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Von Förderungen und Forderungen

Der Landtag hat am Dienstag Abend das neue Mediengesetz abgesegnet. Was drin steht, wie es weiter gehen soll und worüber man sich bis zum Schluss nicht einig war.

Der Landtag hat am späten Dienstag Abend mit 17 Ja, 12 Nein und 2 Enthaltungen das neue Mediengesetz verabschiedet. Am Ende der Sondersitzung, die eigens einberufen wurde und sich über mehr als sechs Stunden hinzog, stand kurz vor 21 Uhr fest: Nach über 13 Jahren hat Südtirol ein neues Gesetz, das das Kommunikationswesen regelt. Die rege Diskussion, die im Landtag dazu stattfand, beweist: Die Überarbeitung des alten Gesetzes war mehr als überfällig. “Es war an der Zeit, sich in der Medienentwicklung neu zu orientieren”, bestätigte Arno Kompatscher im Anschluss an die Sitzung des Landtags. Doch die Freude des Landeshauptmanns teilen nicht alle.

Von den knapp 30 eingereichten Abänderungsanträgen der Minderheit wurden nur ganze drei angenommen – ein Streichungsantrag von Ulli Mair (Freiheitliche) und zwei Anträge von Andreas Pöder (Bürgerunion). Alle weiteren lehnte der Landtag ab. Dabei hatte die Opposition gar einiges auszusetzen.


Das Mediengesetz

Konkret geht es in dem vom Landeshauptmann persönlich eingebrachten Gesetz um die Förderung der privaten Südtiroler Medien. Aber auch die institutionelle Kommunikation des Landes wurde darin untergebracht. In Art. 1 wird die Absicht des Gesetzes erklärt. Man hat sich zum Ziel gesetzt, “den Medienpluralismus sowie die sprachliche und kulturelle Vielfalt in Südtirol zu stärken und ein unabhängiges, vielfältiges, ausgewogenes und flächendeckendes Informationsangebot zu gewährleisten”. Art. 2 und 3 betreffen den Beirat des Kommunikationswesens, sprich, dessen Zusammensetzung und Funktionsweise. In Art. 4 wird die institutionelle Kommunikation des Landes geregelt, also welche Informationskanäle die Provinz Bozen nutzt. Erst in Art. 5 kommt die eigentliche Medienförderung zur Sprache – wer überhaupt um Beiträge ansuchen kann und welche Voraussetzungen dazu erfüllt werden müssen. Art. 6 sieht die Gewährung von Verlustbeiträgen vor, während Art. 7 die Begünstigten und die Höhe der Förderbeiträge bestimmt. Im letzten Artikel, Art. 8, geht es schließlich um die Finanzbestimmungen. Eine Million Euro sind darin als insgesamt auszuzahlender Förderbetrag für 2015 festgelegt.


Die Kommentar-Diskussion

Das alles überschattende Thema in der dienstäglichen Landtags-Diskussion war der Buchstabe f) des Art. 7. In diesem war ursprünglich vorgesehen, dass jene Sender und Portale, die “Online-Kommentare und Leserbriefe diskriminierenden Inhalts gegen Einzelpersonen und Personengruppen zulassen” von der Liste der förderwürdigen Medien gestrichen werden. Eine Klarnamenregelung hätte Hetz-Kommentaren ein für alle Mal den Garaus machen sollen Dieser Passus hatte bekanntlich für hitzigen Diskussionsstoff in der Öffentlichkeit und insbesondere in der Internet-Community gesorgt. Was Dieter Steger und Arno Kompatscher schließlich dazu bewog, einzulenken und die Stelle umzuschreiben. “Die Klarnamenregelung ist nicht umsetzbar”, gestand Kompatscher ein, “und wir wollen auch nicht inhaltlich eingreifen.” Sondern? “Uns geht es darum, im Land ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Es soll weiterhin polemische, kritische und ironische Kommentare geben”, ist der Landeshauptmann überzeugt. Allerdings müsste dabei ein Mindestmaß an Regeln eingehalten werden.

