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Showtime im Kursaal

Philipp Achammer hält im Meraner Kursaal eine Brandrede. Der wiederbestätigte SVP-Obmann will die Schalter in der SVP definitiv umlegen. Ein Stimmungsbericht. Update.
svp landesversammlung 2022
Foto: Othmar Seehauser
Der Einmarsch der Edelweiß-Musikkapelle mit der SVP-Spitze und den Ehrengästen im Schlepptau ist der traditionell starke Auftakt jeder SVP-Landesversammlung. So auch an diesem Samstagmorgen im Meraner Kursaal.
Doch danach wird es schnell peinlich. Ordentlich peinlich.
Auftritt: Markus Frings. Mitten im Publikum legt der Moderator der Landesversammlung los und interviewt eine Handvoll SVP-Funktionäre und Funktionärinnen der Basis. Aber auch den österreichischen Generalkonsul in Mailand, Clemens Mantl, oder Altlandeshauptmann Luis Durnwalder.
Immer wieder versucht Frings dabei, einen Schmäh einzubauen, oder er platziert einen vermeintlichen Lacher, meistens an der falschen Stelle. Spätestens in diesem Moment weiß man nicht mehr, ob man sich im Musikantenstadel, in Frings Fernsehsendung „privat“ oder in „Joe, der Film“ befindet. Markus Frings macht bereits bei der Vorstellung der Ehrengäste auf Markus Lanz. „Es freut uns sehr, dass er heute da ist….“
Der agile Fernseh- und Medienmann muss mindestens SVP-Ortobmann vom Motschunerhof sein, nur so ist es erklärbar, dass er jeden seiner Gesprächspartner duzt und jede und jeden, die er vors Mikrophon holt, mit „Liebe“ oder „Lieber“ anredet und andauernd „wir“ und „unser“ sagt. Hier steht ein Medienmann, der zeigt, dass er zur Regierungspartei gehört.
 
 
 
Der Auftritt ist aber auch ein Abbild der Volkspartei im Jahr 2022. An der Parteispitze setzt man auf Showtime, auf eine glanzvolle Oberfläche, eine schön polierte Fassade. Dass es dahinter aber ordentlich bröckelt, macht an diesem Tag nicht nur die Rede von SVP-Obmann Philipp Achammer deutlich.
 

Philipps Schalter

 
Philipp Achammer gilt als Schönredner. Gemeint ist damit nicht nur, dass er rhetorisch begabt ist, sondern auch, dass er seine Reden inhaltlich den Erwartungen seines Publikums anzupassen weiß. An diesem Tag im Meraner Kurhaus tut der SVP-Obmann aber etwas, was ihm wohl die wenigsten zugetraut hätten.
Achammer hält eine Kampfrede. Es ist eine Brandrede in eigener Sache und gleichzeitig ein klarer moralisch-politischer Appell an seine Partei. Der SVP-Obmann redet dabei vom ersten Satz an Klartext. „In den vergangenen Monaten habe ich ernsthaft überlegt, ob ich nochmals für eine dritte Amtszeit antrete“, sagt Philipp Achammer gleich zu Beginn seiner Rede. Um dann im Detail die Vorgaben und Bedingungen darzulegen, für die er als Obmann der Südtiroler Regierungspartei einstehen will. „Heute ist der Schalter definitiv umzulegen“, sagt Achammer mit Nachdruck.
 
 
Der SVP-Obmann nimmt sich danach kein Blatt vor den Mund, sondern er spricht (fast) alles an, was unterm Edelweiß in den vergangenen Monaten und Jahren schiefgegangen ist. Doch bevor er das tut, streut er geschickt Asche auf sein Haupt: „Ich möchte mich als Verantwortlicher für die Partei und das Bild, das wir in den vergangenen Monaten abgeben haben, entschuldigen“. Dieser Schachzug ist Balsam auf die Seelen der zornigen und verunsicherten Parteibasis im Saal.
Es ist aber kein Lamento, das der SVP-Obmann an diesem Tag anstimmt, sondern Philipp Achammer legt einen Katalog vor, „was nicht mehr geht“. Es soll an diesem Tag eine Art Neuanfang in der SVP anstehen.
 

