Politics | Kommentar

Die Grenzen meiner Sprache

Statt “Ferragosto” soll man wieder zur früheren, deutschen Bezeichnung des Feiertages zurückkehren. Doch davon gibt es gleich mehrere.

 Es ist ungewiss, ob Roland Lang, Obmann des Südtiroler Heimatbundes, Ludwig Wittgenstein gelesen hat. Doch seine Befürchtung, dass ein Verschwinden deutscher Begriffe auch mit einem Verlust von Identität und Brauchtum verbunden ist, scheint einer tiefen Wittgensteinschen Überzeugung zu entspringen: „Die Sprache ist das Vehikel unseres Denkens.“ Deswegen fordert der Heimatbund, auch beim alltäglichen Sprachgebrauch die italienischen Einflüsse zu meiden und sich an den althergebrachten deutschen Namen zu halten. Das gilt nicht zuletzt für den Feiertag, der neuerdings auch von deutschsprachigen Südtirolern so gerne als „Ferragosto“ betitelt wird.

Auf Deutsch wird der Feiertag „Mariä Himmelfahrt“ genannt und soll die Aufnahme Marias in den Himmel würdigen. Ganz anders als das italienische „Ferragosto“, das auf die heidnischen Feierlichkeiten, die von Kaiser Augustus eingeführt wurden, zurückgeht. Für Südtirol hat der Feiertag aber noch eine ganz besondere Bedeutung. 1959 wurde das kirchliche Hochfest nämlich zum großen Landesfeiertag erklärt, um die Befreiung Tirols im Jahre 1809 zu feiern. Seitdem nennt man den 15. August auch „Hoher Frauentag“ oder „Hochunserfrauentag“.

Womöglich hatte Wittgenstein also doch unrecht? Je kleiner die Grenzen meiner Welt, desto mehr Wörter benötigt meine Sprache. Wie genau man den Feiertag nun nennt – ob Mariä Himmelfahrt, Hoher Frauentag oder Hochunserfrauentag, sei jedenfalls egal; Hauptsache, nicht Ferragosto, so der Heimatbund im O-Ton. Denn Heimatverlust macht keine Ferien. Auch am 15. August nicht.

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Pole Poppenspäler Thu, 08/11/2016 - 13:08

Alle vom SHB haben Wittgenstein gelesen, gewiss! Er schrieb auch, die Welt sei alles, was der Fall ist. Auch Ferragosto ist der Fall. Ob eine gewisse Maria in den Himmel aufgefahren ist, ist weniger verbürgt. Aber vielleicht weiß hier Obmann Lang mehr als wir gewöhnlichen Sterblichen. Ach du Heimat, wo noch niemand war...

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