Wenn es öffentliche Beiträge gibt, dann hat die Öffentlichkeit das Recht, dass öffentliche Kommentare öffentlich stattfinden. (Sven Knoll, Süd-Tiroler Freiheit)

Den Kompromissvorschlag, den man erarbeitet hat, erklärte Dieter Steger: “Wir wollen die Diskussionskultur in Onlinemedien, die oft unter der Gürtellinie stattfindet, nicht unterstützen. Daher sagen wir: Wenn ein Online-Portal öffentliche Fördergelder haben will, müssen allen voran die Nutzungsbedingungen auf der Seite veröffentlicht werden. Als zweiten Schritt sollen sich die User über ein persönliches passwortgeschütztes Benutzerkonto registrieren müssen. Und schließlich müssen die Portale dem Landesbeirat für Kommunikation eine für ihre Foren verantwortliche Person mitteilen, diese also moderieren.” Auf die Kritik aus den Oppositionsreihen – während Paul Köllensperger vor dem “Ende der Diskussionskultur” warnte sowie einen Rückgang der Online-Kommentare um 90 Prozent voraussagte und Andreas Pöder von einem “Medien-Maulkorb” sprach, beharrten die Freiheitlichen auf die Einführung der Klarnamenregelung – antwortete Landeshauptmann Kompatscher: “Es geht nicht darum, dass wir uns anmaßen zu bestimmen, was man sagen darf und was nicht – das wäre Zensur. Aber wir wollen uns nicht zu Komplizen für Hassbotschaften, Diskriminierungen, Beleidigungen und Verleumdungen machen. Unser Anliegen ist es, die Diskussionskultur zu heben und auch Personen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, zu schützen.” Dabei dürfe nie vergessen werden, dass es sich beim Internet keineswegs um einen rechtsfreien Raum handle, wiederholte Kompatscher des öfteren. “Doch die Grenzen dessen, was geäußert werden darf, legt das Strafrecht fest – und nicht das Mediengesetz.”

Ein großer Dank an die kleinen Medien des Landes, die für Vielfalt sorgen. (Pius Leitner, Freiheitliche)

Mehrmals unterstrich der Landeshauptmann das, was auch zahlreiche Oppostionsvertreter aufwarfen: “Es geht darum, dass in Südtirol ein Bewusstsein darüber entsteht, dass auch im Internet Regeln des Anstands gelten sollten.” Er zeigte sich überzeugt davon, dass bereits die Debatte der vergangenen Tage und Wochen dazu beigetragen habe, dass eine “werte- und demokratiefördernde” Diskussion entstanden sei.


Die Kritik

Uneins war man sich dann auch in der Opposition darüber, ob nur Medien, die eine gewisse Anzahl von professionellen Journalisten angestellt haben, Förderungen erhalten sollen. “Kleine Portale können sich das oft nicht leisten”, gab Paul Köllensperger zu bedenken. Auch Brigitte Foppa von den Grünen sprach sich dafür aus, auch Herausgeber, die nicht imstande seien, “Redaktionen wie gewünscht” zu haben, zu fördern – “im Sinne der Meinungsvielfalt”, so Foppa. Die Freiheitlichen hingegen forderten eine “Mindestausstattung von Journalisten” für die Redaktionen des Landes: “Eine gewisse Anzahl von Journalisten zu beschäftigen, ist ein Qualitätsmerkmal für die Medien. Ansonsten wird nur das Prekariat gefördert”, vermutete Ulli Mair. Auch Andreas Pöder schlug in dieselbe Kerbe: “Journalistisch akkurate und qualitativ hochwertige Arbeit kann nur von ausgebildetem Personal gemacht werden.”

