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“Das Museion wäre ein logischer Partner”

Der ehemalige Richter Dr. Josef Kreuzer schenkt dem Land Südtirol ein historisches Laubenhaus und viele Kunstwerke. Ein Gespräch mit dem Kunstexperten Carl Kraus.
Laubenhaus
Foto: Foto: Salto.bz

Salto.bz: Was macht die Sammlung Kreuzer so besonders? Ein umfassender Katalog ist erschienen und eine Schenkung von Bildern und einem Laubenhaus…
Carl Kraus:
Die Sammlung Kreuzer stellt eine singuläre Dokumentation der Kunst im Raum des historischen Tirol von 1900 bis heute dar. Sie umfasst ca. 1500 Werke von mehr als 300 Künstlerinnen und Künstlern. Die Namen reichen von der zentralen Figur der frühen Tiroler Moderne Albin Egger-Lienz und dem Trentiner Futuristen Fortunato Depero bis zum großen Abstrakten Max Weiler und der jungen Malerin und Installationskünstlerin Esther Stocker. Zu den Säulen des Bestandes zählen drei Maler, mit denen Dr. Josef Kreuzer über Jahrzehnte befreundet war: Hans Ebensperger, Karl Plattner und Peter Fellin. In der Kollektion finden sich zudem beispielhafte Positionen der Kunst anderer italienischer und österreichischer Regionen sowie der Schweiz, welche sich in ihrer Funktion als Vorbilder oder Parallelerscheinungen hervorragend in das Sammelkonzept einfügen. In Stilbegriffen gesprochen, spannen die Werke einen Bogen von Jugendstil, Expressionismus, Futurismus, Kinetismus und Neuer Sachlichkeit bis zu Abstraktion und den konzeptuellen Ansätzen von heute. So verstehen sich die Sammlung Kreuzer und das ihr gewidmete Buch letztlich als Hommage an die kreative Vielfalt, ganz nach dem Wahlspruch der Wiener Secession von 1898: Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.

In der Südtiroler Museumslandschaft gibt es kein Haus, welches eine Dauerausstellung zur lokalen Kunst nach 1900 zeigt…
Das Konzept des Museions in den 1980er Jahren sah eine Dauerausstellung zur lokalen Kunst nach 1900 vor, das Museion schlug dann aber bekanntlich eine andere, ganz dem Zeitgenössischen gewidmeten Entwicklung ein. Die Intention von Dr. Josef Kreuzer ist es nun, mit seiner Stiftung von Sammlung und Bozner Altstadtgebäuden die ursprüngliche Idee wieder aufzugreifen und damit eine Lücke in der Südtiroler Museumslandschaft zu schließen. Und im Besonderen auch, eine Brücke zwischen Südtirol, Tirol und dem Trentino zu bauen, denn im Bundesland Tirol gibt es kein Museum, das Werke der Trentiner Moderne zeigt, während sich in keinem Trentiner Museum etwa Beispiele von Egger-Lienz, Nepo, Hess, Scholz, Weiler, Gappmayr oder Oberhuber finden.

Ab wann hat Josef Kreuzer mit dem Sammeln von Kunst begonnen?
In einem Gespräch erzählt Josef Kreuzer sehr anschaulich über seine Anfänge als Sammler, dem Ankauf von Ebenspergers abstrakter Landschaft Früher Schnee: „1969 gab es im Tiroler Kunstpavillon in Innsbruck die Ausstellung Ebensperger-Fellin. Mein Schwiegervater sagte zu mir und meiner Frau, wir sollten uns ein Bild von Ebensperger aussuchen, zahlen würde er. Wir suchten uns bei der Ausstellung das Ölbild mit dem Titel ‚Früher Schnee‘ aus und der Preis hierfür war 650.000 Lire. Zum Vergleich: mein Monatsgehalt als frischgebackener Richter am Bezirksgericht Bozen war damals 99.000 Lire.“ Zunehmend System in sein Sammeln sei dann gekommen, als er als Mitglied des Südtiroler Bildungszentrums „aus Gesprächen mit den vormaligen Direktoren des Museion Karl Nicolussi-Leck und Pier Luigi Siena erfuhr, dass in Bozen ein Museum für moderne Kunst geplant war mit dem Programm: Kunst nach 1900 zwischen Ala und Kufstein. Ich hatte immer schon daran gedacht, meine Sammlung im Nachlassweg einem Museum zu überlassen.“ Einmal mehr bestätigt sich die Annahme, wer nur für sich sammelt, sammelt ohne Perspektive, ohne Ziel: „Wir sammeln in dem Versuch, dem Vergehenden Dauer zu verleihen.“ und „Wir sammeln, um die Zeit anzuhalten – und gleichzeigt definieren wir sie dadurch“ sagt etwa der langjährige Geschäftsführer des Auktionshauses im Kinsky Otto Hans Ressler.

