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Diabulimie

Für Diabetes 1-Patientinnen steigt in der Pubertät das Risiko, eine Essstörung zu entwickeln. Grund dafür ist die Gewichtszunahme durch die Insulintherapie.
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Foto: https://kinder-mit-typ1-diabetes.net/schlank-sein-um-jeden-preis-ess-storungen-bei-jugendlichen-mit-diabetes-typ-1/

Um Kohlenhydrate verstoffwechseln zu können, benötigen wir Insulin. Kann der Körper dauerhaft Kohlenhydrate nicht mehr so gut oder gar nicht mehr verstoffwechseln, erhöht sich die Blutzuckerkonzentration. So entsteht – in ganz wenigen Worten ausgedrückt – die Krankheit Diabetes.

Der Unterschied zwischen Diabetes 1 und 2 liegt darin, dass bei Diabetes 1 fast immer aufgrund einer Autoimmunerkrankung gar kein Insulin mehr hergestellt werden kann. Hingegen bei Diabetes 2 reicht das vorhandene Insulin nicht aus, um die aufgenommene Menge an Kohlenhydraten zu verstoffwechseln.

Kohlenhydrate (zum Beispiel in Brot, Kartoffeln, Reis, Getreide oder Nudeln enthalten) sind wichtige Energielieferanten. Wenn Insulin nicht mehr vorhanden ist, fehlt Menschen mit einem noch nicht diagnostizierten Diabetes 1 genau diese Energie. Vor der Diagnose beobachten diese Menschen deshalb oft eine rasante Gewichtsabnahme.

Nach einer Diagnose und dem Beginn der Insulintherapie können nun die aufgenommenen Kohlenhydrate (wieder) verstoffwechselt werden. Das hat zur Folge, dass Diabetes 1-Patienten anfangs meist an Gewicht zunehmen.

 

Kommt dann vor allem bei Mädchen aufgrund der angefangenen Insulintherapie die oben beschriebene Gewichtszunahme dazu, kann das ein Auslöser für eine Essstörung sein.

 

Nicht selten wird ein Diabetes 1 zwischen dem 6. und 15. Lebensjahr festgestellt. Ein Alter, in dem Jugendliche pubertätsbedingt gerade typische Veränderungen ihres Körpers feststellen. Kommt dann vor allem bei Mädchen aufgrund der angefangenen Insulintherapie die oben beschriebene Gewichtszunahme dazu, kann das ein Auslöser für eine Essstörung sein. Im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne Diabetes haben etwa doppelt so viele insulinpflichtige junge Frauen (zwischen 14 und 20 Jahren) eine Essstörung!

 

 

Bei jungen Mädchen ohne Diabetes sind die Essstörungen meist Bulimie, also Essanfälle mit anschließendem Erbrechen, exzessivem Sport oder Abführmittel. Bei Diabetiker*innen kommt noch das sogenannte Insulin-Purging dazu. Man nennt das auch Erbrechen über die Niere, denn durch ein gezieltes Weglassen von Insulin können die Kohlenhydrate nicht verstoffwechselt werden und werden über die Niere wieder ausgeschieden.

Was im ersten Moment wie „die perfekte Lösung“ zur Gewichtsregulierung aussieht, ist tatsächlich ein sehr gefährliches Spiel mit der Gesundheit und kann sogar zum Tod führen!

Denn durch das Weglassen des Insulins haben die Betroffenen dauerhaft einen erhöhten Blutzuckerspiegel, was gravierende Folgen für den Körper hat. Der erhöhte Blutzuckerwert führt zu schweren Stoffwechselentgleisungen mit Folgeschäden an Organen (Herz, Niere, Augen), Gefäßen und Nerven.


Anzeichen für eine Diabulimie
 

In nicht seltenen Fällen versuchen die Betroffenen ihr Verhalten zu verheimlichen. Laut der Deutschen Diabetesgesellschaft sollte von einem Arzt bei folgenden Anzeichen eine Differenzialdiagnose auf Bulimia nervosa mit oder ohne Insulin-Purging durchgeführt werden: Der Glukosewert unterliegt starken Schwankungen, der/die Diabetes-Patient*in hat starke Gewichtsschwankungen, der HbA1C-Wert ist erhöht (dieser Wert beschreibt den Blutzucker der letzten 8 bis 12 Wochen). Dazu kommt oft eine ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme und ein starkes Auseinandersetzen mit Kalorien, Gewicht und Sport.

Wie bei allen anderen Essstörungen auch ist es wichtig, professionelle Hilfe in einem interdisziplinären Team aufzusuchen. Es sollte unbedingt eine psychologische Betreuung stattfinden. Zusätzlich ist es wichtig, den jungen Menschen genau über die teils schweren Folgen eines Unter- oder Überzuckers (noch einmal) aufzuklären.