Politica | Junge Politik

„Wir sind PD-Natives“

Bei der Demokratischen Partei (PD) trägt die Erneuerung das Kürzel „U40“: Ein Gespräch mit dem, „Unter-Vierziger“ Alessandro Huber – über Jugendwahn, gute Kommunikation und politische Identität.

Das Schlagwort Erneuerung ist im politischen Diskurs schon fast inflationär. Mit der Forderung, die Hälfte der Listenplätze des Partito Democratico für die kommenden Landtagswahlen für Menschen „under 40“ zu reservieren, reiht Ihr Euch als  Gruppe „U 40“  in diesen Trend ein. Können nur junge Gesichter die derzeitige Krise lösen?

Alessandro Huber: Nein, wir sind auch keine Anhänger einer Verjüngung um jeden Preis. Es braucht in der Politik sicherlich eine Verjüngung, aber die muss vernünftig angegangen werden. Denn nur weil einer 16 ist, muss er nicht gut sein. Tatsache ist aber, dass unsere Generation in der Politik nicht gerade überrepräsentiert ist, um es freundlich zu formulieren. Das heißt gleichzeitig, dass unsere Themen in der öffentlichen Diskussion viel zu wenig präsent sind.

Was sind Eure Themen?

Zu den wichtigsten Themen zählen derzeit sicher die Arbeitssuche und Arbeitslosigkeit, eine mehrsprachige Ausbildung und die Wohnungssituation. Wie auch die Generationen vor uns, möchten wir die Möglichkeit haben, erwachsen zu werden, unser eigenes Leben aufbauen zu können. Doch das ist schwierig, wenn man bis 30 bei den Eltern wohnt und unter prekären Verhältnissen arbeitet. Außerdem habe ich mit 26 Jahren einfach eine andere Perspektive als jemand, der bereits über 70 ist. Wenn alles gut geht, lebe ich noch 50 Jahre – und für diese 50 Jahre möchte ich etwas aufbauen. Deshalb möchten wir unseren Blickwinkel und unsere Probleme stärker zum Thema machen. Zuerst in der Partei, und dann in der Gesellschaft.

Mit der Forderung nach der Hälfte der Listeplätze waren die „U40“ ja schon erfolgreich...

Ja, die wurde von der Partei eigentlich gleich akzeptiert. Jetzt geht es darum, bis zu den Wahlen im Oktober drei starke Themen zu entwickeln. Das machen wir auf demokratische Art. Also jeder, der mitbestimmen will, welche Themen das sein werden, muss bei unseren monatlichen Treffen mitmachen. Nach unserem ersten Treffen haben wir  jetzt einmal 30 Themen, die wollen wir nun schrittweise auf zehn und schließlich auf drei Kernthemen reduzieren.

Wer sind die „U40“ überhaupt? Eine Jugendorganisation der Partei?

Nein, die gibt es schon mit den Jungen Demokraten. Wir sind eine informelle Gruppe, die es vorerst nur  auf regionaler Ebene gibt. Die meisten sind natürlich Mitte-Links-Wähler und sind auch PD-Mitglieder. Doch unsere Treffen stehen eigentlich allen Interessierten offen, letztes Mal war beispielsweise auch ein Mitte-Rechts-Sympathisant dabei, der einfach auf die Art das Thema Jungunternehmer weiterbringen will.

Sie gelten als eine der Hoffnungen im PD. Warum engagiert sich ein 26-Jähriger heute überhaupt politisch?

Ich bin seit der Oberschule immer schon politisch aktiv gewesen. Politik hat mich immer interessiert, sagen wir, es ist einfach eine Leidenschaft. PD-Mitglied bin ich aber erst seit drei Jahren. Ich habe dann auch ein Jahr die Politik-Schule der demokratischen Partei in Rom besucht. Das ist eine politische Bildungsstätte für junge Aktivisten, die ein Jahr dauert, also jeweils ein Wochenende im Monat.

