Politics | Alexander Langer

„Ein sehr sensibler Mensch“

Vor 22 Jahren starb Alexander Langer. Ein Jahr nach seinem Tod erinnerten sich politische Weggefährten und Gegner an den großen Südtiroler Politiker.
Alexander Langer
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser
 
Alexander Langer wählte am 3. Juli 1995 den Freitod.
Rund ein dreiviertel Jahr später begannen Helmut Lechthaler und der Autor dieser Zeilen mit den Interviews für den Dokumentarfilm „...macht weiter was gut war - Alexander Langer 1946 - 1995". Der Film im Auftrag der RAI wurde im Filmclub Bozen erstaufgeführt und 1997 im Sender Bozen ausgestrahlt. Seitdem verstaubt er im Archiv am Mazziniplatz. Alexander Langer ist im offiziellen Südtirol immer noch eine Persönlichkeit, der nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt werden darf.
1996 interviewten wir für den Film über ein Dutzend Freunde, Familienangehörige, politische Weggefährten aber auch langjährige Gegner. Den Interviews in Brüssel, Bozen, Sterzing und Florenz war eines gemeinsam: Es lag eine unglaubliche Traurigkeit in den Worten der Interviewpartner. Viele von ihnen - auch Politiker von europäischem Format - brachen vor der Kamera in Tränen aus. Es waren echte Gefühle für einen Menschen, der allzu früh aus dem Leben geschieden war.
Eine der Fragen, die ich damals den Interviewpartnern stellte, war die Bitte Alexander Langer in fünf Sätzen zu beschreiben. Es kamen Statements heraus, die auch heute noch - über zwei Jahrzehnte später - ein bezeichnendes Licht auf eine der wichtigsten Persönlichkeiten der neueren Südtiroler Zeitgeschichte werfen.
 

Poldi Steurer, Meran

 
„Das ist natürlich schwierig: Der Alexander war ein viel zu guter Mensch, er war gegenüber allen anderen viel zu gut, nur gegen sich selber war er nicht imstande auch irgendwie rücksichtsvoll zu sein. Von sich hat der Alexander alles verlangt und das wissen wir. Er war ein Arbeitstier. Einer, der sich für die Sache eingesetzt hat, ohne Rücksicht auf seine Freizeit, seine Gesundheit oder Ähnliches. An Geld hat Alexander sowieso nie gedacht.
Für alle anderen war er aber zu jeder Zeit immer da. Und ich muß sagen, ich habe oft gestaunt, wie Alexander imstande war, dieses Arbeitspensum zu absolvieren. Viele von uns haben sich immer gefragt, wann schreibt Alexander die vielen und guten Artikel, neben all der anderen politischen Tätigkeit, die er zu machen hat.“
 

 

Peter Langer, Sterzing

 
„Ich glaub, an Stärken fällt mir zuerst seine Ausdauer ein. Eine verbissene Ausdauer, die er in allen Dingen hatte, die er machen wollte. Eine Ausdauer auf einen Berg hinauf zu kommen oder uns auf einen Berg hinauf zu bringen. Eine Ausdauer irgendeine Idee zu verwirklichen, von der er überzeugt war, daß man sie verwirklichen mußte. Seine Ausdauer eine Reise so zu machen, wie er sich das am Tisch daheim ausgedacht hatte. Seine Ausdauer im beruflichen Leben, sein unermüdlicher Einsatz und seine Fähigkeit, sehr lange durchzuhalten, wenig Schlaf zu brauchen und immer mehr oder weniger munter zu erscheinen. Mit anderen Worten, die Ausdauer war so, daß er eigentlich immer das erreicht hatte, was er wollte.
Seine Schwäche: Die größte Schwäche, ist vielleicht sein Hang zur Perfektion und das hängt irgendwie mit der ersten Aussage der Stärke zusammen. Es mußte einfach alles perfekt sein und so wie er sich das perfekt vorgestellt hatte, und nachdem das selten möglich war und selten möglich ist, die Perfektion zu erreichen, die Schwäche nachher darunter zu leiden.“
 

