Chronicle | Sonderfonds

Durnwalders Urteile

Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder bezieht nach dem bestätigten Sonderfonds-Urteil Stellung – und sieht sich von seinem Nachfolger “allein im Regen stehen gelassen”.
Luis Durnwalder
Foto: Salto.bz

Die Partei hat ihm für seinen Auftritt ihren Sitz in der Bozner Brennerstraße zur Verfügung gestellt. “Immer volle Solidarität” habe ihm die SVP zukommen lassen, betont Luis Durnwalder. Nach dem jüngsten Urteil tritt er vor die Medienvertreter. Das Kassationsgericht hat die 30 Monate Haft für den Altlandeshauptmann in der Sonderfonds-Causa bestätigt. Nach den völligen Freisprüchen in erster und zweiter Instanz haben die Höchstrichter in Rom in einem von fünf Anklagepunkten “es geschafft, ihn anzugreifen”, geht Gerhard Brandstätter gleich zur Attacke über. Er ist einer der vier Anwälte, die Durnwalder vertreten. Und sieht ihn ein Opfer “gezielter und merkwürdiger Ermittlungen”, gerichtet gegen die Person Durnwalder, “der mehr als alle anderen der Landeshauptmann aller” gewesen sei. Der Verurteilte selbst meint, er habe den Verdacht, dass das Urteil “politisch oder politisch und persönlich motiviert” sei. Dabei nutzt Durnwalder selbst den Medientermin und das große Interesse daran, um ein politisch vernichtendes Urteil zu fällen. Über seinen Nachfolger.

 

Anders als die SVP, der der keinen Vorwurf mache, habe ihn Arno Kompatscher und mit ihm die gesamte Südtiroler Landesregierung “allein im Regen stehen gelassen”, schimpft Durnwalder. Seine Enttäuschung darüber, dass das Land darauf verzichtet hat, sich ad adiuvandum in den Prozess einzulassen, hat er bereits zuvor im “Tagblatt der Südtiroler” verlauten lassen. Der Titel des am Freitag erschienenen Dolomiten-Interviews – “Von Kompatscher im Stich gelassen” – sei zwar “ein bisschen provokant”, meint Durnwalder, ohne auf die Hintergründe einzugehen – und schickt gleich das Aber hinterher. Die Landesregierung hätte ihn vor Gericht “begleiten” können: “Ich hätte mir ein bisschen mehr konkrete Hilfe erwartet.” Tatsächlich hatte Kompatscher in einem Interview mit salto.bz im Juni 2018 gemeint: “Wir haben sofort die Anwaltschaft des Landes beauftragt zu prüfen, welche Rechtsmittel wir einlegen können. Denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Verwalter, die in der Vergangenheit für das Land tätig waren, nicht zu Unrecht zur Kasse gebeten werden. Deshalb werden wir alle Rechtsmittel nutzen, die uns zur Verfügung stehen, um Altlandeshauptmann Durnwalder (…) zu verteidigen.”

Auszüge aus dem Interview hat Durnwalder mitgebracht – und verteilt die Kopien davon selbst unter den anwesenden Journalisten. Anlass des Interviews war damals allerdings nicht die Causa Sonderfonds gewesen. Sondern die Verurteilung zur Schadenszahlung von 1,136 Millionen Euro für Durnwalder und den ehemaligen Amtsdirektor Heinrich Erhard durch den Rechnungshof wegen rund hundert Jagd-Dekreten für geschützte Tierarten, insbesondere Murmeltieren.

Über diesen Prozess spricht Durnwalder am Freitag Vormittag ebenfalls. Sowohl zum Sonderfonds als auch zu den Abschüssen habe es Landesgesetze gegeben. “Hier geht es um die Verteidigung der Autonomie. Aber nix ist passiert!” Stattdessen sei zugeschaut worden, “wie hier einer gerupft wird” und die Autonomie ausgehöhlt werde.

“Urteile sind zu respektieren. Aber sie können analysiert, kritisiert, hinterfragt und angefochten werden.”
(Gerhard Brandstätter)

 

 

Worum es konkret geht

 

Die Ermittlungen zur Sonderfonds-Causa haben 2012 begonnen. Die Staatsanwaltschaft am Rechnungshof leitete die Sache an die Strafrichter weiter. Am 11. Juni 2016, also auf den Tag genau vor fünf Jahren, verlas Richter Carlo Busato den Freispruch am Bozner Landesgericht. Die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. Im Mai 2017 bestätigte das Oberlandesgericht den Freispruch. Die Anklage zog vor das Kassationsgericht, das den Fall wegen einem der fünf Anklagepunkte zurück an das Oberlandesgericht Trient verwies. 2019 das Urteil: zwei Jahre und sechs Monate Haft für Luis Durnwalder. Wegen Unterschlagung im Amt.

