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Wird eine 31-Jährige Bürgermeisterin in Turin ?

Die junge Unternehmerin Chiara Appendino hat gute Chancen, in Turin den altgedienten Bürgermeister Piero Fassino zu besiegen - als untypische M5S-Kandidatin.

Einer breiten italienischen Öffentlichkeit ist sie unbekannt. Das könnte sich freilich schon bald ändern. Denn Chiara Appendino hat gute Chancen, mit 31 Jahren zur ersten Bürgermeisterin einer italienischen Großstadt aufzusteigen. Die Unternehmerin aus Turin gilt als untypische Vertreterin der Fünfsterne-Bewegung.

Ihr Vater war Chef des Hi-Tech-Unternehmens Prima, das dem piemontesischen Confindustria-Präsidenten Gianfranco Carbonato gehört. Appendino kommt nicht aus der alternativen Szene, sondern aus einer bürgerlichen Turiner Familie. An der Mailänder Wirtschafthochschule Bocconi promovierte sie mit Auszeichnung in economia internazionale e management - als Studienkollegin des INPS-Präsidenten Tito Boeri.  Auf die Politik stiess die mit dem Unternehmer Marco Lavatelli verheiratete Ökonomin eher zufällig: "Un giorno mi sono fermata ad una bancarella del M5S al mercato di Porta Palazzo." Ein Jahr später stand sie auf der Kandidatenliste für den Gemeinderat. Als Fraktionssprecherin nervte sie Bürgermeister Piero Fassino mit einer Flut von Vorschlägen zur Moralisierung der Politik. Fassino: "Non abbiamo bisogno di una Giovanna Arco della pubblica moralità." Doch der Ex-Minister könnte sich täuschen. Denn Appendino, die im Familienunternehmen ihres Mannes arbeitet und seit wenigen Wochen Mutter eines Mädchens ist, wird für den altgedienten Politiker zu einer gefährlichen Konkurrentin. Im Wahlkampf pflegt sie ihren eigenen Stil. Die M5S-Gründer Grillo und Casaleggio hat sie nie getroffen, mit Luigi Di Maio nie gesprochen. Von rabiaten Fünfsterne-Vertreterinnen wie Roberta Lombardi und Paola Taverna trennen sie Welten.  Dass römische Gemeinderatskandidaten einen umstrittenen Vertrag unterzeichnen müsse, der sie bei Abweichen von der offiziellen Linie Grillos zur Zahlung von 150.000 Euro zwingt, hält sie  für unangebracht: "Per fortuna il nostro territorio è autonomo. Non prenderemo quel documento per applicarlo a Torino."

Chiara Appendino setzt vor allem auf Innovation - mit einem bisher in Italien einmaligen Modell: "Torino uscirà venerdí con un bando pubblico per la ricerca degli assessori. Un metodo coraggioso e innovativo, perché faremo conoscere agli elettori i nomi della giunta prima del voto." Eine im kommunalpolitischen Chaos Bozens unvorstellbare Prozedur.  In ihrem Aufruf "Per una città aperta"  erläutert die Bürgermeisterkandidatin ihre Initiative:

Per essere in grado di valutare in modo compiuto a quale persona assegnare la loro fiducia, i cittadini debbano avere la possibilità di valutare tanto i programmi quanto le persone che saranno chiamate a realizzarli.ll metodo che abbiamo scelto vuole coniugare la massima apertura al merito con la responsabilità politica del candidato Sindaco a cui spettano, per legge, le nomine di giunta. Avere, infatti, a disposizione, potenzialmente, tutte le professionalità e le capacità presenti in Torino non implica che la scelta che il candidato Sindaco dovrà assumere sia meno responsabile.
Al contrario, avendo la possibilità di presentare agli elettori la squadra di governo prima delle elezioni, consentirà a ciascuna cittadina e a ciascun cittadino di valutare in modo chiaro e completo la qualità della proposta politica.

Appendinos politische Leitlinien sind in dem Buch "La città solidale, per una comunità solidale" nachzulesen, das sie mit ihrem Sprecher Paolo Giordana geschrieben hat.

Die fünfsprachige Unternehmerin, die gerne Fußball spielt und die Berge liebt, verfolgt mit ihrer konsequenten Politik ein hoch gestecktes Ziel: die Absetzung des politische Establishments. Den langjährigen PD-Chef Piero Fassino könnte sie das Fürchten lehren. Ihre Initiative, erklärt sie lächelnd, sei keine Revolution, sondern ein eher banaler Vorgang: "Si tratta di una metodologia tanto banale quanto disattesa dalla politica e dalla prassi dei partiti, che affidano le poltrone sulla base delle percentuali elettorali, con il manuale Cencelli."