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„Es ist keine Nische mehr“

Elisa Nicoli ist einer der bekanntesten Greenfluencer in Italien. Die Boznerin über den Boom von scheinbar nachhaltigen Produkten, TikTok und Kreativität.
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Foto: Privat
salto.bz: Frau Nicoli, Sie sind einer der bekannsten Greenfluencer in Italien. Was bewegt Ihre Follower am meisten?
 
Elisa Nicoli: Ich spüre in meiner Community eine Angst vor der Zukunft, denn es gibt ein riesiges Problem auf unserer Erde. Sie möchten ihre Lebensweise ändern, weniger Müll produzieren und bessere Sachen kaufen. Vor der Pandemie war etwa Plastik das meist diskutierte Umweltthema, jetzt ist es die Klimakrise. Hier versuche ich anzusetzen und Hilfe an die Hand zu geben. Es ist super kompliziert und es gibt so viele Unternehmen, die immer wieder Greenwashing betreiben. Es ist sehr schwierig, mit den richtigen Unternehmen zusammenzuarbeiten und sie auf meinen Kanälen auf Instagram, TikTok, Youtube und Facebook vorzustellen. Schließlich möchte ich, dass meine Follower mir vertrauen können. Deshalb investiere ich sehr viel Zeit in die Recherche und arbeite mit Expertinnen und Experten zusammen. Ich verstehe, dass normale Menschen für so etwas keine Zeit haben.
Als ich in Rom in einem besetzten Haus gelernt habe, Seife zu machen, waren die Leute meist Hippies.
Das ist ein Problem, oder?
 
Das ist ein Problem. Ich hoffe, dass die Europäische Union in Zukunft Greenwashing gesetzlich unterbinden kann. Es darf nicht sein, dass auf der Verpackung mit Nachhaltigkeit geworben wird, obwohl es nicht der Realität entspricht. Die ersten Schritte dafür wurden bereits unternommen.
 
 
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
 
Sehr chaotisch. Das Schwierige an meiner Arbeit ist, dass ich immer super kreativ sein muss. Ich bin eine kreative Person, aber es ist unmöglich, jeden Tag kreativ zu sein. Manchmal sitze ich auf dem Sofa und mir fällt nichts ein. Ich sammle deshalb auf meinem Handy Ideen, die ich dann nutzen kann. Auch die Community schlägt mir Ideen vor, die ich gerne aufgreife, weil ich denke, dass die Bedürfnisse und Fragen vieler Menschen ähnlich sind.
Ursprünglich entstand der Trend der Kurzvideos auf TikTok, aber er ist auf alle anderen sozialen Medien übergeschwappt.
Welche Inhalte teilen Sie auf den sozialen Medien?
 
2016 erstellte ich ein Profil namens ‚autoproduco‘ auf Instagram zu Selbstversorgung. Ich fing mit Fotos und Captions an, später drehte ich auch Tutorials, aber noch ohne mein Gesicht zu zeigen. Davor habe ich als Journalistin und Dokumentarfilmerin gearbeitet, es war anfangs sehr schwierig, meine Inhalte in einen Beitrag von 60 Sekunden zu packen. In diesen Beiträgen gebe ich wissenschaftlich fundierte Tipps für einen nachhaltigeren Lebensstil. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass Kurzvideos mit meinem Gesicht am besten laufen. Ich teile sie auf allen meinen Kanälen. Ursprünglich entstand der Trend der Kurzvideos auf TikTok, aber er ist auf alle anderen sozialen Medien übergeschwappt.
 
Wie hat sich die Sensibilität zu Umwelt- und Klimathemen in den letzten Jahren in Italien geändert?
 
Aus meiner Berufserfahrung, die vor etwa 15 Jahren begann, weiß ich, dass es früher noch viel weniger Möglichkeiten gab, nachhaltige Produkte zu kaufen. Heute bieten auch multinationale Konzerne nachhaltige Produkte an. Es ist keine Nische mehr. Auch die Zielgruppe meiner Kurse zu Selbstversorgung ist in den letzten Jahren breiter geworden. Als ich in Rom in einem besetzten Haus gelernt habe, Seife zu machen, waren die Leute meist Hippies.
 
Wie verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?
 
Ich habe das Problem, dass ich den Menschen versuche klarzumachen, gebrauchte Sachen zu kaufen und minimalistisch zu leben. Gleichzeitig verdiene ich aber Geld damit, die Produkte von Unternehmen zu bewerben. Deshalb schaue ich mir die Unternehmen genau an. Ich bewerbe ihre Produkte nur, wenn ihr gesamtes Produktsortiment nachhaltigen Kriterien entspricht. Beispielsweise habe ich das Angebot von Jaguar abgelehnt, ihr E-Auto zu bewerben. Denn ihr Produktsortiment besteht zum Großteil aus großen Autos, die nicht elektrisch fahren. Was bringt es, wenn ein Unternehmen sich nicht für die Folgekosten für Mensch und Umwelt interessiert, aber aus wirtschaftlichen Gründen nun ein nachhaltiges Nischenprodukt auf den Markt bringt, das reiche Menschen haben wollen?
In einer patriarchalen Gesellschaft kümmern sich leider noch immer Frauen um den Haushalt und meine Tipps drehen sich genau um diese alltäglichen Aufgaben.
Wie ist Ihre Reichweite gestiegen?
 
