Society | Interview

Hakuna Matata – Alles kein Problem

Seit einem Sansibar-Urlaub kommt Irma Werth nicht mehr von Tansania los. Was sie bewegt hat, regelmäßig nach Kileguru zu fahren und was sie dort bewegt.
Irma und die Kinder
Foto: Privat

Seit acht Jahren fährt die Eppanerin Irma Werth regelmäßig nach Tansania. Kommenden Dienstag startet sie mit ihrem Verein „Irma hilft – Irma aiuta Tansania“ ein neues Projekt. Ein Gespräch über Entwicklungshilfe, den Alltag der Massai und die tansanische Lebensweise.
Zwei Mal im Jahr nimmt sich die 60-Jährige zwei bis drei Wochen Urlaub und fährt in das kleine Dorf Kileguru in der Provinz Tanga im Nordwesten Tansanias. Gemeinsam mit einigen Bekannten und Interessierten hilft sie den Einwohnern und treibt ihre Projekte voran.

 

salto.bz: Wie hat Ihr Einsatz angefangen?

Irma Werth: Vor acht Jahren war ich im Urlaub auf Sansibar. Dort habe ich Rokonga, einen Massai und Maria, die Frau des Häuptlings der Massai kennengelernt. Die beiden haben mich zu sich nach Hause eingeladen, 200 Kilometer weiter ins Landesinnere von Tansania, in das Dorf Kileguru. Das habe ich im Jahr darauf auch gemacht. Dann habe ich gesehen, wie die Menschen dort in einfachsten Verhältnissen leben, ohne Wasser, ohne Strom. Es war gerade eine Trockenperiode, die Tiere standen vor schmutzigen Wasserlöchern. Ich habe mir gesagt: Da kann ich was machen! Ich wusste, dass es in Bozen das Amt für Kabinettsangelegenheiten gibt, die Projekte unterstützen und so hat das Ganze angefangen.

Wie ging es weiter?

Im Jahr 2012 wurden eine Wasserpumpe und ein Aggregat für das Dorf angekauft. Als nächstes wollte ich eine Mädchenschule eröffnen, was dank Unterstützung auch aus Südtirol gelang. Nach der Pumpe und der Schule haben wir 2012 einen Tiefbrunnen geplant, der dann leider durch verschiedene Bauprobleme erst 2015 fertiggestellt werden konnte. Aber gut Ding braucht eben Weile.

Die Projekte wurden alle durch Spenden finanziert?

Ja. Ich habe einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Wenn jemand einen runden Geburtstag feiert, heißt es oft: Ich will keine Geschenke, sondern Spenden für Irmas Projekte. Seit ein paar Jahren muss man einen Verein haben, um beim Land um Unterstützung ansuchen zu können, man darf nicht mehr als Einzelperson kommen. Also haben wir den Verein „Irma hilft – Irma aiuta Tansania“ gegründet. Beim Tiefbrunnen hat deshalb auch das Land Südtirol durch das Amt für Kabinettsangelegenheiten einen Teil mitbezahlt. Die Frauen in Tansania machen auch viel Schmuck selber, den nehme ich mit herauf und wir verkaufen ihn dann bei verschiedenen Veranstaltungen wie z.B. langen Einkaufsabenden oder Adventsmärkten. Aber auch bei Benefizveranstaltungen, Konzerten oder eben diversen Vorstellungen kann man uns unterstützen. 2013 wurde ein Film gemacht, „Irma hilft“, den wir bei den Veranstaltungen zeigen, damit die Leute sehen können, was wir machen.

Wie sieht der Alltag der Einheimischen vor Ort aus?

Die meisten gehören zum Stamm der Massai, der Ureinwohner. Früher waren sie ein Nomadenvolk, heute sind sie Halbnomaden. Zu einem Stamm zählen immer mehrere Familien. Die Männer ziehen mit den Herden umher, bringen sie zu Wasserstellen, lassen sie grasen. Die Frauen kümmern sich um die Kinder und das Essen, viele basteln auch Schmuck. Besonders die Mädchen müssen sich um die jungen Kälber, Schafe und Zicklein kümmern und können deshalb nicht zur Schule gehen. In unserer Mädchenschule haben sie darum schon um fünf oder sechs Uhr früh Unterricht, damit sie später am Vormittag die Tiere begleiten können.

 

 

Das nächste Projekt startet ihr in wenigen Tagen. Worum geht es da?

