hille.jpg
Foto: zucco.inc
Economy | Pollo der Woche

Die Landschaftsschützer

Die Handelskette Despar gaukelt mit einer neuen Werbekampagne plötzlich Südtiroler Bodenständigkeit vor. Wie man mit Zynismus politischen Druck und Geld macht.
Die alte Frau öffnet gerade die Tür. Bäuerliches Ambiente und das Flair eines Schnappschusses. Die Geisler, davor die Ranui-Kirche und dahinter ein Bergsee. Der Schlern oder ein Luftaufnahme des Sellastocks. Auf jedem dieser Fotos groß dieselbe Frage: „Wer schaug af´s Lond?“.
Es sind die Sujets einer Werbekampagne, die diese Woche groß in (fast) allen Südtiroler Medien startet. Beim ersten Betrachten eröffnet sich nicht, wer hinter diesen Inseraten steht. Die anbiedernde dialektale Frage lässt bestenfalls auf eine Aktion des Bauernbundes schließen. Oder auf Wahlwerbung der Süd Tiroler Freiheit.
Weit gefehlt. Denn im zweiten Teil  der Kampagne wird ein „Mir schaugn af enk“ folgen und dann die Auflösung: Despar und die Handelskette Aspiag stehen hinter der Frage.
 
Am vergangenen Mittwoch präsentierte die Aspiag die neue Werbekampagne im Bozner Filmclub. Man baute dazu das Stadtkino in eine Art Musikantenstadel um. Madeln im Dirndl, Buben in Lederhosen, überall große Herzen und die Stimmung fast wie auf einer Skihütte. Die Sarner Bäuerinnen sorgten für das Catering und eine Südtiroler Musikkapelle spielte auf. Dazu wurden „Original Südtiroler Bauernschürze/Grembiule tirolese“ verteilt. Vorne aufgestickt der Spruch „Wer schaug af´s Lond?“ und das Despar-Logo, eine stilisierte Tanne.
Der Kopf der Südtiroler Despar Robert Hillebrand hielt großen Bahnhof. Eingeladen zur geschlossenen Gesellschaft war alles, was Rang und Namen hat. An diesem Abend feierte auch ein Werbespot Premiere, der ganz mieses Kino ist.
Der Plot: Der Kopf der Kampagne, eine alte alleinstehende Frau, ein Despar-Markt, der zu einem Tante Emma Laden wird, der Pfarrer, die Kirche, die Kinder und die Dorfgemeinschaft. Und über allem der Heilsbringer Despar, irgendwo zwischen Caritas und Lebenshilfe.
Peinlicher und aufgesetzter kann man Plastik-Emotionen wohl kaum verkaufen.
An diesem Abend feierte auch ein Werbespot Premiere, der ganz mieses Kino ist.
Die Location der Präsentation für die Werbekampagne und den aufwendigen Werbespot war kein Zufall. Der Filmclub in der Streitergasse. Wie der Spot sollte auch der Ort die Botschaft vermitteln, dass die große Handelskette für die Kleinen da ist.
Despar ging bewusst mitten in die Stadt. Ins Reich der Bozner Kaufleute. Um zu demonstrieren, wer die eigentlichen Verbündeten des Südtiroler Kleinhandels sind. Nicht etwa dieser Innsbrucker Störenfried René Benko oder der zugewanderte Podini-Clan. Nein die echten Tiroler  sind wir. Das ist spätestens  jetzt klar.
Nur die Aspiag schaut aufs Land. Ohne Sie waren wir verloren. Der Schlern verbaut, die alten Leute abgeschoben und Südtirol der schrankenlosen Globalisierung preisgegeben.
Spätestens jetzt muss eine neu Ämterordnung her: Die Landschaftsschutzkommission kann man abschaffen, denn die Rekurse gegen Bauleitplanänderungen können ab sofort in jedem Despar-Geschäft eingereicht werden.
Zwischen dem Kauf eines Apfels aus Chile und einer Sojasauce aus Hongkong kann man so unbürokratisch und nachhaltig etwas fürs Land tun.
Allein am Desparwesen kann das Land genesen.
Spätestens jetzt muss eine neu Ämterordnung her: Die Landschaftsschutzkommission kann man abschaffen, denn die Rekurse gegen Bauleitplanänderungen können ab sofort in jedem Despar-Geschäft eingereicht werden.
Aspiag ist ein Machtfaktor. Weit über Südtirol hinaus. Ein Umsatz, der 2 Milliarden Euro im Jahr übersteigt. Insgesamt über 7000 Angestellte in den Regionen Trentino-Südtirol, Veneto, Friaul-Julisch-Venetien und Emilia Romagna. Die Aspiag Service GmbH führt fast alle wirtschaftlichen Reihungen in Südtirol an. Höchster Umsatz, größter Arbeitgeber, größte Wertschöpfung und einer der größten Steuerzahler im Land.
 Das ist der Stoff, aus dem keine Träume gemacht werden, sondern politischer Druck. Die Handelskette hat in Südtirol mehr politischen Einfluss als alle Oppositionsparteien zusammen. Es gibt Dutzende Südtiroler Gemeinde, die ihren Bauleitplan den Wünschen und Befindlichkeiten dieses Großkonzerns angepasst haben oder anpassen. Derzeit wird etwa ist in der Überetscher Großgemeinde Eppan eine Operation vorbereitet, die weniger dem Lehrbuch der ordentlichen Städteplanung, aber umso mehr dem Despar-Einkaufs-Zettel entspricht.