Heute folgen mir auf TikTok, Facebook und Youtube ungefähr 20.000 Leute, auf Instagram knapp 100.000. Heute ist Nachhaltigkeit zum Glück auch in der Berichterstattung ein Thema. Da ich nun in Italien eine große Reichweite habe, sind fünf große Verlagshäuser auf mich zugekommen und fragten mich, ob ich ein Buch für sie schreiben möchte. Als ich nur 7.000 Follower hatte, konnte meine Agentin keinen Verlag für mein elftes Buch finden. Jetzt sind sie plötzlich interessiert. Das finde ich nicht gut.
 
 
 
Wie würden Sie diese Entwicklung im Rückblick beschreiben?
 
Vor dem ersten Lockdown folgten mir hauptsächlich Frauen auf Instagram, die mehr zu Selbstversorgung wissen wollten. Vor der Corona-Pandemie stieg meine Reichweite konstant, in einem Jahr ungefähr 10.000 Follower. Aber ich hatte das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Ich fühlte mich wie eine frustrierte Hausfrau. Als ich auf Einladung im italienischen Fernsehen aufgetreten bin, wurde ich immer als die Frau abgestempelt, die alles selbst produziert. Das wollte ich nicht mehr und änderte im Jahr 2022 meinen Namen.
 
Wie haben Sie Ihren neuen Namen ausgewählt?
 
Ich bin nicht so gut darin, Namen zu finden. ‚Eco narratrice‘ war die Idee meines Mannes. Sie fiel ihm ein, als er die Ofentür aufmachte. Ich kann mich noch genau darin erinnern (lacht). Seit ich ‚eco narratrice‘ heiße, glaube ich mehr an mich und nehme mich auch ernster. Einige Videos von mir gingen viral, in einem Monat kamen 40.000 Follower dazu. Ich habe keine Ahnung, wie Instagram funktioniert. Jetzt werde ich jedenfalls viel stärker wahrgenommen. Meine Dokumentarfilme haben sich im Vergleich dazu nur 300 Leute angesehen. Mein berühmtestes Buch konnte 10.000-mal verkauft werden.
 
Sind Ihre Follower meist weiblich?
 
Zu 80 Prozent ja. In einer patriarchalen Gesellschaft kümmern sich leider noch immer Frauen um den Haushalt und meine Tipps drehen sich genau um diese alltäglichen Aufgaben. Die Männer sind mehr an technologischen Themen interessiert, wie Energieeffizienz, Photovoltaik oder Elektromobilität. Das ist ein gesellschaftliches Problem, auch wenn die jüngeren Generationen nun anders denken.
 
 
Wieso beschränken Sie sich auf Lifestyle-Tipps? Braucht es nicht auch politischen Widerstand gegen das Ignorieren der Klimakrise?
 
Ich habe immer nur mit Lifestyle-Tipps gearbeitet. Es ist wichtig, dass jeder Verantwortung übernimmt. Es braucht die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Medien und die Politik. Ich denke aber, dass mir Lifestyle-Tipps am besten liegen und ich darin spezialisiert bin. Aber es braucht auch den politischen Widerstand wie Fridays for Future oder Extinction Rebellion.
 
Sie haben Ihr neues Buch angesprochen. Was können Sie uns darüber verraten?
 
Noch nicht viel (lacht). Das Buch soll meine ersten zehn Bücher zusammenfassen und erscheint voraussichtlich im September.
 
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Barbara Pichler Rier Mer, 02/08/2023 - 12:17

"Elisa Nicoli ist einer der bekanntesten Greenfluencer in Italien." Auch wenn Frau Luther gegen eine gerechte Sprache ist, gegen das gendern, was weiss ich? dieser Satz ist einfach falsch. Elisa Nicoli ist eine der bekanntesten Greenfluencerinnen!

Mer, 02/08/2023 - 12:17 Collegamento permanente
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Barbara Pichler Rier Mer, 02/08/2023 - 12:17

"Elisa Nicoli ist einer der bekanntesten Greenfluencer in Italien." Auch wenn Frau Luther gegen eine gerechte Sprache ist, gegen das gendern, was weiss ich? dieser Satz ist einfach falsch. Elisa Nicoli ist eine der bekanntesten Greenfluencerinnen!

Mer, 02/08/2023 - 12:17 Collegamento permanente