Als Landeshauptmann hatte er auf einen Sonderfonds Zugriff. Dieser wurde jährlich mit dem Haushaltsgesetz bestückt. Durnwalder durfte 75.000 Euro im Jahr für Repräsenationsausgaben verwenden, darunter für Vereine, Verbände, Musikkapellen, Chöre, Maturabälle. Für gewisse Zwecke streckte er Geld aus der eigenen Tasche vor, das er sich später aus dem Sonderfonds zurückzahlen ließ. “Wenn ich zum Beispiel am Sonntag 1.000 Euro bei Einweihungen an verschiedene Vereine ausbezahlt habe, so habe ich am Montag der Sekretärin, die den Sonderfonds verwaltet, die Belege für diese Beiträge übergeben”, erklärt Durnwalder. “Wenn ich nun am Dienstag eine private Rechnung von 500 Euro bezahlen musste, so habe ich der Sekretärin gesagt, sie soll diese private Rechnung mit dem Geld zahlen, das sie mir schuldet. Dieser Betrag wurde mir also auf diese Art und Weise rückvergütet und am Ende des Monats von dem mir geschuldeten Betrag abgezogen.”

Wenn er also Geld aus dem Sonderfonds behoben und für private Zwecke verwendet habe, dann stets nur, weil er vorher ein Guthaben angereift habe, betont Durnwalder. Sämtliche Ausgaben dokumentierte er penibel.

 

Für Bozen ok, für Trient und Rom nicht

 

“Selbst der damalige Staatsanwalt Guido Rispoli hat die Ausgaben in Ordnung befunden und bestätigt, dass ich keinen einzigen Cent in die eigene Tasche abgezweigt habe”, erinnert der Alt-Landeshauptmann. In Trient und Rom beantragten seine Verteidiger, einen Gutachter zu beauftragen, der die Dokumentationen überprüfen und bestätigen sollte, dass es sich um Rückvergütungen von zuvor aus der eigenen Tasche bestrittenen Spesen handelte und nicht um die Kompensierung von privaten Ausgaben, die aus dem Sonderfonds bezahlt und danach von Durnwalder zurücküberwiesen wurden. “Wir sind sehr perplex, dass diese Anträge nicht zugelassen wurden”, meint Anwalt Brandstätter. Er fragt sich: “Wie kann es sein, dass jemand verurteilt wird, ohne dass der entscheidende Beweis zugelassen wird?”

 

Der Gang nach Straßburg

 

Auch die Tatsache, dass nur gegen ihn ermittelt wurde, wo doch “sowohl meine Vorgänger als auch die restlichen Landesärte und Landtagspräsidien einen Sonderfonds hatten und ihn so verwalteten – diese Praxis also immer so angewandt wurde”, lässt Durnwalder und Brandstätter von einem “unglaublichen, ungerechten und falschem Urteil” sprechen. Sie wollen nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. Wegen einer “offensichtlichen Verletzung der italienischen Strafprozessordnung und der europäischen Menschenrechtskonvention, die in Art. 6 das Recht auf ein faires Verfahren garantiert”, erklärt Brandstätter. “Das Recht auf Beweislieferung wurde verwehrt.”

“Alle haben es so gemacht, doch bei mir will man nun eben ein Exempel statuieren. Weil ich Luis Durnwalder heiße und nicht immer so gefügig war, wie es der eine oder andere gewollt hätte.”
(Luis Durnwalder 2018)

Der Gang nach Straßburg, wo zunächst die Zulässigkeit des Rekurses überprüft werden muss, ist kein einfacher. Brandstätter rechnet mit mindestens drei Jahren Verfahrensdauer. Dann wird feststehen, ob Italien zur Wiedergutmachung bzw. Schadenersatz gegenüber Luis Durnwalder verurteilt wird oder nicht. Weitaus früher – sobald die Begründung des jüngsten Urteils da ist – wird feststehen, ob Durnwalder die bestätigte Haftstrafe von 30 Monaten in Form von Sozialarbeit ableisten kann. “Vielleicht kann ich ja, so wie Berlusconi, ins Altersheim, zum Watten oder Witze erzählen.”