Economy | Gastkommentar

Kurzsichtige Forderungen

Sollen Gewinne aus dem Stromgeschäft für die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates oder Strompreissenkungen eingesetzt werden? Ein Kommentar von AFI-Direktor Stefano Perini.

In diesen Tagen wurde die Fusion zwischen SEL und Etschwerken durch die Zustimmung der Gemeinderäte von Bozen und Meran offiziell besiegelt. Durch die Stromhochzeit soll Italiens drittgrößter Produzent von erneuerbarer Energie entstehen – man rechnet jährlich mit einem Reingewinn von schätzungsweise 100 Millionen Euro. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion rund um den Strompreis natürlich wieder aufgeflammt. Ein Teil von Unternehmern und Mitbürgern wünschen sich nichts sehnlicher als billigen Strom. Die Eigentümer – also Land und Gemeinden – sollen nicht auf Gewinnmaximierung setzen, sondern ein für Familien und Unternehmen tragbaren Strompreis soll im Vordergrund stehen, heißt es in einem gemeinsamen Dokument, das der Unternehmerverband und die Gewerkschaften Ende November 2014 dem Landeshauptmann überreicht haben.

Landeshauptmann Arno Kompatscher sieht das anders. Zum einen würden die Gewinne in die Modernisierung des Verteilernetzes reinvestiert. Zum anderen würden über die Einnahmen aus dem Stromgeschäft Wohlfahrtsleistungen für die Bürger finanziert, sehr oft im Bereich der Grundversorgung. Über eine teilweise Verwendung der Gewinne für die Reduzierung der Strompreise könne man reden. Das Stromparadies werde aber nicht ausbrechen, denn „billiger Strom für alle sei weder ökonomisch wie ökologisch sinnvoll“.

"Es mag sein, dass es kurz vor den Gemeinderatswahlen cool ist, günstigen Strom einzufordern. Auf irgendeine Weise muss sich aber auch der Wohlfahrtsstaat finanzieren."

In dieser Sache hat der Landeshauptmann recht. Will man dem weltweiten Klimawandel entgegentreten, müssen die industriell entwickelten Länder ihren Energie- und Rohstoffverbrauch stark drosseln. Es muss also unattraktiv werden, viel Energie und Rohstoffe zu verbrauchen. Parallel muss der Faktor Arbeit steuerlich entlastet werden – womit auch wieder mehr Arbeitsplätze entstehen würden. Kurzum, die industrialisierten Staaten müssen die Transformation von einer Energie- und rohstoffintensiven Wirtschaft hin zu einer arbeitsintensiven meistern. Würde dieser Weg – selbst in Europa - mit Überzeugung beschritten, wäre bereits ein Teil des Klimaproblems gelöst und ein großer Schritt in der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit getan.

Es mag sein, dass es kurz vor den Gemeinderatswahlen cool ist, günstigen Strom einzufordern. Auf irgendeine Weise muss sich aber auch der Wohlfahrtsstaat finanzieren. Und wie soll das gelingen, wenn nicht über die Einnahmen aus dem Stromgeschäft, zumal ja auch Irap und Irpef niedrig gehalten werden sollen, um die Lohnnebenkosten zu senken bzw. die Nettoeinkommen zu stützen. Im Prinzip ist es gut, wenn sich Sozialpartner verstärkt in vielen Dingen treffen. In dieser Sache treffen sie sich allerdings in ihrer Kurzsichtigkeit.

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Mensch Ärgerdi… Mon, 02/16/2015 - 17:28

So ein Schwachsinn! Was spielt den hier Ökologie für eine Rolle, wenn der Strom durch erneuerbare Quellen produziert wird? Gerade heute hat der LH den goldenen Lügenbeutel für das Verharren auf den wirtschaftlichen unsinnigen und ökologisch katastrophalen Flugplatz bekommen. Von was für ein Wohlfahrtstaat reden wir überhaupt, wenn er jährlich Milliarden in BBT, Flugplatz, Safety Park und weitere hirnrissige Projekte verschleudert, während er Krankenhäuser schließt?
Die Bürger und die Unternehmer zahlen schon so genug Steuern, wenn es mit der öffentlichen Verwaltung so weiter geht, ist der Sozialstaat eher komplett zu überdenken.