Marco Boato, Trento

 
„Con venti parole è difficile, ma ci ho ripensato molto. Oggi a distanza di qualche mese direi un testimone e un protagonista del nostro tempo. Senza volerne fare un ‘santino’, però era anche un profeta, che non ha visto i tempi e che in qualche modo ha comunque presagito. Questo lo penso per esempio rispetto alla pace in Bosnia. Lui in un certo senso ha profetizzato la possibilità, la necessità della pace in Bosnia. Oggi è una pace precaria, difficile, lui è morto mentre c’era la guerra.
Quindi un testimone, un protagonista e anche un profeta del nostro tempo. Ovviamente però con tutti i limiti, le contraddizioni, le debolezze, la forza di una persona umana in carne e ossa, non di un essere astratto e mitologico.“
 

Reinhold Messner, Juval

 
„Der Alexander Langer war für mich ein sehr christlich religiöser Mensch und ich hab immer behauptet, er ist viel mehr christlich als kommunistisch angehaucht. Er war gebildet wie wenige Südtiroler, natürlich auch sehr intelligent und damit in mehreren Sprachen, in der Historie, in der europäischen Geschichte verankert, wie wenige andere. Vor allem aber war er von tiefstem Herzen heraus ein sozialer Mensch. Das heißt, es ging ihm mindestens so sehr um die anderen wie um sich selbst.
Ich würde nicht behaupten, daß der Alex jetzt nur ein Altruist war, er hatte natürlich auch ganz subjektive und egoistische Ziele. Er wollte etwas verändern. Er wollte dieses Land verändern. Er wollte später generell in Mitteleuropa, sofern er Einfluß nehmen konnte, die Menschheit einer christlichen Lebenshaltung zuführen, aber christlich immer im sozialen Sinne, in erster Linie im sozialen Sinne. Er war im tiefsten Herzen ein Humanist im Sinne von Goethe, von Spinoza, von den großen Philosophen, die wir in den letzten 300, 400 Jahren hatten.“
 
 

Otto von Habsburg, Brüssel

 
„Also wenn ich versuchen würde fünf Sätze zu sagen. Als allererstes einmal einer der saubersten Charaktere, die ich getroffen habe. Also jemand, der ob´s gut oder schlecht gegangen ist, zu seinen Prinzipien gestanden hat.
Zweitens war er einer der fleißigsten Abgeordneten, er hat wirklich das Gefühl gehabt gegenüber den eigenen Leuten zu einem Einsatz bis zum Umfallen verantwortlich zu sein. Ich würde an dritter Stelle sagen, er war ein Mensch, der sich wirklich ausgekannt hat. Man hat gesehen, er hat die Sachen studiert. Ich hab mich überhaupt oft gefragt, wenn ich mit ihm zu tun hatte, wie er die Zeit gefunden hat, das alles zu machen. Das sind so die Hauptcharakteristiken. Aber an allererster Stelle würde ich sagen, die Sauberkeit des Charakters. Was nicht so häufig ist.“
 

Daniel Cohn-Bendit, Brüssel

 
„Ja das ist ein Mensch, der sich mit einer unwahrscheinlichen Geduld für seine Ideen einsetzt und dabei natürlich sich und andere Leute vergißt.
Seine Stärken waren auf andere zuzugehen, die Fähigkeit andere überzeugen zu wollen. Sich für andere zu interessieren, sich zu öffnen für unheimlich viele Sachen. Die Schwächen war, daß er dabei seht oft sich und das Leben vergessen hat. Und damit eine sehr asketische Art hatte, Politik zu machen. Ein Art, die auch etwas Selbstzerstörerisches hatte.“
 
 

Leoluca Orlando, Palermo

 
„Un uomo intelligente, un uomo buono e soprattutto straordinariamente generoso. Credo che Alex si sia in qualche modo sciolto, dissolto, si sia annullato da sé come segno estremo di generosità. Il suo volto stanco, le sue occhiaie, il suo sguardo però sempre trasparente, si sono quasi come sciolti in questo correre, correre, correre per tenere insieme come un filo i punti, i nodi della realtà umana. Mi capita ancora oggi di andare in giro in Europa, per il mondo e nei luoghi più impensati, trovare persone che hanno conosciuto, amato e apprezzato Alex, il suo gusto dell’amicizia, del rapporto umano, senza che questo dovesse necessariamente diventare una notizia o fare clamore.“
 

