertragen. Aufgrund der Zeitverschiebung heißt dies, dass die Lokale in manchen Fällen bis fast 5 Uhr morgens geöffnet haben dürfen.

Für Live-Musik ist dagegen weiterhin um 23 Uhr Schluss – und oft auch schon davor, weil meist schon ein Telefonat bei den Ordnungshütern ausreiche, um ein Konzert von einer Minute auf die andere abbrechen zu müssen, wie einige bekannte MusikerInnen des Landes in der Montag-Ausgabe des Alto Adige kritisieren. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen“, empört sich beispielsweise Andrea Maffei. „Stört etwa die Übertragung der Spiele bis 5 Uhr in der Früh die Menschen nicht, die um 7 Uhr wieder aufstehen müssen?“ „Alles außer Konzerte ist in dieser Stadt möglich“, sagt dort auch Agostino Accarrino, bekannter Frontman der Spolpo Blues Band. „Kultur hört in Bozen beim Fußballspiel auf, darüber hinaus ist man nie gekommen.“ Skandalös findet die Vorzugsschiene für den Fußball auch der Bozner Perkussionist Max Castlunger. „Musik stört nicht, sie vereint“, sagt er. Umso lächerlicher sei eine Sperrstunde von 23 Uhr für Live-Konzerte – noch dazu in Bozen, das sich gerne als internationale Universitätsstadt  sieht.

Unisono das Urteil aller Befragten: Für Live-Musik wird die Situation in der Landeshauptstadt immer schwierger.  Immer umfangreicher die nötigen Genehmigungen und Verbote, immer geringer die Auswahl an Plätzen und Lokalen, an denen Konzerte überhaupt noch möglich sind. „Es ist eine Tatsache, dass man  aus Bozen raus muss, um Live-Musik machen zu können“, sagt die Sängerin Greta Marcolongo. Wesentlich willkommener sei man da in kleineren Nachbarorten wie Leifers oder St. Jakob. „Doch gerade für junge Leute ist es nicht immer einfach, dorthin zu kommen“, so Marcolongo. Die Konsequenz? Angesichts des fehlenden Angebots „hängten viele Jugendliche einfach herum, trinken und machen, was wir alle wissen“, wie Andrea Maffei meint.

Zumindest für einen Monat gibt es nun mit Fußball-Übertragungen während der ganzen Nacht eine Alternative. Ob dies gerechtfertigt ist? Dazu werden in den kommenden Wochen wohl nicht nur die MusikerInnen der Stadt Stellung beziehen.