Politics | Aus dem Blog von Stephan Kerschbaumer

CoSMiCE - Studientitelanerkennung aus einer europäischen Perspektive

Bratislava - Frühling 2014, vier Wochen vor den Wahlen zum Europa-Parlament: Studierende aus ganz Europa treffen sich in der slowakischen Hauptstadt, um die Herausforderungen einer gestiegenen Studierendenmobilität anzugehen: eine spannende Mischung aus Inhalten, Ideen, Konzepten und neuen Freundschaften.
Note: This article is a community contribution and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.

Europa entdecken
Am Montag Morgen ging es los. Mit einem Online-Zugticket in der Tasche und einer Portion Neugier in den Knochen fuhr ich zuerst nach Wien und dann nach Bratislava, zwei europäische Hauptstädte, die einander so nah sind und doch so verschieden.

Eine Vielzahl von Gedanken begleiteten mich. Die Berge wurden flacher, der markante Südtiroler Dialekt seltener. Noch nie war ich bisher in Osteuropa gewesen. Oder ist die richtige Bezeichnung nicht doch „ehemalige sozialistische Staaten“? Klar, ich war in Prag gewesen, damals, in der 4. Klasse Oberschule. Die fast schon obligatorische Reise, die Generalprobe, sozusagen, für die Klassenfahrt, die ein Jahr später stattfinden sollte. Dementsprechend kalt war das Bier in den Prager Nächten. Aber als Erwachsener, als politisch interessierter Mensch sollte dies mein erstes Mal hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang sein.

Grund meiner Reise war die Teilnahme am CoSMiCE (Challenges of Student Mobility in a Cosmopolitan Europe). Geladen hatten die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) sowie die slowakische SRVS. Gekommen waren VertreterInnen diverser europäischer Studierendenvereinigungen, von Reykjavík bis Istanbul, von Lissabon bis Jerewan. Eine bunte Mischung, die mich einiges lernen ließ.

Da war zum Beispiel die türkische Delegation, die von ihren Auslandserfahrungen erzählten: Um ein Auslandssemester im Rahmen des Erasmus-Programms in der EU zu absolvieren, investierte manch einer fast 1000 Euro für Studierenden-Visa. Die Aufenthaltsgenehmigung trudelte dann knapp vier Wochen vor Ende des Semesters ein. Zum Vergleich: Ein/e EU-BürgerIn beantragt das Visum für die Türkei am Ausgang des Flughafens in der Türkei für lächerliche 15 Euro. Die Aufenthaltsgenehmigung bekommt man innerhalb von drei Tagen.

Europäische Lösungen
In den vier Tagen in Bratislava sollten wir Lösungen für die Herausforderungen einer gestiegenen Mobilität junger Studierender suchen.

Intranational Mobility und Brain Drain/Brain Gain, Nordic Mobility Model und Swiss Mobility Model, Gender und Underrepresented Groups in student mobility, diese und andere wichtige Themen wollten durchdacht und diskutiert werden.

Mein Beitrag zur Diskussion war ein Workshop über das Thema „Recognition of Degrees“. Schließlich kämpfen bereits Generationen Südtiroler Studierender mit diesem Problem, für das es auch heute noch keine zufriedenstellende Lösung gibt. Ja, der so genannte Notenwechsel zwischen Österreich und Italien gibt vielen SüdtirolerInnen, aber nicht nur, die Möglichkeit, ihren Studientitel im jeweils anderen Land anerkennen zu lassen. Zu diesem „Ja“ gesellen sich mehrere Aber. Zum einen schauen die AbgängerInnen von österreichischen Fachhochschulen durch die Finger. Zum anderen erfordern „reformfreudige“ österreichische Universitäten, die immer wieder neue Studiengänge anbieten, eine stete Aktualisierung der Liste anerkannter Studientitel. Dass die Mühlen der Bürokratie, nicht nur der italienischen, zu langsam sind, wissen nicht zuletzt auch die Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Innsbruck.

Längst hat das Problem der Studientitelanerkennung eine europäische Bedeutung erlangt.

Auch das sollte mein Workshop aufzeigen: Die Mobilität der Studierenden in allen Ländern der EAHE (European Area of Higher Education) ist im Steigen begriffen. Die Anzahl jener Menschen, die für ein Hochschulstudium das Land wechseln, wächst. Junge Menschen verlassen ihr Land, um ein neues, unbekanntes Terrain zu erkunden - nicht allein deshalb, weil sie einer Minderheit angehören und in ihrer Muttersprache studieren wollen. Aus diesem Grund beschäftigen sich Regierungen mit der Studientitelanerkennung - ohne sie als spezifisches Problem einer sprachlichen Minderheit zu betrachten.

Die dabei gefundenen Lösungsansätze sind teilweise attraktiver und flexibler an jene des italienisch-österreichischen Notenwechsels. Zu nennen sei das norwegische Modell: Ein unabhängiges Gremium erarbeitet eine Liste ausländischer Studientitel, die automatisch anerkannt sind; den Universitäten ist es freigestellt weitere Studientitel anzuerkennen.

Eine solche automatische Anerkennung von ausländischen Studientiteln basiert auf dem Vertrauen in die Qualität ausländischer Universitäten. Diese Voraussetzung ist aber nicht immer vorhanden. Zu unterschiedlich sind akademische Traditionen und die gesetzten Standards. Eine flexiblere, ja fast automatische Anerkennung akademischer Titel kann somit, zumindest in der Anfangsphase, nur zwischen Staaten funktionieren, deren universitäres System auf gemeinsamen Prinzipien basieren.

Dieser Vorschlag, ähnlich der „verstärkten Zusammenarbeit“ auf der Ebene der EU, wird bereits analysiert. Noch in diesem Jahr soll es den am Bologna-Prozess teilnehmenden Regierungen unterbreitet werden.

Angesichts der nahenden Wahlen zum Europaparlament mehren sich die Stimmen, die mühsam errungene Fortschritte auf dem europäischen Parkett in Frage stellen. Gerade die Stadt Bratislava und das Thema der Studientitelanerkennung beweisen aber deren Bedeutung, gerade für junge Menschen. Zum Zeitpunkt meiner Geburt war Bratislava noch vom Grau des Eisernen Vorhangs verhüllt. Heute blüht diese Stadt auf: Jung, dynamisch und ökologisch sucht Bratislava seinen Platz in Europa. Die Mobilität der Studierenden und somit auch die Studientitelanerkennung vereint junge Menschen in ganz Europa. Als solches kann eine Lösung nur europäisch sein. Bilaterale oder sogar lokale Lösungen können diesen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden.

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Maximilian Ben… Mon, 05/12/2014 - 08:26

es gibt in vielen Bereichen "best praktices", die mittlerweilen von Osteuropa, Litauen oder Brasiien kommen. Deshalb ist eure Initiative so wichtig. Die Jungen sollen soviel wie mòglich rumkommen, ohne dabei benachteiligt zu werden.

Mon, 05/12/2014 - 08:26 Permalink