Ein gut gelungenes Gesetz, prägnant und modern. Es entspricht der heutigen Zeit. (Oswald Schiefer, SVP)

Mehr Einigkeit zeigten die Vertreter der Minderheit im Landtag schließlich bei der im Gesetz vorgesehenen Definition von “förderwürdigen Inhalten”. Zehn am Tag sollen etwa Online-Portale veröffentlichen, um Anspruch auf Beitragsgelder zu haben. Zu den “förderwürdigen Inhalten” zählen laut Art. 5 Buchstabe g) “selbst produzierte Programme oder Online-Artikel”. So weit so gut. Doch der Teufel liegt für die Opposition wie so oft im Detail. Denn Buchstabe i) desselben Artikels liefert die Definition von “selbst produziert” nach. Demzufolge sollen auch von Agenturen verfasste und eingekaufte Nachrichten darunter fallen. Unverständlich, etwa für Brigitte Foppa und Paul Köllensperger. “Die Agenturmeldungen müssen aus dem Gesetz rausgenommen werden”, forderte der 5-Sterne-Vertreter. Einen Schritt weiter geht Foppa: “Man sollte das Element des Rechercheaufwands einführen, der für einen Artikel betrieben wird. Ein zusätzliches Förderkriterium könnte die Mehrsprachigkeit der Inhalte sowie der Pluralismus der Meinungsdarlegung sein”, schlug die Grüne Landtagsabgeordnete vor.

Ein altmodisches Gesetz mit Standards aus einerer anderer Zeit. Es wird nicht lange halten. (Brigitte Foppa, Grüne)

Eine weitere Forderung ihrer Partei hätte mehr Transparenz in Sachen institutioneller Werbung bringen sollen. “Mit den Anzeigen, die das Land in den Medien schaltet, soll der Geldbetrag, der dafür ausgegeben wurde, sichtbar veröffentlicht werden”, verlangten die Grünen. Spezielle Förderungen für Medien, die in ihrer Berichterstattung die Europaregion Tirol berücksichtigten, dieser Vorschlag kam von der Süd-Tiroler Freiheit. Weniger Spielraum für die Landesregierung und somit geringere politische Einflussnahme verlangte Paul Köllensperger. Mit dem Mediengesetz, das nun verabschiedet wurde, werden nämlich nur Rahmenbedingungen definiert. Erst eigene Durchführungsbestimmungen werden Details regeln und Förderrichtlinien vorgeben. “Mit Hilfe eines schlanken Gesetzes und detaillierten Durchführungsbestimmungen kann man schneller und unkomplizierter auf eventuelle neue Bedürfnisse und Anforderungen reagieren”, so die Erklärung von Landeshauptmann Kompatscher. Geplant ist, dass bereits im Oktober die Durchführungsbestimmungen genehmigt werden sollen – damit die Medien noch um Förderung für das laufende Jahr ansuchen können. Doch vor der Genehmigung sollen die Bestimmungen den Vertretern von Medien und Journalistengewerkschaften sowie den Landtagsabgeordneten vorgestellt und diskutiert werden.

Wir Politiker müssten das Fünffache verdienen, um uns gewisse Kommentare gefallen lassen zu müssen. (Andreas Pöder, Bürgerunion)

Im Falle des neuen Mediengesetzes war das offensichtlich nicht passiert. Zumindest die Abgeordneten hätten erst aus den Medien Details über die anstehende gesetzliche Neuerung erfahren. Und kaum Zeit gehabt, ausreichend zu diskutieren, geschweige denn sorgfältig Änderungsanträge vorzubereiten. So die Kritik im Minderheitenbericht, der im Vorfeld der Debatte am Dienstag veröffentlicht wurde. Diese sollte sich die Landesregierung wohl zum Anlass nehmen, nicht nur an der Diskussionskultur im Internet, sondern auch grundlegend etwas an ihrer eigenen Kommunikationsfähigkeit ändern zu wollen.

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gorgias Mer, 09/23/2015 - 11:37

Was versteht man unter persönliches passwortgeschütztes Benutzerkonto? Genügt es das der Registrant Nutzerbestimmungen zustimmt in denen er sich verpflichtet das Konto ausschließlich selbst zu benutzen oder bedeutet dies das das Internetportal nachverfolgen können muss dass es sich um nur eine Person handelt, was gleichbedeutend wäre mit einer Identifizierung?