Mon, 02/16/2015 - 17:28 Permalink
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Stefan Troyer Fri, 02/20/2015 - 14:39

In reply to by Mensch Ärgerdi…

Ein Schwachsinn ist schon viel eher Ihr erster Satz. Wie schon mehrfach geschrieben, wird "DER STROM", von dem hier alle reden, im europäischen Verbundnetz nur zu einem Prozentsatz aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Jede und jeder, die oder der an dieses Netz angeschlossen ist, verursacht mit dem Verbrauch von 1 kWh an elektrischer Energie den Ausstoß von ca. 400-450 g CO2, von anderen mindestens ebenso unliebsamen Nebenprodukten einmal abgesehen.
"100% Strom aus erneuerbaren Quellen" gibt es in Europa erst, wenn kein einziges Kohle-, Gas-, Atom- und Schwerölkraftwerk (ja, die gibt es noch!) mehr an dieses Netz angeschlossen ist. Alles andere ist eine glatte Lüge und Betrug am Verbraucher!
Und selbst wenn wir so weit kämen, unsere Energieversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu bestreiten, dann verbraucht auch die umweltfreundlichste aller Energiequellen noch Einiges an nicht erneuerbaren Ressourcen, und zwar für den Bau, den Betrieb, den Bau und den Ausbau von Stromnetzen...
Selbst wenn wir unseren Stromverbrauch drastisch reduzieren würden, braucht es noch gewaltige Anstrengungen, um auf "100% erneuerbare Quellen" umzusatteln. Dazu braucht es einen Kraftwerkspark, der jedem unserer leider viel zu zahlreichen Möchtegern-Umweltschützer mit akutem NIMBY-Syndrom (das sich bei genauerer Analyse zumeist als blanker Futterneid in Südtiroler Ausprägung entpuppt - lieber selber "zum Schlechteren kommen" als dass der Nachbar auch nur einen Cent mehr hat) ganze Tränenströme in die Augen treibt. Wohlgemerkt, das Ganze bereits ohne Zunahme des Verbrauchs.
Der einzige Weg hin zu einer halbwegs nachhaltigen Energie- und nicht bloß Stromversorgung ist Einsparung und vor allem Verzicht. Billige Energie ist ganz eindeutig der falsche Weg.
Aber das ist halt unbequem, gell?

Fri, 02/20/2015 - 14:39 Permalink
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Stefan Troyer Fri, 02/20/2015 - 18:14

In reply to by Mensch Ärgerdi…

Wo bitte habe ich geschrieben, dass erneuerbare Energien keinen Sinn haben? Ich habe geschrieben, dass:

a) wir Lichtjahre davon entfernt sind, elektrische Energie aus "100% einheimischer Wasserkraft" zu verbrauchen, da wir in das europäische Verbundnetz eingebettet sind, und da sieht der Strommix nun mal etwas anders aus als wenn man Südtirol isoliert betrachtet.

b) nicht nur angesichts des großen Abstandes zu "100% erneuerbarer Energie" gleichzeitige Effizienzmaßnahmen unumgänglich sind, schon allein deshalb, um die Investitionen (und den Ressourcenverbrauch) für den Ersatz des bestehenden Kraftwerksparks einigermaßen einzudämmen.

Die nicht ungern von der Politik und auch von Mitbürgerinnen und -bürgern vertretene Meinung, es genüge, die gesamte Ressourcenversorgung "grün anstreichen" und dann könne man weitermachen wie bisher, ist nicht nur falsch, sondern sehr gefährlich, denn unseren Lebensstil gibt es nicht zum Nulltarif, und den wird es nie geben.

