Economy | Nicht nur Bauern

Südtiroler Düsentriebe

Die Politik erlegt den Bauern eine Reihe an Vorschriften auf, um die Pestizid-Abdrift zu mindern – “Entscheidungen im Allgemeininteresse”, sagt Landesrat Schuler.
Injektordüsen vs. Standarddüsen
Foto: Laimburg

“Wir Landwirte sind jetzt gefordert, die Verantwortung für uns und die Gesellschaft mit bestem Wissen und Gewissen zu übernehmen.” Diesen Satz schrieb Arnold Schuler im Juli 2015 in seinem Vorwort für die Broschüre zu den Abstandsregeln beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Vier Jahre später ist dem Landwirtschaftslandesrat vermutlich bewusst, dass er gerade einen Drahtseilakt vollzieht. Nicht umsonst sagt er klipp und klar: “Das sind Entscheidungen im Interesse des Ganzen und nicht des Einzelnen.”

Am Dienstag hat die Landesregierung einen, wie Schuler weiß, nicht unumstrittenen Beschluss gefasst. Unter “zusätzliche Bestimmungen zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln” gibt die Politik dem Obst- und Weinbau eine Reihe an Vorschriften vor – und greift damit maßgeblich in die Arbeit der Bauern ein. Das Ziel aber ist eines, das eben nicht nur die Landwirtschaft angeht: die Abdrift beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln in den Griff kriegen.

 

Alle müssen sich rüsten

 

Vor allem aus den Obst- und Weinbaugebieten sind die Bilder bestens bekannt: meterhohe Sprühnebelwolken, die über den Anlagen aufsteigen. Bestens bekannt ist auch, dass die Pflanzenschutzmittel, dort ausgetragen werden, nicht immer nur dort landen, wo sie hinsollen – nämlich auf die Pflanze. Einfluss auf die Abdrift hat nicht nur die Witterung – Wind, Temperatur, Thermik, Luftfeuchte –, sondern auch die Größe der Tropfen sowie Geschwindigkeit und Richtung, in der die Spritzbrühe ausgebracht wird. Und bei diesen beide Faktoren, die von der Ausbringungstechnik vorgegeben werden, setzt die Südtiroler Landesregierung nun an.

 

Ab 1. Jänner 2020 sind auf allen Sprühgeräten im Obst- und Weinbau abdriftmindernde Düsen verpflichtend. Die Vorgabe gilt für das gesamte Gerät und für alle Anbaumethoden – integriert, biologisch, biodynamisch usw. “Ab 2020 ist nur mehr ein Typ von Düsen zugelassen: Injektor-Flachstrahldüsen”, erklärt Schuler, “deren Einsatz der Vorbeugung möglicher Abdrift gilt”.
Wie aber?

 

Grob besser als fein

 

In Südtirol werden großteils herkömmliche Hohlkegeldüsen verwendet, die beim Ausbringen der Spritzbrühe kleine Tropfen erzeugen und dadurch eine gleichmäßigere Verteilung und einen höheren Bedeckungsgrad der behandelten Pflanzenoberfläche erlauben. Die Nachteile: Die feinen Tropfen werden leichter verfrachtet – und es muss bisweilen mehr gespritzt werden, weil mehr Wirkstoffe verloren gehen, je kleiner die Tropfen sind.

Injektordüsen hingegen produzieren gröbere Tröpfchen. Diese werden, weil sie schwerer sind, nicht so weit durch die Luft vertragen. Damit kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gezielter, wirksamer und sparsamer vonstatten gehen.
“Grobtropfige Injektordüsen minimieren die Abdrift und eliminieren fast zur Gänze den sichtbaren Sprühnebel.” Zu diesem Fazit kamen Wissenschaftler des Versuchszentrums Laimburg bereits vor knapp zehn Jahren. Mittlerweile gibt es Düsen bzw. Sprühgeräte, die die Abdrift um mindestens 95 Prozent mindern.

 

Injektor-Flachstrahldüsen, wie sie in Südtirol künftig vorgeschrieben sind, können laut Julius Kühn-Institut die Abdrift um mindestens 90 Prozent verringern. An der renommierten deutschen Forschungseinrichtung werden die Geräte, die die Hersteller anbieten, geprüft und in ein Verzeichnis eingetragen. Die Hersteller von Pflanzenschutzgeräten bzw. -geräteteilen nimmt man auch in Südtirol in die Pflicht. “Sie müssen bei der Zulassung ihrer Geräte ab 2022 ein Zertifikat vorlegen, das belegt, dass die angebotenen Modelle den Vorschriften zur Abdriftminderung entsprechen”, sagt Landesrat Schuler.

