Environment | Naturpark

Alles Schotter in Toblach?

Die Schließung der Schottergrube Langweg sorgt für Aufsehen. Trotz ihrer Lage inmitten des Naturparks ist man im Dorf dafür, dass sie bleibt. Wie wird das Land reagieren?

Die Schließung des Betriebes, eines seit langem in Toblach verwurzelten Familienunternehmens, hat in der Gemeinde im oberen Pustertal nicht nur einen Stein ins Rollen gebracht, sondern eine ganze Schottergrube. Die Rede ist von dem Schotterwerk Langweg im Höhlensteintal. Seit über fünfzig Jahren führt die Firma Castagna den Betrieb. Nun soll dieser eingestellt werden, das Unternehmen abziehen und das Gebiet voll und ganz dem Naturpark Drei Zinnen einverleibt werden. Ganz so einfach dürfte die Sache aber nicht werden. Eine breite Front von Gegnern der Schließung hat sich mobilisiert.


Ein Grund dagegen, viele dafür

Eine kurze Chronik: Seit den 1930er Jahren gibt es die Schottergrube Langweg. Seit den 1960ern wird sie von dem Familienunternehmen Castagna betrieben. Doch als mit 11. Juli dieses Jahres die Konzession verfällt, schließt die Grube. Geht es nach dem Willen der Provinz Bozen, soll sie ihre Tore nie wieder öffnen. Denn das Gebiet, auf dem die Schottergrube liegt, ist seit 1981 Teil des Naturparks Drei Zinnen. Darüber hinaus fällt es auch unter die Schutzbestimmungen der Natura-2000-Gebiete sowie in jene des UNESCO-Weltnaturerbes. Daher ist für das Land die Sache klar: “Wie auch der Betreiberfirma Castagna bekannt ist, hat das Naturschutzgesetz 2010 ein Verbot für Schotterabbau innerhalb der Naturpark-Grenzen definiert”, heißt es aus dem Ressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie. “Und dieses Gesetz ist nun einmal bindend”, bekräftigt Ressortdirektor Florian Zerzer. Daher wurde die Konzession für den Schotterabbau der Firma Castagna nicht mehr verlängert.

Die Schottergrube Langweg im Höhlensteintal in der Gemeinde Toblach.

Ganz anders sieht man die Sache hingegen in der betroffenen Gemeinde selbst. Vor Ort kennt man die Beschaffenheit des Geländes sowie den Zweck, den die Grube Langweg für Natur und Mensch erfüllt und ist sich sicher: Das Schotterwerk muss bleiben. Drei Mal hat der Toblacher Gemeinderat einstimmig Ja gesagt zum Fortbestand des Schotterverarbeitungsbetriebs. Zuletzt am Montag vergangener Woche. “Aus Zivilschutz-, Arbeitsschutz- und Umweltschutzgründen” brauche es die Schottergrube Langweg, so die Meinung der Toblacher Gemeindevertreter. Bürgermeister Guido Bocher bringt es auf den Punkt: “Es ist wichtig, dass die Grube Langweg bestehen bleibt.” Die Betreiberfirma Castagna beschäftigt dort immerhin zehn Mitarbeiter. Wird die Konzession nicht verlängert und ist die Schließung somit endgültig, droht den Angestellten die Entlassung. Für Firmenchef Marcellino Castagna ein unvorstellbarer Schritt: “Einige von ihnen sind schon seit über 30 Jahren bei uns”, verrät er in einem Interview.

Zum Erhalt von Arbeitsplätzen kommen noch weitere Gründe, die laut Gemeinderat für die Wiedereröffnung der Schottergrube sprechen. Einerseits würde das Unternehmen Castagna auch Material aufräumen und verarbeiten, das immer wieder zu Tal rutscht oder geschwänzt wird. Andererseits habe es noch nie Beschwerden wegen Lärm oder Staubbelästigung gegeben, argumentieren die Gemeindevertreter. Zu bedenken gelte auch, dass ein beträchtlicher Teil des Schottermaterials, das im oberen Pustertal benötigt wird, aus dem Höhlensteintal stammt.

Landesnaturschutzgesetz vom 12. Mai 2010, Art. 21, Absatz 4:
In den Natura 2000-Gebieten ist, vorbehaltlich strengerer Schutzbestimmungen, insbesondere Folgendes verboten: (...) d) die Eröffnung neuer Schottergruben und Steinbrüche, mit Ausnahme jener, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits eine ordnungsgemäße Ermächtigung erteilt wurde; bestehende Schottergruben und Steinbrüche dürfen bis zum Ablauf der Konzession genutzt werden, eine Verlängerung der Konzession ist jedoch nicht zulässig


Unterschriften für das Schotterwerk, aber nicht gegen den Naturpark

Vielerlei Gründe, die für den Fortbestand der Schottergrube Langweg sprechen. Zumindest für die Leute vor Ort. Doch im Ressort für Raumentwicklung, Umwelt und Energie bleibt man hart: “Der Schotterabbau in Naturparks ist verboten. Wir haben Verständnis für die Sorgen der Gemeinde und des Unternehmens hinsichtlich des Verlustes von Arbeitsplätzen”, so Direktor Zerzer. Aber Gesetz sei nun einmal Gesetz. Unterstützung bekommt die Gemeinde indes auch aus der Toblacher Bevölkerung. Eine Bürgerinitiative sammelt Unterschriften. “Der Schotterverabeitungsbetrieb der Firma Castagna am äußersten Rand des Naturparks muss weiterarbeiten dürfen”, so die Forderung.