Bestes Beispiel: Die bekannten Lithiumvorräte würden um ganze Größenordnungen zu klein sein, um die Akkus herzustellen, die es bräuchte, den gesamten Fahrzeugpark der Welt wie wir ihn jetzt benutzen auf Elektroautos umzurüsten. Dies heißt jedoch nicht, dass Elektroautos an und für sich sinnlos sind.

Fri, 02/20/2015 - 18:14 Permalink
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Philipp Fallmerayer Thu, 02/19/2015 - 14:05

Es ist immer wieder verwunderlich wie sich in Südtirol mittlerweile fast jeder erhaben genug fühlt um zum Thema Energie und im Besonderen zur Strompreisthematik sein Bestes zu geben. Dem Verfasser dieses Artikels müsste es, inmitten seiner Unmenge an publizierten Statistiken, gelingen über den Tellerrand hinauszublicken, so sind unter anderem die von ihm genannten Industrienationen genau jene, die ihren Energieverbrauch weder drosseln noch einschränken sondern steigern, das bringt der Begriff Industrienation, stellen Sie sich vor, so mit sich. Man denke an weit mehr industrialisierte Staaten als das Gastgeberland, man empfiehlt dem Verfasser sich Zahlen aus China, Indien, den USA, Frankreich und Deutschland anzusehen. In Bezug auf die steuerliche Belastung (des Faktors Arbeit) im Gastgeberland möge sich der Verfasser abseits seiner Statistiken bewegen und bei den Wirtschaftstreibenden vor Ort nachfragen warum sie mit dem Gedanken spielen (oder es bereits getan haben) ihre Produktionsstätten im Ausland anzusiedeln oder der Nachfolgegeneration abraten den Kleinbetrieb weiter zu führen.
Ich zitiere die Passage, dass "...über die Einnahmen aus dem Stromgeschäft Wohlfahrtsleistungen für die Bürger finanziert, sehr oft im Bereich der Grundversorgung..." würden und lade den Verfasser dazu ein diese allgemeingültige Meinung mit den nötigen Details zu untermauern. Die Grundversorgung ist nämlich bereits gewährt, oder fällt bei Ihnen im Büro, Herr Perini, manchmal tageweise der Strom aus?
In Bezug auf den Endpreis auf der Stromrechnung müsste das Prinzip, dass wir hier von einem reglementierten Markt sprechen, mittlerweile sogar nach Südtirol vorgedrungen sein. Politiker und solche, die es werden wollen, wären somit sehr gut beraten die Bevölkerung nicht dermaßen zu bevormunden und sie im Glauben zu lassen die Stromrechnung sei günstiger nur weil der Nachbar eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat oder die Gemeinde bei einem Wasserkraftwerk beteiligt ist. Oder glauben Sie tatsächlich, dass wenn ein Mitglied der Familie Reemtsma sich eine Packung Zigarretten im Geschäft kauft einen außerordentlichen Skonto bekommt?

Thu, 02/19/2015 - 14:05 Permalink
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Michael Bockhorni Thu, 02/19/2015 - 14:35

In reply to by Philipp Fallmerayer

es ist in demokratischen ländern durchaus üblich, dass jede und jeder etwas zu themen sein bestes gibt. ob dies dann auch "objektiv" das beste, sprich entsprechend fundiert ist, beurteilt jede und jeder leser_in. die industrienation österreich hatte vor der jahrtausendwende durchaus eine längerer periode in der das wirtschaftswachstum vom stromverbrauch entkoppelt war, d.h. nicht (gleich stark) mitwuchs. die ständige droh"keule" der wirtschaft abzuwandern, wenn a) steuern steigen, b) lohnnebenkosten steigen c) energiepreise steigen d) gesetze sich ändern ... (bitte ankreuzen) hat sich auch schon etwas abgenutzt, denn wer über den tellerrand blickt sieht auch, dass betrieb im land bleiben, wenn a)-d) in dem jeweiligen land realität sind. ich denke mit "grundversorgung" war jene im sozialen bereich gemeint, "stromausfälle" kommen im gastgeberland eher vor, wenn man die 3 kw überschreitet ;-)

Thu, 02/19/2015 - 14:35 Permalink