Welchen kunsthistorischen Wert hat die Sammlung für das Land Südtirol?
Allein durch die Vielzahl der Werke stellt die Sammlung Kreuzer einen unglaublichen Zugewinn für das geistige Patrimonium des Landes dar. Es gibt aber auch zahlreiche Bilder und Skulpturen, zu denen es sich auch qualitativ nichts Vergleichbares in den bisherigen Landessammlungen gab. Um ein Bespiel zu nennen: Allein von der in Borgo Valsugana geborenen Zentralfigur des Wiener Kinetismus Erika Giovanna Klien schließt die Sammlung Kreuzer 13 hervorragende Werke ein.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Kulturpolitik diese einmalige Chance ergreift.
(Carl Kraus)

Welche Rolle spielt die Kunsthistorikerin Eva Eccel im Zusammenhang mit der Sammlung? Hat sie nicht wesentlich zum Ankauf vieler Arbeiten beigetragen?
Die Besprechungen mit meiner Frau zu ihren Publikationen waren immer anregend. Aber den Ankauf von Werken überließ sie meistens mir“, meint Josef Kreuzer, der ebenso hervorhebt, welche Faszination die ganz auf die Gegenwartskunst konzentrierten Ausstellungen der Galerie im Laubenhaus Eccel der 1960er bis 1980er Jahre auf ihn ausübten. Er habe in seinem Leben viel Glück gehabt, betont Josef Kreuzer häufig in Gesprächen, und ein besonderer „Glücksfall“ sei es gewesen, dass er sich so ausgiebig mit Kunst habe beschäftigen dürfen, die ihm so viel Freude, intensive Momente und Anregungen vermittelt habe. Mitentscheidend für seine Annäherung an die Kunst war sein privates Umfeld, in besonderer Weise sein Schwiegervater, der Bozner Kaufmann Friedrich Eccel, und über viele Jahrzehnte seine Frau, die Kunsthistorikern Eva Kreuzer-Eccel.
Zum Freundeskreis der Familie zählten neben Ebensperger auch Karl Plattner und Peter Fellin, die häufig im Haus Eccel verkehrten. Plattner wohnte dort sogar über ein Jahr zusammen mit seinem Malerfreund Leonardo Cremonini, mit Ebensperger unternahm man u.a. gemeinsame Reisen zu den Biennalen nach Venedig. Diese Maler bildeten in den 1960er und 1970er Jahren die „andere Seite“ im Südtiroler Kunstklima, das immer noch an den Wunden der faschistischen Kulturpolitik und der daraus resultierenden konservativ-reaktionären Haltung vieler litt. Einen dementsprechenden Aufruhr gab es, als Eva Kreuzer-Eccel 1980 ihr Buch „Aufbruch. Malerei und Graphik in Nord-Ost-Südtirol nach 1945“, das in unvoreingenommener Weise die aktuellen Kunsttendenzen dieser mitteleuropäischen Region analysierte, veröffentlichte.

Ein Museum der Moderne der Euregio Tirol unter den Bozner Lauben wäre zweifellos eine attraktive, sinnvolle Ergänzung zum Museion.
(Carl Kraus)

Die Schenkung der Sammlung Pichler an die Gemeinde Eppan vor einigen Jahren war mit diversen Auflagen verbunden, die die Politik nicht erwidern konnte oder wollte. Ist die Schenkung der Sammlung Kreuzer für die Öffentlichkeit, das Land Südtirol, ein Fluch oder sein Segen?
Die Voraussetzungen bzgl. der öffentlichen Präsentation der Stiftung Kreuzer sind gänzlich andere als es jene bei der geplanten in Eppan waren. Dr. Kreuzer stellt nicht nur eine Sammlung sondern auch ein repräsentatives Gebäude in Bozens zentraler Lage zur Verfügung. Zudem zählt zu seinen zentralen Ideen, das Beste der eigenen Sammlung mit jenem anderer Bestände zu vereinen. Eine für mich großartige Vision.
Architekt Markus Scherer wurde bereits von Dr. Kreuzer mit der Studie zur musealen Adaptierung des Gebäudes beauftragt. Ein Museum der Moderne der Euregio Tirol unter den Bozner Lauben wäre zweifellos eine attraktive, sinnvolle Ergänzung zum Museion.

Der Besuch im Laubenhaus-Museum soll mit einem Kombi-Ticket mit dem Museion und umgekehrt möglich sein. Gibt es diesbezüglich bereits Zusagen?
Das Museion wäre ein logischer Partner, aber entschieden ist meines Wissens noch nichts. Zunächst gilt es, ein den heutigen Museumsansprüchen entsprechendes, maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Kulturpolitik diese einmalige Chance ergreift.