Die bösen Journalisten

 
Dazu gehört unter anderem die „Bereitschaft für den Kompromiss“. Achammer wird auch hier deutlich: „Und damit meine ich nicht nur in der Partei, sondern auch die Verbände und Interessengruppen“. Der Bettenstopp docet. Zudem fordert der Obmann eine neue Debattenkultur innerhalb der SVP. Es muss endlich Schluss damit sein, dass man die Parteiflügel und die Funktionäre "in gut und böse oder in aufrichtig und hintertückisch“ einteilt. Und es könne nicht sein, dass der eine dem anderen in den Medien einen vor den Latz knallt.
Und dann sagt Philipp Achammer einen Satz, der direkt aus einer Zeit zu kommen scheint, als der heutige SVP-Obmann noch nicht geboren war. „Hören wir auf mit Kräften und Personen zu kollaborieren, deren einziges Ziel offensichtlich darin besteht, der SVP zu schaden."
Wen Philipp Achammer wohl damit meint?
Der Athesia-Konzern, der 80 Prozent der Medienmacht in diesem Land und darüber hinaus kontrolliert und seit Jahren mit Erfolg Achammer & Co vor sich und den eigenen Geschäftsinteressen hertreibt, kann wohl kaum damit gemeint sein. Denn Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner bläst zwei Tage später in seinem Leitartikel ins selbe Horn, indem er von der „nächsten medialen Aktion zur Destabilisierung der SVP“ schwadroniert.
„Hören wir auf mit Kräften und Personen zu kollaborieren, deren einziges Ziel offensichtlich darin besteht, der SVP zu schaden“.
SVP-Obmann Philipp Achammer
Dass Philipp Achammer den „Freunden im Edelweiß“ mit einem Maulkorb gegenüber der kritischen Presse begegnen will, hat der SVP-Obmann bereits im März dieses Jahres gezeigt, indem er alles tat, damit der Datenschutzbeauftragte des Staates das Erscheinen des Enthüllungsbuches verhindert.
Was bekanntlich in die Hose gegangen ist.
 

Moralischer Fingerzeig

 
Neben dieser neuen Kommunikationsstrategie wartet der SVP-Obmann aber auch mit einem klaren moralischen Imperativ im Kursaal auf. „Ich verlange von all jenen, die in der ersten Reihe stehen, dass sie integer sind“, verkündet Philipp Achammer vom Rednerpult aus. Später wird er ergänzen: „Ich verlange einen klaren Verhaltenskodex, denn niemand kann und darf Privatinteressen verfolgen.
 
 
Manfred Vallazza hat an diesem Vormittag in einer der hinteren Reihen des Kursaales Platz genommen. Sein Name fällt auf dem Parteitag kein einziges Mal. Doch dem Gadertaler Landtagsabgeordneten dürften die Ohren gehörig gewackelt haben.
Gebt mir die Instrumente in die Hand, um diese Agenda umzusetzen“, wirbt Philipp Achammer für die nach den offiziellen Reden anstehenden Statutenänderungen. Auch diese Operation geht auf. Denn die Delegierten verabschieden wenig später die Vorgaben aus der Parteileitung fast schon einstimmig.
Darunter die Tatsache, dass der Landeshauptmann und der Parteiobmann gemeinsam noch vor den Bezirken bis zu zehn Landtagskandidaten nominieren können, aber auch die Möglichkeit, dass der Parteiobmann schnell und unkompliziert einschneidende Disziplinarmaßnahmen gegen Abgeordnete und Parteifunktionäre ergreifen kann. „Dass man als Parteiobmann betteln gehen muss, das geht doch nicht an“, wirbt Achammer für diese Maßnahme.
Philipp Achammer verlässt am Samstag die Bühne des Meraner Kursaalsals als zweifacher Sieger: Zum einen hat er trotz Stimmenverlusten durch seine engagierte Rede deutlich gemacht, dass er nicht nur ein Moderator unterm Edelweiß ist, sondern die Funktionäre durchaus auch an die Kandare nehmen kann. Zum anderen ist die Macht des SVP-Obmannes mit diesen Statutenänderungen deutlich ausgebaut worden.
 