Mer, 09/23/2015 - 11:37 Collegamento permanente
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Christoph Moar Mer, 09/23/2015 - 12:03

In risposta a di Christoph Moar

Hmmm. Scheint, dass alle technischen Details mit Dekret der Landesregierung nachgereicht werden. Da die Wortprotokolle der Sitzung noch nicht online sind, kann man auch nicht raushören, was die Regierung für Pläne hat. Vielleicht haben die Journalisten von Salto hierzu live was mitgehört? Wer Zeit hat, kann hier die Sitzung im Video/Audio mithören und dann berichten...

http://www.landtag-bz.org/de/datenbanken-sammlungen/video-archiv-detail…

Mer, 09/23/2015 - 12:03 Collegamento permanente
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Christoph Moar Mer, 09/23/2015 - 12:19

Zitat 5SB: „Künftig werden nur jene Online Portale noch Förderungen erhalten, die ihre Nutzer zu einem komplizierten Registrierungsvorgang zwingen, samt Sicherheits-Kode via SMS. Dies wird nicht zur erhofften Verbesserung der Diskussionskultur in den Online Foren beitragen, sondern zu einem dramatischen Rückgang der User die in Zukunft noch an den Online - Debatten auf den Südtiroler Portalen teilnehmen werden. Übrig bleiben werden die wenigen notorischen Kommentar-Schreiber und jene, die auf den Social Media wie Facebook posten, auf welchen die Hasskommentare weiterhin wie gehabt weiterbestehen werden - eine Verhinderung der Diskussion, wohl kaum eine Verbesserung der Diskussionsqualität“.

Gegen das Gesetz haben gestimmt:
Bürgerunion, 5SB, STF, Grüne, F, AAnelCuore.
Der Gesetzentwurf wurde mit 17 Ja, zwölf Nein bei zwei Enthaltungen genehmigt.

Die Details werden wohl mit Dekret der Landesregierung ans Tageslicht kommen. Persönlich bedaure ich das für alle, die hier anonym mitdiskutieren. Und auch für diejenigen, die ganz allgemein die Anonymität im Internet für schützenswert halten (mich eingeschlossen).

Ich hoffe, die Landesregierung erkennt den Unterschied zwischen Pseudonymen, die nur von der Exekutiven aufgelöst werden können versus personenbezogenen Daten, die auch von Systemadministrator eingesehen werden können.

Mer, 09/23/2015 - 12:19 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mer, 09/23/2015 - 14:56

"Wir Politiker müssten das Fünffache verdienen, um uns gewisse Kommentare gefallen lassen zu müssen." (Andreas Pöder, Bürgerunion)
Also bitte!
Was bekommen wir bezahlt um uns Pöders geistliche Darmwinde gefallen zu lassen?
Die Gutmenschenabgabe wäre sicher 5€ für jeden Leser wert!

Mer, 09/23/2015 - 14:56 Collegamento permanente
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gorgias Mer, 09/23/2015 - 15:43

In risposta a di Mensch Ärgerdi…

So was habe ich mir auch gedacht. Doch wenn ich weiter überlege, wer zwingt ihn sich das gefallen zu lassen? Er kann ja Anzeige erstatten - außer er meint damit nur Kritik im Rahmen der Meinungsfreiheit.
Doch wenn er der Überzeugung ist er bekommt dafür zu wenig, soll er doch sein Mandat niederlegen. Dafür bekommt er von mir die 5 €.

Mer, 09/23/2015 - 15:43 Collegamento permanente
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Christian Mair Mer, 09/23/2015 - 18:53

Gut die Vorschläge für Durchführungsbestimmungen der Grünen (Transparenz in Sachen institutioneller Werbung) und Südtiroler Freiheit (Förderungen für Medien, die in ihrer Berichterstattung die Europaregion Tirol).
Wie kann Qualitätsjournalismus in den Durchführungsbestimmungen gefördert werden?
z.B.: Ausnahme von Chronik aus den Förderkriterien

Mer, 09/23/2015 - 18:53 Collegamento permanente