Die Frage ist aber, warum haben Hillebrand & Co plötzlich ihre landschaftsschützerische Ader entdeckt? Warum wollen Aspiag und die Despar so eindringlich aufs Land und auf die Leut schauen? 
Die Handelskette hat in Südtirol mehr politischen Einfluss als alle Oppositionsparteien zusammen.
 
Der Grund dieses absolut uneigennützigen Fürsorgeprojekts liegt in der Bozner Industriezone. In der Buozzistraße befindet sich eine der größten Baustellen Südtirols. Die Aspiag baut dort ein Einkaufszentrum. 35.000 Quadratmeter an Detailhandelsfläche sollen entstehen. Das ist eineinhalb Mal soviel wie im umstrittenen Kaufhaus des ungeliebten Großinvestors Benko.
Die Gemeinde Bozen hat die Baugenehmigung erteilt, die Bagger sind längst aufgefahren. Es soll das „größte Einkaufszentrum Italiens“ entstehen (laut Eigenwerbung 2014).
Gleichzeitig hat die Aspiag aber erstmals ein größeres Problem in diesem Land. 
Die Landesregierung will den Bau des Einkaufszentrums in Bozen stoppen. Derzeit prüft man, ob die Baukonzession Rechtens ist. Zudem hat man Ende Oktober zwei Bestimmungen erlassen, die das Aus für dieses Einkaufszentrum bedeuten. Die Bestimmungen kommen demnächst in den Landtag.
Der Landschaftsschutz á la Despar hat deshalb einen zweifachen Zweck. Zum eine soll er ablenken. Denn während wir aufs Land schauen, baut die Handelskette in Bozen Süd munter weiter, so als wäre nichts gewesen. In Südtirol wurde noch nie ein Gebäude abgerissen, auch wenn es widerrechtlich gebaut wurde.
Dazu soll mit der Kampagne das Image verbessert und Druck auf die Politik gemacht werden. Die Lederhosen und die Herzen, die Tiroler Sprüche und die väterlicher Fürsorge für dieses Land, werden den Fokus verstellen. Nicht ein Konzern, sondern ein Sozialwerk mit einem Weihnachtsbaum als Logo steht damit vor ihnen.
Robert Hillebrand & Co wissen genau, dass die Politik gegen diesen Heimatkitsch nicht immun sein kann. Dazu kommt noch, dass die Zukunft Dutzender Südtiroler Zulieferbetriebe, tausende Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in dreifacher Millionenhöhe notfalls in die Waagschale gelegt werden können.
 Die Kampagne ist perfekt getimt. Wer so uneigennützig alten Menschen hilft, dem kann die Politik doch nicht Steine in den Weg legen.

Robert Hillebrand & Co wären ehrlicher und bodenständiger, wenn sie in ihrer nächste Werbekampagne eine andere Frage stellen würden: „Wer schaug auf die Brieftasch?“
 
Es ist Zynismus pur. Vor diesem Hintergrund urplötzlich als Kleinkrämer und Landschaftsschützer aufzutreten. Doch wirtschaftliches Kalkül kennt keine Moral.
Robert Hillebrand & Co wären ehrlicher und bodenständiger, wenn sie in ihrer
nächste Werbekampagne eine andere Frage stellen würden:
„Wer schaug auf die Brieftasch?“
Denn allein darum geht es.
 
Bild
Profile picture for user G G
G G Sat, 11/19/2016 - 16:13

So langsam merken die bei DESPAR wohl auch, dass sie sich etwas wärmer anziehen und in die Gänge kommen müssen. Hängt mich jetzt bitte nicht auf, wenn die Preise nicht auf den Cent genau stimmen, aber vor einigen Monaten ist mir mal aufgefallen, dass im Eurospin dieselbe Grieß-Nockerl-Mischung von unserem lokalen RIEPER bei DESPAR so um die 46 Cent kostet, während sie im Eurospin so um die 32 Cent zu haben war. Das ist prozentuell gesehen doch ein beachtlicher Unterschied.

Sat, 11/19/2016 - 16:13 Permalink