Langweiliger Landeshauptmann

 

In diesem neuen Selbstbewusstsein fordert Philipp Achammer in seiner Rede Landeshauptmann Arno Kompatscher auch sehr unmissverständlich auf, nicht nur die Spitzenkandidatur bei den kommenden Landtagswahlen anzunehmen, sondern auch endlich seine Entscheidung bekanntzugeben.
Nach Achammers Brandrede besteigt Arno Kompatscher das Rednerpult. Was der Landeshauptmann im Meraner Kursaal dabei abliefert, darf man getrost unter die Rubrik „Allfälliges“ verbuchen. Kompatscher Rede ist langweilig, emotionslos und gespreizt. Auf einer Landesversammlung der SVP englische Sätze in seine Rede einzustreuen, ist etwa so, wie am Würstelstand einen Dom Perignon zu bestellen. Arno Kompatschers Auftritt ist staatsmännisch und er versteckt seine Botschaft in verbalen Nuancen, die im Kursaal nicht so leicht zu verstehen sind. Dass Arno Kompatscher – neben einer Unterstützungsaktion mit Plakaten durch den SVP-Bezirk Burggrafenamt – für seine Ausführung dennoch langen Applaus und Standing Ovations erhält, macht deutlich, welche Strahlkraft Kompatscher unterm Edelweiß immer noch hat.
 
 
Im Foyer erlaubt sich ein SVP-Funktionär später eine Aussage, die halb Scherz und halb ernst gemeint ist: „Der Kompatscher hat geredet wie der Magnago auf Sigmundskron, wo er die Leute beruhigen musste“.
Dass diese Einschätzung nicht ganz an den Haaren herbeigezogen ist, machen Dutzende aufgebrachte Wortmeldungen von Ortsobleuten und Parteifunktionärinnen an diesem Tag im Kurhaus deutlich. An der Basis brodelt es gehörig.
Auf einer SVP-Landesversammlung englische Sätze in seine Rede einzustreuen, ist etwa so, wie am Würstelstand einen Dom Perignon zu bestellen.
Es passt in dieses Bild, dass ausgerechnet Rosmarie Pamer als letzte Rednerin an diesem Samstag ans Pult tritt. „Ich wollte diese Rede eigentlich unter das Motto ´I scham mi` stellen“, sagt die Bürgermeisterin von St. Martin im Passeier und Obfrau des SVP-Bezirks Burggrafenamt. Der Ablauf der Landesversammlung habe sie aber umgestimmt, und trotz aller Kritik wolle sie den Saal heute „positiv gestimmt“ verlassen.
Pamer dürfte damit das ausgesprochen haben, was sich die meisten am Samstag dachten - im Saal und auf der Bühne.
Die Frage wird sein, ob diese positive Stimmung auch nach dem 25. September noch anhalten wird.
 

Update am 6.9.2022, 14.25 Uhr

 
SVP-Obmann Philipp Achammer legt Wert darauf genau zitiert zu werden. Deshalb hat er die entsprechende Passage seines Redemanuskript Salto.bz zukommen lassen. Dort heißt es:
 
"Hören wir auf mit Kräften und Personen zu kollaborieren, deren einziges Ziel offensichtlich darin besteht, der SVP zu schaden. Hören wir damit auf, mit und durch gezielte, selektive Informationen an Medien - und damit meine ich auf mehreren Seiten - ein Spiel zu spielen. Und hören wir damit auf, die eigenen Kolleginnen und Kollegen in Schwierigkeiten zu bringen, weil sie nicht immer die eigene Meinung teilen.“
 
Das wiedergegebene Zitat wurde in diesem Sinne korrigiert.
 
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Josef Fulterer Tue, 09/06/2022 - 05:37

Beim "gut oder böse - aufrichtig oder hintertückisch und beim Umgang mit den Medien, " darf der Achammer gerne bei sich selber anfangen, indem er sein Verhalten so ausrichtet, dass in den Medien "für SVP-Mitglieder ohne zu grausen" berichtet werden kann!"

Tue, 09/06/2022 - 05:37 Permalink
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Sigmund Kripp Tue, 09/06/2022 - 07:39

Man versteht schon, warum es die Pressefreiheit ist, die immer als erstes dran glauben muss, wenns kritisch wird.
Ist schon arg, dass es nicht-konforme Medien gibt, sapperlot!

Tue, 09/06/2022 - 07:39 Permalink