Wir wollen ein Projekt gegen die Beschneidung von Mädchen starten. Das gibt es in Tansania leider immer noch. Zugleich werden in den Dörfern Krankenstationen errichtet. Zurzeit ist eine Kampagne am Laufen, die die Bevölkerung über die Sinnlosigkeit der Beschneidung von Mädchen aufklären soll. Bei unserem letzten Aufenthalt haben wir mit dem Häuptling gesprochen, auch er will uns unterstützen. Mein Freund Rokonga hat alles schon ein bisschen in die Wege geleitet. Am Dienstag wollen wir starten. Wir werden uns unten mit den Familien treffen, die einverstanden sind, beim Projekt mitzumachen und ihre Mädchen nicht mehr beschneiden zu lassen.

Was wird beim Projekt gemacht?

Wir möchten Patenschaften für die Mädchen organisieren. Mit 100 € pro Jahr kann man eine Patenschaft übernehmen. Von diesem Geld bekommt die Familie des jeweiligen Mädchens einmal im Jahr eine Art Geschenk in Form von Naturalien wie Reis, Polenta oder ein Schaf. Dies soll sozusagen eine Art Prämie, ein „Zuckerle“ sein, dafür, dass sie die Mädchen nicht beschneiden. Das ist für uns leider die einzige Möglichkeit, um irgendwie zu helfen.

Wie hat Ihr Umfeld reagiert, als Sie beschlossen haben, nach Tansania zu gehen und dort den Menschen zu helfen?

Sie finden es alle toll und unterstützen mich. Ich nehme ja meist Bekannte und Interessierte, die gerne helfen wollen, mit. Mein Mann und meine beiden Söhne haben mich auch schon begleitet. Mein Mann fährt auch dieses Mal wieder mit.

Wo wohnt ihr in Tansania?

Wir wohnen in Kileguru im Haus von Rokonga. Obwohl, Haus ist zu viel gesagt, eigentlich ist es eine Hütte. Es sind einfache Verhältnisse. Seit kurzem gibt es eine Solarzelle auf dem Dach, so kann man mindestens am Abend noch etwas beisammensitzen. Erst musste man immer mit Sonnenuntergang schlafen gehen, sonst war es total finster. Wasser gibt es nur aus den Erdlöchern oder eben aus der Pumpe. Dadurch gibt es viele Krankheiten wie Malaria oder Typhus, besonders die kleinen Kinder sterben oft früh. Das ist schon sehr traurig mitanzusehen.

Hatten Sie nie Angst?

Nein, eigentlich nicht. Tansania ist ein sehr friedliches Land und ich sage immer: Passieren kann überall etwas. Auch als Weiße hatte ich noch nie Probleme, ich habe überall Zugang, werde eingeladen zum Teetrinken. Die Menschen in Tansania sind sehr offen. Hier ist oft das Gegenteil der Fall. Die Menschen in Kileguru kennen uns ja auch schon, sie freuen sich immer besonders, wenn wir kommen. Für die Kinder nehmen wir meist Kleidung mit, darüber freuen sie sich auch sehr. Ich bringe auch oft alte Koffer mit, die benutzen die Leute unten, um ihre Kleidung oder Dokumente vor dem Regen zu schützen, denn ihre Hütten sind nicht besonders dicht.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Tansania und Südtirol?

Unten gibt es ein Hauptwort: Hakuna Matata, das heißt soviel wie: Alles kein Problem. Die Menschen haben einfach ewig Zeit, du wirst sie nie stressen können. Das fängt beim Bus an, es heißt, er fährt um sechs Uhr, dann kann es aber auch um halb sieben sein oder er fährt gar nicht. Die Menschen haben aber gerne etwas zu tun, jeder will es doch irgendwie eilig haben, mir kommt oft vor, sie wollen irgendwas „Wichtiges“ machen, obwohl nicht viel passiert. Und doch sehen sie alles ganz entspannt. Wir sind hingegen in unserem ewigen Hamsterrad drinnen, machen immer weiter und kommen nicht mehr raus.

Was vermissen Sie, wenn Sie in Tansania sind?

Wenn ich unten bin, dann habe ich keine Uhr an, das ist schon fein. Vermissen tue ich das Essen. Bei den Massai gibt es fast jeden Tag Polenta oder Reis. Ich denke dann oft: So ein Salamibrot mit Gurken wäre echt gut. Dann vermisse ich natürlich meinen Mann, wenn er nicht mitfährt.
Ich fühle mich in Tansania eigentlich ganz wohl, nach einer Zeit freue ich mich aber auch wieder auf Zuhause. Jetzt freue ich mich wieder auf Tansania, auf die Sonne, die Wärme, die Menschen. Und natürlich unser auf unser neues Projekt. Es gibt noch viel zu tun.