Angesichts der aktuellen Konflikte innerhalb der Partei reicht es kaum mehr aus sich als PD-Mitglied zu erklären. Was sind Sie, ein Renziano, ein Bersaniano?

Hier in Südtirol ist die Spaltung nicht so ein Thema, vor allem nicht unter uns Jungen. Ich persönlich war zum Beispiel bei den Vorwahlen für Bersani, weil mich seine Ideen einfach stärker überzeugt haben, andere waren für Renzi. Ich denke, wir müssen die Probleme der letzten Wochen vielmehr als Chance sehen, uns weiterzuentwickeln. Und gerade bei der Versöhnung der unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Partei haben wir Jungen eine wichtige Rolle. Denn wenn jemand 30 Jahre in einer bestimmten Tradition gelebt hat, ist es viel schwieriger, dies von einen Tag auf den anderen zu ändern. Die meisten von uns waren bei der Gründung des PD vor sechs Jahren dagegen noch nicht einmal Mitglied. Bei uns hat niemand eine Vergangenheit als Demochristiano oder Post-Kommunist. Wir sind sozusagen Natives, also geborene PD-ler. Und das ist denke ich eine große Chance.

Und wo sehen die Jungen die größten Schwächen der alten PD-Exponenten?

Ich glaube, dass unsere Antworten auf gesellschaftliche Probleme nicht leicht und schnell erklärt werden. Denn wir haben gute Ideen und gute Antworten. Doch dann  kommt ein 90 Seiten dickes Programm, das keiner liest. Ich sehe also vor allem ein Problem der Kommunikation. Die Dinge werden nicht konkret erzählt, sondern es wird nur mit Schlagworten gearbeitet, und deshalb geht vieles verloren. Ich denke, auch hier kann aber die neue Generation auch mit Hilfe der Neuen Medien vieles verbessern.

Mit Konkurrenten wie Grillo oder Berlusconi ist es aber auch nicht unbedingt leicht, Themen sachlich und konkret rüberzubringen.

Ja, aber genau hier dürfen wir uns nicht von den anderen treiben lassen. Wenn Berlusconi  verspricht die IMU zurückzuzahlen, ist es ein Fehler, wenn Bersani sagt, sie wird bis 500 Euro zurückgezahlt. In dem Moment ist die Kommunikation verloren, weil man hinterhergelaufen ist.  Die Demokratische Partei darf bei den Themen aber weder Grillo noch Berlusoni hinterherlaufen, sie muss klarmachen, warum sie eine Alternative zu diesen beiden Parteien ist. Heute Grillo zu wählen, kann eine bewusste Entscheidung sein. Aber wir müssen besser vermitteln, warum es auch eine bewusste Entscheidung ist, PD zu wählen.

 

 

 

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Sebastian Felderer Ven, 04/26/2013 - 07:18

Einfach tröstlich, sowas zu lesen. Es stimmt mich zuversichtlich, ich beneide den PD um solche Leute. Nein, das ist nun wieder zuvielgesagt, denn es kommt darauf an, wie der PD mit solchen Leuten wie Alessandro umgeht, ob er ihm Platz gibt, Luft zum Atmen oder nicht. Es kommt auch darauf an, ob Alessandro in seinem Sog viele Gleichaltrige und Gleichgesinnte nachziehen kann. Die Forderung nach Quotenlösung sollte nicht nötig sein. Die Jugend ist die Zukunft in allen Bereichen, nicht nur in einer Partei. Sie muss aber präsent sein und den nötigen Freiraum bekommen. Das Miteinander, nicht Neben- oder sogar Gegeneinander ist auch in der Partei die Voraussetzung, um erfolgreich zu sein und zu bleiben.

Emanuel Geibel hat es vor 200 Jahren so formuliert:

Das ist das alte Lied und Leid,
dass die Erkenntnis erst gedeiht,
wenn Mut und Kraft verrauchen.
Die Jugend kann, das Alter weiß,
du kaufst nur um des Lebens Preis
die Kunst, das Leben recht zu brauchen.

Ven, 04/26/2013 - 07:18 Collegamento permanente