 

Kontrollen, Strafen und weitere Vorgaben

 

Für die Bauern heißt es indes, sich zu rüsten. Wie viele Betriebe bzw. Geräte mit neuen Düsen ausgestattet oder ausgetauscht werden müssen, dazu gibt es keine Zahlen. “Derzeit sind in Südtirol 5.500 Sprühgeräte zugelassen, ein Teil davon ist schon vom neueren Typ und ein Teil bereits umgerüstet”, informiert Schuler. Von der Umstellung verhältnismäßig stärker betroffen seien der Weinbau und die Bioproduktion. “Wir wissen, dass wir den Bauern weitere Maßnahmen abverlangen”, sagt der Landesrat. “Dennoch tun wir diesen zusätzlichen Schritt, den wir im Vorfeld mit den Vertretern aus dem Landwirtschaftssektor abgesprochen haben.”

Für mehr als ein Stirnrunzeln dürfte allerdings die Tatsache sorgen, dass der Beschluss der Landesregierung regelmäßige Kontrollen und Strafen von bis zu 10.000 Euro vorsieht. Kontrollen durchführen und Strafen verhängen können Stadt- oder Gemeindepolizei. “Der zuständige Landesrat kann aber auch andere Behörden mit gezielten Kontrollen oder landesweiten Stichproben beauftragen”, präzisiert Schuler.

Dabei ist die Düsen-Pflicht nicht die einzige neue Vorschrift, die künftig kontrolliert und bei Verstößen bestraft werden kann. Am Dienstag hat die Landesregierung zwei weitere Maßnahmen gegen die Abdrift getroffen. Zum einen eine (noch festzulegende) Mindestfläche bei Neupflanzungen von Obst-, Wein, und Olivenkulturen – “kleine Anbauflächen weisen größere Probleme mit Abdrift auf angrenzende Flächen auf – und um Probleme mit den Anrainern zu vermeiden, soll es keine kleinen Parzellen mehr geben”, erläutert der Landesrat –, zum anderen müssen jene Bauern, die ihre Anbau-Kulturart ändern, eine Hecke zur Reduzierung der Abdrift errichten.

 

Landwirtschaft im Zaum gehalten

 

Mit den am Dienstag beschlossenen Maßnahmen zur Minderung der Abdrift soll es jedoch noch lange nicht getan sein. Die Landesregierung hat auch über künftigte Maßnahmen nachgedacht, “um den Wein- und Obstbau im Sinne der Qualität und Wirtschaftlichkeit auf angemessene Höhenlagen zu beschränken”. Die Vorschläge:

  • eine grundsätzliche Höhenbeschränkung im Weinbau – auf über 1.100 Höhenmetern soll kein Wein mehr angebaut werden – sowie eine Höhenbeschränkung im Apfelanbau
  • ein Nachweis der erforderlichen Wasserverfügbarkeit durch die Vorlage der entsprechenden Wasserkonzession
  • eine agronomische Formel für den Apfelanbau, um dafür geeignete Standorte zu ermitteln

“Es geht darum, ein Gesamtpaket zu schnüren”, bringt es Arnold Schuler auf den Punkt. Darauf angesprochen, ob es denn notwendig sei, dass die Politik den Bauern von oben herab Pflichten, Vorschriften und Einschränkungen auferlegt, meint der Landesrat: “Das sind Entscheidungen im Allgemeininteresse und nicht im Interesse des Einzelnen. Und das Allgemeininteresse stand in der Südtiroler Landwirtschaft als Solidargemeinschaft immer im Vordergrund – das hat sie so erfolgreich gemacht.”

Ob ihm die Bauern die Stange halten werden, wird sich zeigen. Rückendeckung gibt es jedenfalls vom Landeshauptmann. Arno Kompatscher stellt sich am Dienstag nicht zum ersten Mal demonstrativ hinter seinen Landesrat und Stellvertreter: “Wir machen mit dem Thema Nachhaltigkeit ernst – auf allen Ebenen.”

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Mensch Ärgerdi… Wed, 07/10/2019 - 11:06

Das sind positive Fortschritte in die richtige Richtung. Klar, den Öko-Talibans die jedes Grashalm im PPM-Bereich untersuchen (lassen), wird man es nie recht machen können, aber damit muss man leben.

Wed, 07/10/2019 - 11:06 Permalink
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Papi llon Thu, 07/11/2019 - 12:30

Es sollte aber auch festgelegt werden dass erwähnte Parzellen in Kleinstform nicht weitere Jahre mit alte Golden bestückt bleiben nur weil bei einer Neubepflanzung die Abstandsregelung in Kraft tritt.

Thu, 07/11/2019 - 12:30 Permalink