Claudia Roth, Brüssel

 
„Der Alexander war einer der intensivsten Personen, die ich in meinem ganzen Leben getroffen hab. Intensiv in allem, was er gemacht hat. Intensiv in seiner Arbeit, intensiv in seinem Glauben, intensiv in seiner Liebe, intensiv in seiner Hoffnung, daß sich an diesem Leben etwas ändert. Und intensiv, wenn er sich mit anderen Menschen beschäftigt hat.
Das war sicher auch ein Problem für ihn. Diese Intensität dieser Person, weil er natürlich auch im Leiden sehr intensiv war. Im Verzweifeln über Unrechtszustände, über Ungerechtigkeiten, über Dummheit, über Ignoranz, über Diskriminierung, über Ausgrenzung und vor allem dann über das Drama im ehemaligen Jugoslawien.“
 
 
 

Silvius Magnago, Bozen

 
„Er hat konsequent, wenn ich es jetzt vom Charakter her nehme, seine Thesen der Mischkultur vertreten. Das hat er konsequent vertreten bis zuletzt.
Er ist ein Grün-Alternativer gewesen und nicht ein Grüner allein, weil von Grün hab ich nicht sehr viel gespürt. Daß er sich eingesetzt hat, da darf keine Aufstiegsanlage hinaufgebaut werden auf diese Alm oder so, das habe ich immer weniger gespürt.
Im Landtag hat er ja immer gesprochen und es hat scharfe Debatten zwischen mir und ihm gegeben. Besonders wenn die sogenannte Budgetdebatte anstand. Da mußte er ja replizieren. Er war ja immer in der Opposition.“
 

Siegfried Stuffer, Gufidaun

 
„Er war ungewöhnlich, er war anders als die anderen. Man konnte ihn nie ganz erfassen, ganz verstehen. Er hat etwas an sich gehabt, was er für sich behalten hat. Man ist nicht an ihn herangekommen.
Er war äußerst verlässlich, was er also versprochen hat, hat er getan. Aber es ist eigentlich nie wirklich zu einer Freundschaft gekommen. So wie man eben sagt, jetzt haben wir gearbeitet miteinander und jetzt gehen wir noch irgendwohin und plaudern ein bißchen. Da hat er nie dafür Zeit gehabt. Er hat im Grunde sein Inneres nicht geöffnet.“
 
 

Arnold Tribus, Bozen

 
„Naja, fünf Sätze sind vielleicht etwas wenig. Er war - für mich zumindest - eine ausgesprochene Führernatur, also ein Leader würde man heute sagen. Er war eine ausgesprochen sozial denkende und sehr herzhafte Person.
Er war zudem ein ausgesprochen praktisch denkender Mensch, also immer auf die konkrete Situation bezogen. Und er war, was man nicht vergessen darf, ein sehr, sehr feinfühliger, sensibler auch verletzbarer Mensch. Trotz seiner großen Persönlichkeit, trotz seiner nach außen getragenen Sicherheit, war er doch ein Mensch, der so edel war, daß er sehr gelitten hat, wenn man ihn nicht zur Kenntnis genommen hat.“

Alle Fotos: Othmar Seehauser/suedtirolfoto.com

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gorgias Mon, 07/03/2017 - 19:22

Aus Angst bald selbst zu Grabe getragen zu werden, exhumieren die Grünen immer wieder Alexander Langer. Einen Menschen, der an seinen eigenen Idealen und Ansprüchen zerbrochen ist. Ein Entrückter, der für viele eine Projektionsfläche für die eigenen Sehnsüchte darstellt und deswegen verklärt wird. Wer aber da durchblickt, wird eine gescheiterte tragische Figur vorfinden.

Mon, 07/03/2017 - 19:22 Permalink
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Hartmuth Staffler Mon, 07/03/2017 - 21:59

Gerade die Grünen, die so gerne Mythen hinterfragen, berauschen sich am Mythos Alexander Langer, der für sie über jede Hinterfragung erhaben ist. Wie ich erst jetzt durch Arnold Tribus erfahre, hat Alexander Langer wegen mir leiden müssen, weil ich ihn nicht zur Kenntnis genommen habe, obwohl wir uns immer wieder über den Weg gelaufen sind. Ich habe seine Sprachbeherrschung geschätzt, aber mit den Inhalten seiner stundenlangen Reden im Landtag wenig anfangen können.

Mon, 07/03/2017 - 21:59 Permalink