Politics | Freiheitliche

Leitners Anklage

Nach seiner Verurteilung legt Pius Leitner sein Landtagsmandat nieder. Der Partei bleibt er dennoch erhalten – und will sich wehren: “Ich habe ein reines Gewissen.”
Die Freiheitlichen
Foto: Salto.bz

“Ich bin dann mal weg!” Wie Hape Kerkeling im gleichnamigen Buch will Pius Leitner allerdings nicht aufbrechen, um den Jakobsweg zu beschreiten. Der Freiheitliche Ehrenobmann hat eine Pilgerfahrt der ganz anderen Art vor sich. Zu Kreuze kriechen kommt für ihn nicht in Frage. Wehren will er sich, gegen “das System”, “die Einschüchterung” und gegen “die Ungleichbehandlung”, die ihm vergangenen Freitag aus seiner Sicht zuteil geworden ist als ihn der Richter am Bozner Landesgericht wegen Unterschlagung von Fraktionsgeldern schuldig gesprochen und zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt hat. Doch Pius Leitner wird seinen Kampf vor Gericht nicht als Landtagsabgeordneter fortsetzen. “Um 14.24 Uhr habe ich den Landtagspräsidenten informiert, dass ich mein Mandat niederlege”, teilt Leitner der versammelten Medien des Landes mit, die am Montag Nachmittag in den Landtag zur Pressekonferenz der Freiheitlichen gekommen sind, bei der die Parteivertreter und der Verurteilte selbst erstmals öffentlich Stellung beziehen.

Pius Leitner verkündet seinen Rücktritt als Freiheitlicher Landtagsabgeordneter: Am Ende versagt ihm die Stimme

Das System und seine Tücken

“Das System schlägt zurück.” Mit diesen Worten eröffnet Ulli Mair, die am Freitag von allen Vorwürfen frei gesprochen wurde, die Pressekonferenz. Dann folgt eine lange Stellungnahme von Pius Leitner. Er sei sich keinerlei Schuld bewusst, habe ein reines Gewissen und wer ihn kenne, wisse, dass er nichts gestohlen habe: “Keinen einzigen Cent habe ich in der Zeit von 2008 bis 2013 unterschlagen, und auch weder davor noch danach.” Das einzige, das in der ganzen Geschichte unterschlagen worden sei, kritisiert Leitner, sei, “dass ich in den fünf Jahren über 90.000 Euro aus der eigenen Tasche auf das Fraktionskonto eingezahlt habe” – beinahe die doppelte Summe von etwas mehr als 47.000 Euro, die von der Staatsanwaltschaft beanstandet wurden. Einer Staatsanwaltschaft, gegen die Pius Leitner und Ulli Mair schwerste Vorwürfe erheben. Denn für den Blauen Ehrenobmann steht fest: “Deren Absicht war von Anfang, mich politisch auszuschalten. Und Ulli Mair gleich mit. Dabei hat man nichts anderes erreicht als dass eine unschuldige Frau drei Jahre lang von den Medien und der Öffentlichkeit durch den Kakao gezogen wurde. Dafür erwarte ich mir eine öffentliche Entschuldigung des Staatsanwalts!”

“Allein die Ermittlungen der Behörden lassen tief blicken und den Schluss zu, dass man etwas finden musste, auch wenn nichts vorlag.”
(Pius Leitner)

Große Zweifel gegen die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft und der Bozner Gerichtsbarkeit sind bei den Freiheitlichen auch aufgrund der Tatsache aufgekommen, dass sie einem verkürzten Verfahren zugestimmt hatten, das sich unterm Strich aber über zwei Jahre hingezogen hat. Eine Verzögerungstaktik, um der Partei im Hinblick auf die Landtagswahlen 2018 den größtmöglichen Schaden zuzufügen? “Ja, das unterstelle ich”, bestätigt Leitner. Südtirol sei offensichtlich keine Ausnahme in einem Italien, in dem sich die Justiz immer öfter in die Politik einmischt – und sich gar an die Stelle der Politik setzt. “Wenn Igor Secco (der zuständige Staatsanwalt in dem Prozess gegen sie und Leitner, Anm. d. Red.) gerne Karriere machen will, soll er sich eine Partei suchen”, wettert Ulli Mair. “Ein klarer Fall von Politikjustiz”, steht auch für Parteiobmann Walter Blaas fest.

Leitner geht – und bleibt

Das erste Donnerwetter ist vorüber, zurück bleibt eine kampfeslustige Blaue Truppe. “Mein Kampfgeist ist keineswegs erloschen, ich gehe erhobenen Hauptes und kann allen in die Augen schauen”, sagt Leitner. Er ist sich gewiss, am Ende als freier Mann dazustehen: “Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass ich die Berufung gewinnen werde. Mehr Sorgen mache ich mir allerdings um die Demokratie und die Institution Landtag, die durch die ganze Geschichte Schaden genommen haben.” “Hat es nicht eine gravierende Einschüchterungswirkung auf die Demokratie insgesamt, wenn ein Fraktionsvorsitzender, der peinlichst genau über alle Ausgaben seiner Fraktion Buch geführt hat, verurteilt wird?” Diese Frage stellt sich Pius Leitner – zusammen mit einer Reihe weiterer Fragen: “Ich hoffe, dass die Institution Landtag erkennt, dass hier die Ausübung des freien Mandats und damit die demokratischen Rechtsmittel massiv eingegrenzt werden.”

Seine Schlüsse hat der Fraktionssprecher der Freiheitlichen im Landtag jedenfalls bereits gezogen. Anstatt das Ende der 18-monatigen Suspendierung, die ihm laut Severino-Gesetz nach seiner Verurteilung bevorsteht, wird er den Landtag räumen: “Ich lasse mich sicher nicht suspendieren und kassiere dafür. Der Aufschrei, der dann folgen würde, wäre wohl gerechtfertigt.” Auch um seinen Sitz nicht leer zu lassen, wird der Nächstgewählte auf der Liste der Freiheitlichen bei den Landtagswahlen 2013, Hannes Zingerle, für Leitner nachrücken. Das Problem, dass Zingerle inzwischen aus der Partei ausgetreten ist, will man bei gemeinsamen Gesprächen klären.

Leitner selbst will seiner Partei in beratender Funktion auch weiterhin zur Seite stehen. “Wir brauchen ihn jetzt mehr denn je”, gesteht Ulli Mair. “Keinesfalls aus Schuldgefühlen” mache er diesen Schritt zurück, will Leitner festgehalten wissen, “sondern ausschließlich zum Schutz der Institution Landtag, meiner Partei und – warum nicht, das will ich nicht bestreiten – auch zum Schutz meiner Person und meiner Familie.” An dieser Stelle versagt Pius Leitner für einen Augenblick die Stimme. Doch umso schneller hat er sich wieder gefasst. Nun wird er es sein, der – gemäß der Metapher von Ulli Mair – zurückschlägt. Oder es zumindest versuchen wird.

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Andrea Terrigno Wed, 03/15/2017 - 11:38

Kampfgeist? Kampfgeilheit würde wohl eher passen. Man sieht eben NUR das, was man sehen will, und verlangt, dass es die anderen genau so sehen. Hat so einen feisbuk-Nachgeschmack. Im Klartext: Sch..sse.

Wed, 03/15/2017 - 11:38 Permalink