Società | Zukunft

Die CLIL-Zweifel

Freiheitliche und Schützenbund sehen den von der Landesregierung geförderten Unterrichtsansatz zum Lernen von Sprache und Sachfächern kritisch. LR Achammer beschwichtigt.

Acht Klassen, an die 160 Schülerinnen und Schülern, deren ihre Eltern sowie 16 Lehrpersonen. Das waren die Teilnehmer an mehreren Pilotprojekten des Unterrichtsansatzes CLIL in ganz Südtirol. Hinter dem Kürzel CLIL verbirgt sich der englische Ausdruck “Content and Language Integrated Learning” – ein “pädagogischer Ansatz, in dem eine zweite Sprache für die Vermittlung und das Lernen von Sachfächern und von Sprache mit dem Ziel eingesetzt wird, sowohl die Beherrschung des Sachfaches als auch der Sprache zu fördern”. So heißt es aus dem deutschen Schulamt. Den Zuständigen dort liegt diese Art des Sachfachunterrichts besonders am Herzen. Aus diesem Grund hat 2013 die damalige Schullandesrätin Sabina Kasslatter-Mur die eingangs erwähnten Pilotprojekte gestartet. Über zwei Schuljahre lief das CLIL-Experiment, nun liegt die Evaluierung vor. Doch nicht alle sind mit den Folgen, die sich daraus ergeben, zufrieden.


Mehr CLIL auf Druck?

Die Pilotprojekte dienten dazu, festzustellen, wie Schüler, Eltern und Lehrer mit der CLIL-Methode zufrieden sind und ob sie daraufhin ausgebaut werden soll oder nicht. Sowohl vor als auch nach der Durchführung wurden die drei betroffenen Zielgruppen befragt. Das Ergebnis: Ein Großteil der Involvierten sehen den zeitbegrenzten Unterricht von Nichtsprachenfächern in Italienisch, Englisch oder einer anderen Fremdsprache mit der CLIL-Methode als gewinnbringend an. Das verkündete der Landesrat für die deutsche Schule Philipp Achammer am 12. Jänner dieses Jahres. Aufgrund des positiven Feedbacks hat die Landesregierung am selben Tag beschlossen, dass der Unterricht mit der CLIL-Methode künftig bereits ab der zweiten Oberschulklasse möglich sein wird. Bisher war er nur für die vierten und fünften Klassen vorgesehen. Bei der Entscheidung, ob eine Schule ein CLIL-Projekt einführen will oder nicht, soll auch den Eltern und Schülern ein Mitspracherecht gewährleistet werden. Doch es regt sich bereits erste Kritik.

Die Freiheitliche Landtagsabgeordnete Tamara Oberhofer hat im Rahmen der Landtagssitzung von vergangener Woche die Aushändigung der Fragebogen-Exemplare angefordert, auf denen die Evaluation zum großen Teil basiert. Nun hat sie ihrerseits die Fragebögen der Schüler und Lehrer evaluiert und kommt zum Schluss: Die Objektivität der Beurteilung ist “nicht garantiert”, die gesamte Studie daher “mehr als fragwürdig”. Sie erklärt: “Es muss beanstandet werden, dass sowohl Schüler, als auch Lehrer ihren Namen auf den Fragebögen eintragen mussten. Somit war die Befragung nicht anonym, was bei einem solchen Thema sicherlich das Ergebnis beeinflusst. Durch eine nicht gewahrte Anonymität ist nicht nur die Neutralität der Bewertung hinfällig, auch die Angst vor Konsequenzen erhält einen zu großen Spielraum.”

Welcher Schüler will unter Angabe seines Namens ein Projekt schlecht bewerten, das von seinen Lehrern befürwortet wird? Welcher Lehrer will unter Angabe seines Namens ein Projekt schlecht bewerten, das von seinem Direktor befürwortet wird? Und welcher Direktor möchte schon viele schlechte Bewertungen zu einem Projekt, das von der Landesregierung befürwortet wird?
(Tamara Oberhofer)

Umgehend kontert der zuständige Landesrat. “Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern haben im Rahmen der durchgeführten Erhebung das CLIL-Projekt als positiv bezeichnet", schreibt Philipp Achammer in einer Aussendung. Dabei stehe es selbstverständlich jedem frei, derartige Ergebnisse anzuzweifeln: “In aller Entschiedenheit sind jedoch die Vorwürfe zurückzuweisen, wonach die Erhebung unter Einschüchterung oder Beeinflussung entstanden sei.” Für ihn lässt das Gesamtergebnis “keinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Methode offen”, insbesondere da gezielt auch die kritischen Aspekte herausgearbeitet worden seien.


Sinnvoll und autonomiefreundlich soll es sein

Neben seiner deutlichen Zurückweisung von Oberhofers Zweifeln muss Landesrat Achammer in der selben Aussendung an einer zweiten Front antworten. Der Südtiroler Schützenbund hatte nämlich kritisiert, dass CLIL “klar den Artikel 19 im Autonomiestatut” verletze und “im krassen Widerspruch dazu” stehe. In besagtem Art. 19 steht zum Recht auf Unterricht in der Muttersprache: “In der Provinz Bozen wird der Unterricht in den Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen in der Muttersprache der Schüler, das heißt in italienischer oder deutscher Sprache, von Lehrkräften erteilt, für welche die betreffende Sprache ebenfalls Muttersprache ist (…)”. Auf diese Stelle berufen sich die Schützen, wenn sie schreiben: “Im CLIL-Immersionsunterricht wird hingegen der Sachfachunterricht ein Semester lang eben nicht in der eigenen Muttersprache unterrichtet.” Daher fordern sie, den CLIL-Unterricht im Sinne des Autonomiestatuts – “die größte Errungenschaft Achammers großen Vorbilds Silvius Magnago” – unverzüglich auszusetzen.

“Der Sachfachunterricht CLIL widerspricht nicht dem im Autonomiestatut festgeschriebenen muttersprachlichen Prinzip”, so die klare Antwort des Landesrats. Achammer erinnert an den CLIL-Grundlagenbeschluss, den die Landesregierung am 8. Juli 2013 verabschiedet hat. Und der die rechtliche Basis für die CLIL-Pilotprojekte bildet. Der Beschluss sieht “eine Überprüfung und Bewertung der in einer anderen Sprache erworbenen Kenntnisse in der Muttersprache” vor. Demnach müssen die Schüler jene Kompetenzen, die sie auf der Grundlage der Inhalte, die in einer anderen Sprache behandelt werden, erwerben, auch in der Muttersprache beherrschen. Dies zu überprüfen ist Aufgabe und Pflicht der Fachlehrperson. “In diesem Sinne werden gemäß Artikel 19 des Autonomiestatuts die in einer anderen Sprache vermittelten Kenntnisse und erworbenen Kompetenzen mit dem Unterricht in der Muttersprache aufeinander abgestimmt”, heißt es in den Richtlinien zum CLIL-Unterricht auch.

Den eingeschlagenen Weg will Philipp Achammer unbeirrt weitergehen. Und entlang der Straße den einen oder anderen Zweifler überzeugen. Gelegenheit dazu nimmt sich der Bildungslandesrat am kommenden Montag, 15. Februar. Dann soll nämlich die bisher unter Verschluss gehaltene Evaluation der CLIL-Pilotprojekte der Öffentlichkeit präsentiert werden.