“Keiner von uns stellt den Sinn von Naturparks in Frage”, heißt es aus den Reihen der Initiative. Es sei allen bewusst, dass Naturparks unter anderem auch für eine erhöhte touristische Wertschöpfung sorgen. “Aber”, so die Meinung der Gruben-Befürworter, “auch Naturparks existieren nicht im luftleeren Raum wie unter einer Käseglocke.” Der Eingriff des Menschen – selbstverständlich im Rahmen der Umweltverträglichkeit – sei nötig, um den ästethischen Reiz für Einheimische und Touristen sowie die wirtschaftliche Stärke der Region beizubehalten. Daher hat man einen Katalog von Argumenten erstellt, die für die Aufrechterhaltung der Schottergrube sprechen – ausgehend von dem Versprechen, das bei der Ausweisung des Naturparks im Jahre 1981 gegeben wurde. “Bestehende Tätigkeiten werden nicht betroffen sein”, soll es damals geheißen haben.

Das Gebiet des Naturparks Drei Zinnen. Grafik: Provinz Bozen

Die Bürgerinitiative weist darauf hin, dass überhaupt kein Bedarf eines Schotterabbaus in der Grube Langweg bestünde. Denn, wie der Gemeinderat bereits feststellte, fördere das Höhlensteintal ständig und an vielen Stellen Material zutage, welches die Firma Castagna schließlich beseitige und verarbeite. Die eigentliche Tätigkeit, der Schotterabbau, wird von Castagna schon seit Längerem nicht mehr betrieben.


Sanft weiternutzen

Das bestätigt ein langjähriger Mitarbeiter: “In der Grube Langweg wird nicht mehr im eigentlichen Sinne Material abgebaut, sondern das im Höhlensteintal bei Abbrüchen, Abrutschungen oder bei Unwettern abgelagerte Material verarbeitet.” Wenn nun also der Schotterabbau in Naturparks gesetzlich verboten ist, tatsächlich aber keine als solche definierbare Tätigkeit dort stattfindet, würde sich daraus nicht eine völlig neue Situation ergeben? Dieser Ansicht ist unter anderem Albert Wurzer. Der SVP-Landtagsabgeordnete hat auch schon einen Lösungsvorschlag parat. Er schlägt vor, zwar am Verbot für Schotterabbau festzuhalten, da das geltende Gesetz keinen Spielraum zulasse. Die Weiterverarbeitung des anfallenden Materials solle aber mittels Konzession erlaubt werden, so Wurzer. Er schildert seine Sicht der Dinge: “Streng genommen ist lediglich der Abbau, nicht aber die Weiterverarbeitung des durch die Witterung angespülten Schotters verboten. Eine derartige Konzession wäre möglicherweise nicht nur mit den geltenden Bestimmungen vereinbar, sondern würde auch den Fortbestand des Unternehmens mit all seinen wertvollen Diensten für den Zivil- und Landschaftsschutz sowie den Erhalt wertvoller Arbeitsplätze in einem strukturschwachen Gebiet bedeuten.”

Albert Wurzer: “Mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgehen.”

Nun liegt der Ball bei der Landesregierung. Der Toblacher Gemeinderat hat seinen Bürgermeister samt Ausschuss beauftragt, mit Landeshauptmann Arno Kompatscher, Umweltlandesrat Richard Theiner sowie dem Landesrat für Zivilschutz Arnold Schuler eine Lösung zu finden. Beim Land scheint es klar zu sein, wie diese aussehen soll: Sanierung der Schottergrube, sprich Rückbau des Schotterwerks und Renaturierung. Damit dürften sich Bocher und seine Assessoren aber kaum einverstanden zeigen, genauso wenig wie das Unternehmen Castagna. Und einen Schritt weiter geht die Toblacher Bürgerinitiative. Sie fordert von den Landespolitikern eine “qualifizierte Auseinandersetzung” mit dem Thema und dem Naturschutzgesetz, auf dem die verwehrte Konzessionsverlängerung basiere. Die restriktiven Schutzbestimmungen werden den aktuellen Gegebenheiten demnach nicht mehr gerecht. Es gehe vielmehr darum, ein “Wechselspiel zwischen einer durch Menschenhand gepflegten Kultur- und Naturlandschaft” zu erhalten. Und mit ihm die Schottergrube Langweg.